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Krise in der UkraineKrim-Führung erklärt Unabhängigkeit

Schon vor dem Referendum am Wochenende hat das Regionalparlament die Krim als von Kiew unabhängig erklärt. Russland bereitet sich auf die Angliederung vor.

Demonstrantin mit Russland-Flagge in Moskau. Bild: ap

SIMFEROPOL/MOSKAU dpa/afp/rtr | Das prorussische Parlament der Krim hat die Halbinsel formell für unabhängig von der Ukraine erklärt. Zur Begründung hieß es, der Schritt sei juristisch notwendig für den geplanten Beitritt der Krim zur Russischen Föderation wie auch für die Durchführung des umstrittenen Referendums darüber am 16. März.

Laut ukrainischer Verfassung dürfen einzelne Gebiete keine Volksabstimmungen beschließen. 78 von insgesamt 99 Abgeordneten des Parlaments hätten für die Abspaltung gestimmt, teilte die Volksvertretung am Dienstag in Simferopol mit. Die Zentralregierung in Kiew, die EU und die USA halten den gesamten Abspaltungsprozess für völkerrechtswidrig.

Zuvor hatte der moskautreue Regierungschef Sergej Aksjonow am Dienstag der Agentur Ria Nowosti erklärt, dass er die ukrainischen Kriegsschiffe vor der Halbinsel, sowie Kraftwerke und der lokalen Energieversorger beschlagnahmen will. Kiew-zugewandte Soldaten wurden aufgefordert, die Krim zu verlassen.

Mit Ausnahme der Verbindungen aus Moskau sind alle Flüge in die Krim-Hauptstadt Simferopol ausgesetzt worden. Prorussische Bewaffnete übernahmen am Dienstag die Kontrolle über den Flughafen und sagten sämtliche Flüge bis auf jene aus Moskau ab, berichtete ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP. Einer Maschine aus Kiew wurde die Landeerlaubnis verweigert, so dass sie umkehren musste. Die Milizionäre hinderten Reporter daran, mit Flughafenmitarbeitern zu sprechen. Ein Milizionär sagte, sie würden den Kontrollturm und die Rollbahn blockieren. Damit sollten Aktivisten aus Krim gehindert werden, auf die Krim zu kommen.

Als Reaktion auf die gegenwärtigen Entwicklungen will die Ukraine eine Nationalgarde formieren und dafür auch Reservisten und Freiwillige mobilisieren. Übergangspräsident Alexander Turtschinow forderte das Parlament am Dienstag auf, einen Beschluss zu billigen, nach dem die dem Innenministerium unterstellten Truppen in eine Nationalgarde umgewandelt werden mit dem Ziel, „das Land und seine Bürger gegen Kriminelle, äußere und innere Angriffe zu verteidigen“. Die Mobilisierung werde sowohl diejenigen betreffen, die bislang in der Armee dienten als auch Freiwillige.

Der vom ukrainischen Parlament abgesetzte Präsident Viktor Janukowitsch rief die Streitkräfte des Landes hingegen zur Befehlsverweigerung auf. Die Arme solle keine „kriminellen Befehle“ befolgen, sagte er auf einer Pressekonferenz im russischen Rostow am Don.

Unterdessen bereitet sich die russische Staatsduma auf die Eingliederung der Halbinsel vor. Das russische Parlament will kommende Woche über Gesetzesänderungen diskutieren, die eine Aufnahme der ukrainischen Halbinsel Krim ermöglichen sollen. Am 21. März werde über eine Änderung der Gesetze zur Aufnahme ausländischer Gebiete in die Russische Föderation beraten, sagte der Abgeordnete Wjatscheslaw Nikonow von der Regierungspartei Einiges Russland am Dienstag der Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Laut dem Urheber der Initiative, Sergej Mironow, könnte binnen einer Woche das Gesetz geändert werden.

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17 Kommentare

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  • HS
    Hari Seldon

    @irma kreiten: Falls Sie meinen, dass Fakten Provokationen wären, dann haben Sie Ihr Zeugnis selbst ausgestellt.

     

    Noch weitere Infos für Sie: Grusien wollte Abchasien erobern (schöne Ferienimmobilien, usw. als Beute), aber Abchasien hat die Völker in Kaukasus um Hilfe gebeten, und ein Paar Kämpfer aus Tschetschenien haben die Eroberer innerhalb einer Woche rausgeschmissen. Sud-Ossetien wollte die Nachkommen von Josif Wissarionowich (Stalin) auch nicht. Dann hat Sakaswili den Krieg probiert (sogar er hat den Krieg offiziell deklariert) und Pech gehabt.

     

    Gefällt Ihnen oder nicht, wird die Mehrheit der Krimtataren die Unabhängigkeit von Russland wählen: Die Krimtataren können sehr gut Rechnen.

  • HS
    Hari Seldon

    @irma kreiten:

     

    Schlechte Nachrichten für Sie: Die Delegation der Krimtataren ist gerade heute verhandelt in Moskau über die Zukunft: Was passiert, wenn Krim zur Mutter zurückkehren wird. Sie können auf Nummer sicher gehen, dass die Krimtataren nach der Verhandlungen zufrieden seien werden. Die Krimtataren sind sehr vernünftig und interessieren sich für fremdfinanzierte Hetzen und Menschenrechtimport nicht.

    • @Hari Seldon:

      Mich interessieren ihre Provokationsversuche hier nicht mehr.

  • Nach "Democracy now" habe ich mir gestern Abend noch mal RT angesehen. Die Sendung hieß "Crosstalk". Natürlich ziemlich einseitige russische Propaganda zu der durchaus angesehene westliche Journalisten und Experten beitragen dürfen. Besonders beim Thema Krim argumentierten die Gäste auch ziemlich lustlos. Aber: als es dann um die Ukraine ging, die Rechtmäßigkeit der dortigen Regierung, die wirtschaftliche Ausweglosigkeit kamen sie in Form und wussten zu überzeugen.

    Meines Erachtens lenkt die

    Krimproblematik eigentlich ganz schön ab von dem Schmierentheater, welches in Kiew aufgeführt wird. Die Rolle des Westens, die erneute Einsetzung von schwerreichen Oligarchen als Gouverneure, die offenbare rechtsradikale Grundtendenz im Nationbuilding der Ukraine (wo der Verbrecher Bandera schon unter Juschtschenko als nationale Ikone eingeführt wurde), die bevorstehenden scharfen sozialen Einschnitte....

     

    Diese ganze Revolte war zutiefst nationalistisch und selbstverständlich antirussisch (d.h. gegen die russische Bevölkerung in der Ukraine).

    Wie ich im "Pester LLoyd" las, betraf die fremdenfeindliche Stimmung auch die Ungarn in der Karpathoukraine, so dass der nationalistisch- chauvinistische Premier Ungarns seine Volksungarn in den ehemaligen Ostgebieten vor den dortigen (zugegeben noch schlimmeren) ukrainischen Nazis verbal beschützen musste.

    Wenn die Krim Bewohner nun unter die Fittiche Moskaus kriechen, ist das zwar nicht das Gegenteil von nationalistisch (etwa internationalistisch, emanzipativ, klassenkämperisch..) und beseitigt keineswegs irgendwelche für die Misere verantwortlichen Strukturen (Oligarchenwirtschaft, Kapitalismus..), aber ich kann es ihnen überhaupt nicht verdenken, wenn sie ihren Arsch in ein ökonomisch deutlich besser aufgestelltes Staatsgefüge, dem sie kulturell eh viel näher stehen, retten.

    Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Berichterstattung der taz zum Themenkomplex unter aller Sau war.

  • Nein

    ich annektiere hiermit Russland.

    Damit ist auch die Krim wieder mit drin. Alles in einem.

    Außerdem wird die russische Fahne durch die von Netto ersetzt.

  • D
    D.J.

    @Gabi,

     

    "Nazi Putischisten vom Maidan"

     

    Ist ein ganz klein wenig Differenzierung zu viel verlangt?

     

    @Manle11

     

    "Rohstoffen und der Schwerindustrie in der Ostukraine schielt"

     

    Du meine Güte. Die tolle ukrainische Schwerindustrie. Und die Kohle bekommen wir dann geschenkt, wie?

     

    Verstehen Sie mich recht, mich nervt die derzeitige europäische Propaganda mindestens ebenso wie die nationalrussische. Aber was derzeit mal wieder für eindimensional-schlichtlinke Erklärungsmuster rausgehauen werden, Mannomann.

    • @D.J.:

      Das repressive, rechtslastige und teils auch selbst faschistoide Putin-Rußland startet eine Propaganda-Kampagne, die den ukrainischen Faschismus kritisisert. Ein beträchtlicher Teil der deutschen Linken findet das plausibel, springt auf den Zug auf und reicht begeistert u.a. ein gefälschtes Photo einer angeblichen Friedhofsschändung herum sowie youtube-Videos von Ken Jebsen, der seinerseits durch antisemitisch deutbare Äußerungen aufgefallen ist und für Compact arbeitet. Die faschistische Entwicklungen der letzten Jahre in Rußland selbst werden dagegen entweder nicht einmal zur Kenntnis genommen, oder man glaubt, den Teufel mit dem Beelzebub austreiben zu können.Glaubwürdig wäre gewesen,wenn man sich argumentativ auf die Nato-Osterweiterung und die Ebene der internationalen Politik der Interessensphären konzentriert hätte,hier ist tatsächlich einiges an Fehlentwicklungen zu kritisieren und das wäre wohl auch der Punkt, bei der eine Entspannungspolitik zuerst ansetzen müßte. Statt dessen versucht man, einer Aufstandsbewegung per se jegliche Legitimation abzusprechen, mit allen Mitteln. Und da werden dann selbst diejenigen zu glühenden Antifaschisten, die sich üblicherweise über "Zionismus" und "Holocaustindustrie" auslassen.

      • @Irma Kreiten:

        Ja ich teile diese Kritik.

        • @nzuli sana:

          Dann sollten wir uns zusammentun und nicht mehr gegeneinander ausspielen lassen, sondern gemeinsam einen dritten Weg neben US/EU und RF-Großmachtspielen einfordern.

  • Die USA spielen mit dem Feuer, in Europas Scheunen.

  • It´s the economy, stupid!

    Mich erinnert der Krim Anschluß eher an meinen eigenen Anschluß vor einem Vierteljahrhundert (statt an 38) .Wir erinnern uns, damals gings um Bananen (und nicht primär um Freiheit und Democracy). Russland heute ist da einfach das bessere Angebot (Bananen vs. Troikagraubrot) für die Krimbewohner. Sehr schön auch:

    http://www.titanic-magazin.de/news/gaertners-kritisches-sonntagsfruehstueck-das-ganze-ostland-soll-es-sein-6336/

     

    (falls es durch die olivgrüne Zensurstelle kommt)

     

    Übrigens macht sich Russland auch innerhalb der EU schon neue Freunde durch großzügige Kreditvergabe (z.B. im Ungarn Orbans). Putins Dispo gibt halt noch ordentlich was her...

  • V
    volki

    http://www.youtube.com/watch?v=cbEy4z7CpBo

     

    Ich kann die deutsche Presse und Redaktionen nur dvor warnen....sich aufhetzen zu lassen von US Interessen....

     

    keiner will Krieg in Europa?

     

    USA ist weit weg....wenn es hier Mitten in Europa brennt....Putin hat völlig rational gehandelt!

  • S
    (s)ta(at)zjournalismus

    Als "völkerrechtswidrig" ließe sich im Gegensatz zu dieser von 78 von 99 AbgeordnetInnen getragenen Abspaltung, auch die deutsche Unterstützung teils faschistischer Kräfte in der Ukraine bezeichnen...

  • Eigentlich müsste es jetzt einen Untersuchungsausschuss zu den Einmischungen in die Angelegenheiten ausländischer Staaten geben. Sowohl in Brüssel, als auch in Berlin muss untersucht werden, ob das durch geltende Gesetze gedeckt ist. Aber da traut sich in einer "wahrhaftigen" Demokratie niemand ran. Obwohl auf diese Weise opferreiche Kriege provoziert werden.

  • G
    Gabi

    Recht so! Diese Volksdemokratie sollte man unterstützen denn sie ist bei weitem legitimer als die Nazi Putischisten vom Maidan.

    • @Gabi:

      Gabi im großen und ganzen hast Du Recht.

      Was mich ärgert ist, dass man angeblich für Demokratie und Rechte des ukrainischen Volkes ist aber in Wirklichkeit nur nach den Rohstoffen und der Schwerindustrie in der Ostukraine schielt aber auch die strategisch wichtige Position der Ukraine im Blick hat.

      Wenn es um Demokratie und Bürgerrechte gehen würde, hätte man sich schon längst um den Nato-Partner Türkei intensiv kümmern müssen!