Krise in der Ukraine: Russische Truppenkonzentration
Russland entsendet Flugzeuge nach Weißrussland. In der Ukraine ruft die Übergangsregierung derweil zur Bildung einer Nationalgarde auf.
KIEW afp | Vor dem Hintergrund des Konfliktes mit Russland hat die Ukraine den Aufbau einer Nationalgarde mit bis zu 60.000 Mann beschlossen. Einstimmig billigte das Parlament in Kiew am Donnerstag den Aufbau der Garde. Russland verstärkte wenige Tage vor dem Referendum zum Status der Krim seine Militärübungen nahe der Grenze zur Ukraine. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte Moskau davor, sich selbst massiv zu schaden.
Insgesamt 262 Parlamentarier gaben ihr Ja für eine Nationalgarde mit bis zu 60.000 Mann, Gegenstimmen gab es nicht. Die Garde soll sich vor allem aus Freiwilligen der so genannten Selbstverteidigungsgruppen vom Maidan, dem zentralen Platz der Proteste in Kiew, zusammensetzen. Sie solle „die Sicherheit des Staates garantieren, die Grenzen verteidigen und Terrorgruppen ausschalten“, sagte der Chef des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats, Andrij Parubij.
Die Nationalgarde untersteht dem Innenministerium und könnte so der regulären 130.000 Mann starken Armee der Ukraine beistehen. Zum Vergleich: Die russische Truppenstärke liegt bei 845.000 Soldaten. Vor dem Hintergrund des Krim-Referendums ist die Angst vor einer Eskalation auf der Halbinsel hoch. Der Duma-Abgeordnete Leonid Sluzki sagte dem Moskauer Echo, auf der Krim gebe es „einige Militäreinheiten, die Positionen für den Fall einer bewaffneten Aggression durch Kiew besetzen“. Würde es im Zuge der Abstimmung zu einem „Blutvergießen“ kommen, könnten diese aktiv werden.
Sluzki nahm das Wort „russisch“ mit Bezug auf die Einheiten auf der Krim nicht in den Mund, reagierte aber auf die Frage einer Journalistin, ob Russlands Streitkräfte vor Ort seien. Damit bestätigte er die Präsenz russischer Militärs indirekt, während Präsident Wladimir Putin dies dementiert hatte. Die Krim steht seit Tagen faktisch unter russischer Kontrolle. Die mehrheitlich russischsprachige Bevölkerung soll nun am Sonntag über einen Beitritt zu Russland entscheiden. Kiew und der Westen bezeichnen die Abstimmung als illegal.
Verstärkte Truppenpräsenz in der Region
Russlands Verteidigungsministerium gab bekannt, Panzer-, Artillerie- und Infanterieeinheiten verstärkten in den grenznahen Regionen Rostow, Belgorod, Tambow und Kursk ihre Geländeübungen. Ziel sei eine „Überprüfung des Zusammenhalts der Truppen“ sowie eine Simulation „von Einsätzen in unbekanntem Gebiet und auf noch nicht getesteten Schießplätzen“. Die Übungen sollen bis Ende März andauern, die Zahl der beteiligten Soldaten blieb offen. In der Region Rostow starteten 4000 Fallschirmjäger ein groß angelegtes Manöver, wie die Nachrichtenagentur Itar-Tass meldete.
Außerdem hat Russland sechs Kampfflugzeuge vom Typ Suchoi Su-27 und drei Militärtransporter in das autoritär regierte Weißrussland verlegt. Die Maschinen seien auf dem Stützpunkt Mogiljow östlich der Hauptstadt Minsk gelandet, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Donnerstag mit. Die Kampfjets sollen Aufgaben der Aufklärung und Verteidigung erfüllen.
Der weißrussische Staatschef Alexander Lukaschenko hatte Russland die Stationierung angeboten. Die „Bruderstaaten“ sollten im Ukraine-Konflikt mit dem Westen „angemessen“ auf die Verlegung von US-Jets nach Polen und ins Baltikum reagieren, sagte er. Weißrussland grenzt sowohl an Russland als auch an die Ukraine.
Das Europaparlament verurteilte die „Aggression Russlands in Form einer Invasion“. Die Parlamentarier forderten den Rückzug aller „rechtswidrig auf dem Gebiet der Ukraine“ stationierten Soldaten. Die westlichen Staaten planen nach Angaben von Diplomaten außerdem, eine Resolution zu dem Referendum auf der Krim in den UN-Sicherheitsrat einzubringen.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung setzte unterdessen die Beitrittsverhandlungen mit Russland aus. Zugleich solle die bestehende Zusammenarbeit mit der Ukraine verstärkt werden, teilte die OECD mit. Russland sei über die Entscheidung informiert worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“