Krise in Libyen: Die Einheitsregierung kommt
Nach langen Verhandlungen unterzeichnen Vertreter der Konfliktparteien den Friedensplan der UNO. Folgt jetzt eine Militärintervention?
Bisher gab es in Libyen zwei konkurrierende Regierungen, eine in der Hauptstadt und eine im ostlibyschen Tobruk. Letztere war international anerkannt, doch inzwischen ist das Mandat beider Regierungen abgelaufen.
Der UN-Sondergesandte Martin Kobler hatte die ein Jahr andauernden Verhandlungen Mitte November übernommen und zuletzt den Gegnern des UN-Friedensplans mit Sanktionen gedroht. „In dem entstandenen Machtvakuum breitet sich der Islamische Staat täglich weiter aus. Libyen steht vor dem Kollaps“, warnte der deutsche Diplomat, der zuvor die weltweit größte UN-Mission in der Demokratischen Republik Kongo geleitet hat.
Der künftige Premierminister Faiz al Faraj hat nun bis Anfang Februar Zeit, ein Kabinett zu bilden und die Wiederaufnahme der Arbeit der Ministerien vor zubereiten. Mangels Budget und wegen des Machtkampfes ruht die Arbeit. Faraj stammt aus Tripolis. Der Unternehmer hatte sich aus dem Konflikt rivalisierender Milizen heraus gehalten.
Aufklärungsflugzeuge über den Städten
Doch der in Tripolis bisher herrschende Nationalkongress und dessen Milizen sehen in dem Plan der UNO eine Gefahr für ihre Macht, die sie sich nach der verlorenen Wahl 2014 durch einem Putsch zurück geholt hatten.
Die über Libyens Städten kreisenden französischen und amerikanischen Aufklärungsflugzeuge sind erste Vorzeichen eines baldigen internationalen Militäreinsatzes gegen den Islamischen Staat (IS), dessen Kämpfer bereits in Tripolis eingesickert sind. Aber eine ausländische Intervention wie 2011 wollen berüchtigte Milizenkommandeure in Tripolis wie Adb Algani Gneiwa oder Abdulrauf Kara nun um jeden Preis verhindern.
Nuri Abu Sahmain, Chef des Nationalkongresses in Tripolis, und der Sprecher des Parlaments in Tobruk, Ageela Saleh, trafen sich überraschend vor zwei Wochen zum ersten Mal und verkündetenen unabhängig vom Friedensplan der UNO einen Fahrplan für eine libysch-libysche Einheitsregierung. „Wir haben keinen einzigem Kongressmitglied die Erlaubnis gegeben, den UN-Plan in Marokko zu unterzeichnen“, betonte Abu Sahmain noch am Montag.
Mit einer Medienkampgane versuchen die Islamisten in Tripolis daher, die Öffentlichkeit gegen jegliche ausländische Intervention aufzubringen. In Tripolis glauben viele Bürger gar, beide Einheitsregierungen wären Teil desselben Friedensprozesses. „Ich war schockiert, als ich gestern erfuhr, dass wir nach zwei Regierungen und zwei Parlamenten nun auch zwei Einheitsregierungen haben könnten“, sagte der Journalist Mohamed Essul.
Ein gespaltenes Land
Wie gespalten das Land ist, zeigt die Zahl der zur Unterzeichnung nach Marokko gereisten Parlamentarier. Von jeweils 200 Abgeordneten kamen 72 Vertreter des des Repräsentantenhauses in Tobruk und 27 des Nationalkongresses in Tripolis. Doch die internationale Libyen-Konferenz am vergangenen Wochenende in Rom hatte sich offenbar entschieden, nicht länger auf einen Konsens zu warten.
Denn nach Sirte, Derna und Sabratah hat der IS nun die Küstenstadt Adschdadabija im Visier, die als das Tor zu den wichtigsten Bohrtürmen und Lagerstätten in Afrikas ölreichstem Land gilt. Vor allem Italiens Regierung fordert eine militärische Absicherung des Friedensabkommens und warnt davor, ass unter den über das Mittelmeer nach Europa kommenden Flüchtlingen auch Extremisten seien.
Vorbereitungen für den Einsatz
Britische Militärexperten bereiten bereits eine Schutzzone für Diplomaten für Tripolis vor, ähnlich der Grünen Zonen in Bagdad. Wie die britische Times am Donnerstag berichtete, steht das Land bereit, bis zu 1.000 Soldaten und Spezialkräfte nach Libyen zu schicken. Damit könne ein Militäreinsatz unter der Führung Italiens unterstützt werden, hieß es weiter.
Unterdessen könnten die ersten US-Soldaten bereits in Libyen gelandet sein. Ein 20 Mann starkes Spezialkommando habe zusammen mit libyschen Soldaten den Watyia Flughafen, südlich der neuen Afrika-Zentrale des IS in Sirte, inspiziert.
Selbst wenn sich diese Meldung als Gerücht heraus stellen sollte, verfehlt sie bei den Milizen in Tripolis ihre Wirkung nicht. Seit Tagen kommt es zu heftigen Kämpfen um neuralgische Punkte in der Stadt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!