Krise in Abchasien: Rücktritt nach Protesten
Ein Wirtschaftsabkommen mit Russland wird Abchasiens Präsidenten Aslan Bschania zum Verhängnis. Nach mehrtägigen Protesten gibt er seinen Posten auf.
Auch der Ministerpräsident sowie der Chef des Sicherheitsdienstes legten ihre Ämter nieder. Wenige Stunden später stimmten 28 Abgeordnete bei einer Gegenstimme (zwei Stimmzettel waren ungültig) für Bschanias Rücktritt. Nun soll sein Vize Badra Gunba die Region mit 243.000 Einwohner*innen regieren.
Auslöser der aktuellen Krise ist ein Wirtschaftsabkommen Abchasiens mit Russland, das Moskau bestimmte Sonderrechte einräumt und Ende Oktober unterschrieben worden war. Es sieht unter anderem vor, dass Russland für acht Jahre von bestimmten Zöllen auf die Einfuhr von Baumaterialien sowie technischer Ausstattung und der Zahlung von der Körperschafts- und Einkommenssteuer befreit wird.
Die Mehrwertsteuer liegt bei fünf Prozent – der Hälfte des ortsüblichen Satzes. Kritiker hatten argumentiert, durch das Abkommen blieben lokale Unternehmen auf der Strecke, da diese im Vergleich zu russischen Betrieben nicht mehr konkurrenzfähig seien. Zudem sei Abchasiens Sicherheit bedroht.
Brücken blockiert
Am Montag vergangener Woche hatten oppositionelle Demonstranten eine Schnellstraße und drei Brücken blockiert und damit den Verkehr in die Hauptstadt Suchumi lahmgelegt. Dies war eine Reaktion auf die Festnahme mehrerer Aktivisten, die tags darauf jedoch wieder auf freien Fuß kamen.
Drei Tage später, am 15. November – dem Tag der Abstimmung über das Abkommen im Parlament –, verschafften sich Protestierende gewaltsam Zutritt zu dem Areal, auf dem sich das Parlament befindet. Polizeikräfte gingen mit Tränengas und Rauchbomben gegen die Demonstranten vor, mindestens acht Menschen wurden verletzt. Am Abend stürmten und besetzten oppositionelle Kräfte das Gebäude, in sich auch das Büro des Präsidenten befindet. Aslan Bschania, seit 2020 im Amt, setzte sich in sein Heimatdorf Tamysch ab und beschuldigte die Opposition eines versuchten Staatsstreichs.
Doch offensichtlich haben beide Seiten, zumindest derzeit, kein Interesse daran, es zum Äußersten kommen zu lassen. In der Nacht zu Dienstag handelten der Präsident und die Opposition einen Deal aus: Bschania tritt zurück, im Gegenzug räumen die Protestierenden das besetzte Gebäude. Laut dem russischsprachigen Dienst der BBC hätten die ersten Protestler kurz nach Bekanntwerden der Einigung den Rückzug angetreten.
Ob die jüngste Krise damit beendet ist, wird sich zeigen. Abchasien erklärte sich nach einem Bürgerkrieg im September 1993 für unabhängig von Georgien. Im August 2008, nach einem fünftägigen Krieg zwischen Georgien und Russland um Südossetien, erkannte Russland die Unabhängigkeit beider Regionen (insgesamt 20 Prozent des georgischen Territoriums) an. Sie unterstehen nicht der Kontrolle Tbilissis, sondern werden de facto von Russland kontrolliert, auch russische Soldaten sind hier stationiert.
Kandidat bei der nächsten Wahl
Die Demonstranten hatten übrigens betont, nicht gegen Russland zu sein, jedoch nationale Interessen und die natürlichen Ressourcen Abchasiens schützen zu wollen. Genau darin bestünde das Dilemma der Region, die wirtschaftlich ohnehin schon weitgehend von Moskau abhängig ist, meint Inal Chaschig, Journalist beim Webportal JAMnews, das auf den Südkaukasus spezialisiert ist.
„Die Suche nach einem neuen Algorithmus für die Beziehungen zu Moskau wird eine der obersten Prioritäten der nächsten Regierung sein. Die Formel ist äußerst einfach: Wie die Freundschaft mit Russland aufrecht erhalten ohne Abchasiens Souveränität zu verletzen“, so Chaschig.
Der ehemalige Präsident Bschania hat angekündigt, bei der nächsten Wahl erneut anzutreten. Diese war für Frühjahr 2025 angesetzt, dürfte jedoch nun früher stattfinden. Wo sich Aslan Bschania übrigens derzeit aufhält, ist derzeit unklar. Während einige behaupten, er halte sich immer noch auf dem Land auf, gibt es Gerüchte, er habe Abchasien mittlerweile verlassen.
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