Krise des FC Schalke 04: Akt der Verzweiflung
Der Bundesligaklub versucht die Hoffnungslosigkeit zu bekämpfen – mit Vertragsauflösungen und Suspendierungen.
![Schalker Fußballprofi wischt sich auf dem Rasen mit dem Trikot den Schweiß aus dem Gesicht Schalker Fußballprofi wischt sich auf dem Rasen mit dem Trikot den Schweiß aus dem Gesicht](https://taz.de/picture/4523938/14/Krise_FC_Schalke_04-1.jpeg)
Vom großen Rekord, von dieser sagenhaften Serie mit 31 sieglosen Bundesligapartien nacheinander, die Tasmania Berlin 1965 zu dauerhafter Berühmtheit verhalf, ist der FC Schalke noch ein ganzes Stück entfernt. Wahrscheinlich werden die Gelsenkirchener irgendwann einen Glückstag erwischen, an dem sie einen Sieg zurechtstolpern und die Serie von derzeit 24 Spielen ohne 3-fachen Punktgewinn vor der tasmanischen Marke beenden. Was jedoch die Vielschichtigkeit der Krise betrifft, hat Schalke alle Rekorde übertroffen.
Die sportliche Lage ist dramatisch, die wirtschaftliche prekär, in der Klubführung mangelte es zuletzt an Harmonie, von einem Konzept für die Zukunft fehlt jede Spur. Selbst eingefleischten Schalkern fällt es immer schwerer, sich mit dem Projekt des Niedergangs zu identifizieren. Da soll mal wieder die Kraft der „1.000 Freunde“, von der im Vereinslied die Rede ist, den Weg zur Rettung ebnen.
Dass der Kader genügend „fußballerische Qualität“ mitbringe, um die Klasse zu halten, sei „klar“, sagte Sportvorstand Jochen Schneider am Mittwochmittag in einer kurzfristig einberufenen Presserunde, nachdem er tags zuvor mehrere vermeintliche Störenfriede aus dem Arbeitsalltag entfernt hatte. „Aber wir brauchen diesen einen Mitspieler: das Miteinander.“
Also wurde zunächst die Trennung von Kaderplaner Michael Reschke, dem vor dem Hintergrund der leeren Kassen während des vergangenen Sommers nicht viel eingefallen ist, beschlossen. „Einvernehmlich“, wie der Klub erklärte. Hauptgrund für die Trennung sei eine „unterschiedliche Auffassung über die sportliche Zukunft des Vereins“ gewesen, erklärte Schneider. Der Bitte, die Differenzen genauer zu erläutern, kam er nicht nach. Ganz so harmonisch ging es offenbar nicht zu.
Etliche Kontroversen
Bekannt ist, dass die beiden Funktionäre bereits im Sommer in der Trainerfrage aneinandergeraten sind; Reschke wollte David Wagner schon damals ersetzen, Schneider war anderer Meinung, musste sich aber nach zwei Spieltagen korrigieren und Manuel Baum einstellen. Über Transfers soll es ebenfalls Kontroversen gegeben haben, aber die Trennung von Reschke, dessen Aufgaben nun von Klublegende Mike Büskens, Lizenzspielerchef Sascha Riether und Schneiders Assistenten René Grotus übernommen werden, ist nur ein Aspekt der großen Selbsterneuerung.
Bereits zum fünften Mal wurde der chronische Quertreiber Nabil Bentaleb suspendiert, ebenfalls bis auf Weiteres vom Profibetrieb ausgeschlossen ist Amine Harit, dessen demonstrative Lustlosigkeit offenbar nicht mehr zu ertragen war. Unbestätigten Berichten zufolge sollen sich Bentaleb und Harit respektlos gegenüber dem Trainer verhalten haben. „Es war notwendig, jetzt eine oder zwei Denkpausen“ zu verhängen, erklärte Schneider.
Endgültig getrennt haben die Schalker sich von Vedad Ibišević, dessen Vertrag zwar noch bis Ende des Jahres läuft, der aber schon zu seiner Familie abgereist ist. Der Stürmer war am Montag auf dem Übungsplatz derart mit Assistenzcoach Naldo aneinandergeraten, dass das Training abgebrochen werden musste. „Das Bild ist für mich verheerend, das wir da abgeben“, sagte Schneider, der zwar um eine sportliche Wende bemüht ist, aber von der Komplexität des Schalker Niedergangs überfordert scheint.
Die Maßnahmen dieser Woche wirken wie ein Akt der Verzweiflung und nicht wie die erste Etappe eines wohl durchdachten Weges aus der Krise. Das Motiv der Suspendierungen und Trennungen besteht wohl darin, die bedrückende Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit, die den ganzen Klub wie ein toxischer Nebel umhüllt, wegzublasen. Wobei schwer absehbar ist, wie gut die Erfolgschancen der Entgiftungsmaßnahmen sind. Am Tag nach dem Knall mussten sie sich erst mal mit den bekannten Sorgen herumplagen: Bastian Oczipka, Gonçalo Paciência, Ralf Fährmann und Salif Sané drohen aufgrund von Knieverletzungen länger auszufallen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!