piwik no script img

Krise des EuroMerkel stuft Ratingagenturen runter

Die Kanzlerin geht nach dem Votum "Zahlungsausfall" für Griechenland auf die Ratingagentur Standard & Poors los. Ignorieren kann sie die Warnung nicht.

Bürogebäude der Ratingagentur Standard & Poor's in New York. Bild: dpa

BERLIN taz | Es ist ein neuer Machtkampf entbrannt zwischen Ratingagenturen und den EU-Regierungen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Dienstag, "es ist wichtig, dass sich die Troika die eigene Urteilsfähigkeit nicht wegnehmen lässt". Bei Griechenland vertraue sie "vor allem den Bewertungen dieser drei Institutionen": Europäischer Zentralbank, EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds.

Damit reagierte die Kanzlerin auf die US-amerikanische Ratingagentur Standard & Poors (S & P), die am Montag angedroht hatte, dass sie es als "Zahlungsausfall" werten würde, falls ein französischer Plan umgesetzt wird, wie die privaten Banken an einem Rettungspaket für Griechenland zu beteiligen sind. Schon vor zwei Wochen hatte Merkel über die skeptischen Ratingagenturen gesagt: "Kein Mensch zwingt uns, deren Einschätzungen zu glauben."

Trotz dieser Kampfansage ist es für die Regierungen nicht gefahrlos, die Ratingagenturen zu ignorieren. Denn die Bewertung "Zahlungsausfall" könnte eine Kettenreaktion in Gang setzen. Erstes Problem: Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte eigentlich keine griechischen Staatsanleihen mehr als Sicherheiten akzeptieren. Damit aber wären die griechischen Banken umgehend pleite, die sich inzwischen über die EZB refinanzieren.

Offiziell äußert sich die Notenbank nicht zu diesem Problem. Faktisch aber hat sie Spielraum: Sie könnte anderen Agenturen folgen.

Ansteckungsgefahr

Damit enden die Probleme jedoch nicht. Die zweite Gefahr: Das Votum "Zahlungsausfall" könnte ein "Kreditereignis" auslösen, womit gemeint ist, dass die Kreditausfallversicherungen (CDS) fällig würden. Da aber niemand weiß, wer diese Derivate hält, sind die Rückkopplungen auf den Finanzmärkten unkalkulierbar.

Um die Wucht dieser CDS-Derivate einzuschränken, hat das EU-Parlament am Dienstag gefordert, "ungedeckte" Kreditausfallversicherungen auf Staatsanleihen zu verbieten. Damit sind CDS-Kontrakte gemeint, die abgeschlossen werden, obwohl der Käufer gar keine entsprechende Staatsanleihe besitzt - die also der reinen Spekulation dienen.

Das dritte Problem: die vielzitierte Ansteckungsgefahr. Die Anleger benötigen nicht viel Fantasie, um zu erkennen, dass auch andere Euroländer wie Portugal, Irland oder selbst Spanien mit dem Siegel "Zahlungsausfall" belegt werden könnten, sobald dieser Präzedenzfall in Griechenland eingetreten ist. Also könnten die Risikoaufschläge auch bei diesen Ländern weiter steigen - so dass sie ebenfalls dauerhaft vom Euro-Rettungsschirm abhängig blieben.

Neue 30-jährige Papiere

S & P sieht den "Zahlungsausfall" als gegeben, weil die Banken Wertverluste hinnehmen müssten, wenn sie sich am Rettungsplan für Griechenland beteiligen. Denn der favorisierte französische Plan sieht vor, dass die Banken 70 Prozent ihrer griechischen Staatsanleihen, die zwischen 2011 und 2014 fällig werden, wieder neu anlegen - und zwar in 30-jährige griechische Papiere, für die sie zwischen 5,5 und 8,0 Prozent Zinsen erhalten würden.

Diese Rendite wäre zwar üppig, aber mit dem Risiko behaftet, dass Griechenland diese Zinslast nicht tragen kann und weiterhin auf eine Pleite zusteuert. Trotzdem mildert S & P seine Drohung ein wenig ab: Die neuen 30-jährigen Papiere könnten schon bald wieder hochgestuft werden - wenn die EU-Rettungspakete greifen.

S & P sorgt jedoch nicht nur beim Thema Griechenland für Ärger. Die italienische Börsenaufsicht hat eine Untersuchung eingeleitet, weil S & P das neue italienische Sparpaket negativ bewertet hat, noch bevor dessen Details öffentlich bekannt waren. Dieses Vorgehen finden die Italiener merkwürdig, denn offenbar habe sich S & P nur auf "Indiskretionen der Presse" verlassen.

Zudem veröffentlichte die Ratingagentur ihr Votum am Nachmittag, als die Börsen noch geöffnet hatten. Auch das ist sehr ungewöhnlich. Normalerweise werden negative Bewertungen am Wochenende bekannt gegeben, damit die Investoren ausreichend Zeit haben, diese neue Einschätzung zu analysieren. Die Untersuchung der italienischen Börsenaufsicht ist noch nicht abgeschlossen: S & P muss noch Dokumente nachreichen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • G
    guntherkummerlande

    Was wäre wenn man Ratingagenturen generell

    abschaffen würde?

    Die Situation ist doch grotesk:

     

    Die Ratingagenturen sollen den Totalausfall

    der Investitionen vorbeugen.

    Aber im Zweifelsfall springt die Allgemeinheit

    für diese Risiken ein.

    Also haben die Anleger null Risiko.

    Also braucht man Ratingagenturen nicht,

    denn Sie schaden der Allgemeinheit.

    Sie müssen nun die faulen Kredite abbezahlen

    und zusätzlich die Neuschulden unter höheren

    Zinsbedingungen abstottern.

    Das lassen sich doch nur ausgesprochene Trottel

    gefallen.

  • SW
    Stefan Wehmeier

    Die „bösen Rating-Agenturen“

     

    Ein „Spitzenpolitiker“ in einer kapitalistisch pervertierten Marktwirtschaft (Zinsgeld-Ökonomie), der sich über die „bösen Rating-Agenturen“ beschwert, gleicht einem Autofahrer, der die „böse Tankanzeige“ dafür verantwortlich macht, dass sein Benzinvorrat zur Neige geht. Der „Benzinvorrat“ ist das „Vertrauen der Anleger“, und ein „Spitzenpolitiker“ hat im Grunde nichts anderes zu tun, als dieses zu erhalten, damit nicht das passiert, was der „Jahrhundertökonom“ Sir John Maynard Keynes als „Liquiditätsfalle“ beschrieb: der irreversible Zusammenbruch des Geldkreislaufs und damit der gesamten Volkswirtschaft.

     

    Dass es in einer Zinsgeld-Ökonomie (zivilisatorisches Mittelalter) keine wie auch immer geartete Finanz- oder Wirtschaftspolitik gibt, um eine Liquiditätsfalle generell zu verhindern, solange unsere seit jeher fehlerhafte Geld- und Bodenordnung so ist, wie sie noch ist, weiß der „Spitzenpolitiker“ nicht, denn das hatte Prof. Dr. J. M. Keynes von der ehrwürdigen University of Cambridge wohlweißlich verschwiegen, um seine „Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ verkaufen zu können. Keinem anderen Wirtschaftsexperten ist es je gelungen, die hohe Politik so gut zu beschäftigen.

     

    Weil aber der „Spitzenpolitiker“ schon erahnt, dass die einzig denkbare Lösung des Problems, die Natürliche Wirtschaftsordnung (Marktwirtschaft ohne Kapitalismus), alles, was wir heute als „hohe Politik“ bezeichnen, überflüssig macht, bleibt ihm vorläufig nichts anderes übrig, als über die „bösen Rating-Agenturen“ zu schimpfen. Doch verglichen mit den Flüchen, die unsere „liebe Priesterschaft“ von sich gibt, wenn man sie zurück ins Paradies befördern will, ist das Gezeter der Politiker natürlich nur ein laues Lüftchen:

     

    http://opium-des-volkes.blogspot.com/2011/07/die-ruckkehr-ins-paradies.html

  • VP
    V. Plaga

    Die 30-jährigen "Papiere" mit 5,5 - 8 Prozent Zinsen würden über ihre Laufzeit eine Verfünf- bis Verzehnfachung des eingesetzten Kapitals bewirken! Wo soll das ganze Geld herkommen? Mit einer solchen Erhöhung der Geldmenge muss eine ordentliche Inflation einhergehen. Aber können die Löhne im gleichen Maß steigen, oder werden die Menschen, die vorwiegend von Arbeitseinkommen leben, im Vergleich zu den von Kapitaleinkommen lebenden immer ärmer?

     

    Was wir brauchen ist ein "Geld ohne Zinsen und Inflation" (siehe gleichnamiges Buch von Margrit Kennedy)!

  • N
    NaSoWas

    warum kann Frau Bundeskanzler diese "Rating Agenturen" nicht ignorieren? Dass die nichts können haben die doch im Falle Lehman Bros. bewiesen.

    Diesen Handlangern der US-Banken sollten Bewertungen nur noch für deren Eigentürmer erlaubt sein und im Rest der Welt gehören die verboten.

    Wir haben schließlich Basel II in Europa, das langt völlig. Die USA haben Basel II übrigens bis heute nicht umgesetzt (siehe hierzu auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Basel_2)