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Krise der Brexit-VerhandlungenEin riskantes Spiel

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Bei den Brexit-Verhandlungen ist die Fischereipolitik nur vorgeschoben. Beiden Seiten mangelt es an neuen Ideen.

Schattenhaft: Eine Einigung zwischen London und Brüssel scheint nicht in Sicht Foto: AP

D iesmal ist es ernst. Als die Verhandlungsführer der EU und Großbritanniens am Freitag die Gespräche über ihre zukünftigen Handelsbeziehungen für gescheitert erklärten, geschah das nicht im Dissens. Gemeinsam stellten Michael Barnier und David Frost fest, die Bedingungen für eine Einigung seien nicht gegeben. Auf Geheiß Ursula von der Leyens und Boris Johnsons kommen sie zwar jetzt wieder zusammen – aber der britische Premierminister und die EU-Kommissionspräsidentin haben keine neuen Ideen; sie schicken Barnier und Frost einfach mit unveränderter Verhandlungsgrundlage wieder aufeinander los. Was soll dabei herauskommen?

Das Scheitern am Freitag war nicht zwangsläufig. Vieles war geklärt. Doch offenbar kamen in letzter Minute aus Frankreich neue Forderungen – etwa, dass sich bei der Fischerei zehn Jahre lang überhaupt nichts ändert, Großbritannien seine Gewässer also nach wie vor komplett der EU überlassen soll. Natürlich war das für die britische Seite nicht annehmbar.

Wieso ist der Fischereisektor eigentlich so wichtig? Tatsächlich erklärt erst die relative Bedeutungslosigkeit der Fischerei ihren geradezu totemistischen Wert bei den Brexit-Verhandlungen, während der viel wichtigere Finanzsektor kein Thema ist. Man setzt als Verhandlungsmasse nur das ein, was man unbeschadet verlieren kann. Paris wettet jetzt: Wenn absurde Fischereiforderungen einen „Deal“ platzen lassen, wird Großbritannien so sehr leiden, dass es nächstes Jahr aus einer Position der Schwäche heraus viel schlechtere Gesamtbedingungen akzeptieren wird. Paris opfert die eigenen Fischer einem harten Brexit, der Großbritannien insgesamt in die Knie zwingen soll.

Aber dieses Kalkül kann schiefgehen. Großbritanniens Brexiteers fühlen sich bestätigt: Mit einem solchen Partner können wir nicht kooperieren. Labour hofft: Ein No-Deal-Chaos treibt konservative Wähler zurück zu uns. Schottlands Nationalisten wittern einen Schub für ihren Drang nach Unabhängigkeit. Die an einem Deal interessierten Kräfte in Großbritannien sind demgegenüber übersichtlich. Noch ist es möglich, aus gemeinsamen Interessen eine Vereinbarung zu schmieden. Aber wenn es niemand will, wird es nicht geschehen.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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4 Kommentare

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  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Wieso ist der Fischereisektor eigentlich so wichtig?""



    ==



    Weil die Rechtsradikalpopulisten den englischen Fischern eingeflüstert haben das für sie alles viel besser nach einem Exit wird.

    Das ein no-deal das Ende der britischen Fischindustrie bedeutet hat Niqel Farage Ihnen nicht erzählt - und genauso wenig das britische Fischer auf Ihrem Fisch sitzen bleiben werden.

    Die EU hingegen benutzt Fischerei als Hebel hinsichtlich des gemeinsamen Energiemarktes - UK hat berechtigte Bedenken, das das britische Netz häufiger zusammen klappt wenn Stromnetze gekappt werden sollten.

    ""Finanzmärkte""



    ==



    Die Passporting rights in der EU britischer Banken und Finanzmakler enden mit dem 31.12. Dieses Thema ist mit dem Austritt aus dem gemeinsamen Markt weitestgehend erledigt - weil britische Banken und Finanzdienstleister in der EU (Dublin, Paris, Frankfurt) Niederlassungen aufgebaut haben die sicherstellen, das dort nach europäischen Regeln gespielt wir.

    Angespisst ist Schottland - die verlieren einen großen Teil Ihrer mit der EU arbeitenden Dienstleistungs - und Versicherungsbranche - und haben daher allen Grund richtig sauer zu sein.

    ""Schottlands Nationalisten wittern einen Schub für ihren Drang nach Unabhängigkeit.""



    ==



    Boris Johnson betreibt derzeit offensive Propaganda gegen die Selbstverwaltungsrechte der Länder Tony Blair hatte 1999 NI, Wales und Scotland gewisse Rechte zugestanden. Selbiges möchte Boris derzeit zurückdrehen.

    Seit wann ist es üblich Selbstverwaltung als Nationalismus zu beschimpfen - und Bemühungen, die Folgen des englischen Imperialismus zurück zu drehen, zu diskreditieren ?

  • "Wieso ist der Fischereisektor eigentlich so wichtig?"

    Herr Johnson: die Antworten finden Sie u.a. auf Wiki:



    "Fischfang hat direkten Einfluss auf Fischbestände und Meeresfrüchte; daneben wirkt sich dieser auch auf andere Meerestiere wie Vögel, im Meer lebende Säugetiere oder Schildkröten aus. Am Meeresboden lebende Pflanzen und Tiere können durch bodenberührende Schleppnetze geschädigt werden, Seevögel und Meeressäugetiere sind durch den ungewollten Beifang gefährdet. Aquakulturen in offenen Systemen verursachen eine erhöhte Nährstoffzufuhr und bergen die Gefahr, dass von den kultivierten Organismen Krankheiten auf wild lebende Fischbestände übergehen.



    Die Fischbestände selbst sind aber auch durch andere menschliche Aktivitäten gefährdet: Abwässer, die vom Land in das Meer eingeleitet werden, Nährstoffeintrag durch die Landwirtschaft, Ölverluste von Schiffen, Tourismus, industrielle Aktivitäten und Ölförderung. In bestimmten Regionen sind auch Robben oder Vögel bedeutende Räuber."

    Ferner steht auch dort im Kontext des Brexit: "Die britische Regierung kündigte im Juli 2017 an, sie werde die 1964er Konvention mit Wirkung im Jahre 2019 kündigen. Der Verlust des Zugangs zu britischen Gewässern beträfe insbesondere die irische Fischereiindustrie, die aus britischen Gewässern ca. ein Drittel ihres Fangs bezieht."

    Ich weiß nicht, ob das alles nur Peanuts sind.

  • Domenic, es geht um Wirtschaft & Vertrauen nicht um ein paar Heringe!



    Das weisst Du genau so gut wie jeder Andere hier!



    Nord-Irland, Subventionen & einen Instanz die bei "Vertragsstreit" entscheidet ist Thema!



    Warte ab, was heute im Unterhaus rauskommt & für Mittwoch hat BoJo noch was angekündigt!



    Mit einem "Jack of the Box" kann man nicht ernsthaft verhandeln!



    Gr Sikasuu

  • Die Quoten in London für einen Deal mit der EU, liegen für Yes bei 4/7 und für No bei 11/8.

    www.oddschecker.co...trade-deal-in-2020

    Ich vertraue da den englischen Buchmachern, es kommt no Deal.