Kriminalkomödie „See How They Run“: Keine voreiligen Schlüsse ziehen
Krimikomödien sind gerade wieder sehr gefragt. „See How They Run“ versucht sich an einer historischen Variante mit Agatha Christie im Gepäck.
Die Welt des Kinos liegt im Argen. Was man unter anderem daran sieht, dass die großen Studios in ihren Produktionen auf Nummer sicher gehen. Superheldensequels wie das Marvel-Universum gehören zum größten Geschäft bei Disney, von Film zu Film wiederholt sich aber auch die größtmögliche Erwartbarkeit sowohl bei Handlung (irgendwie Gute kämpfen gegen irgendwie Böse) als auch in der Ausstattung (bei diesen Kämpfen geht nichts unter dem Giga-Wumms). Oder man macht aus schönen Zeichentrickfilmen wie dem „Dschungelbuch“ weniger schöne computergestützte Nachbauten.
Unter den jüngsten cinematischen Recyclingideen scheint jetzt auch das gute alte Krimigenre ein Update zu erhalten, oder man käut es zumindest entschlossen wieder. Krimikomödien stehen jedenfalls einigermaßen hoch im Kurs, seit mit „Knives Out“ (2019) von Rian Johnson die bewährte Whodunit-Formel, bei der Publikum und Ermittler unter einer größeren Zahl an Verdächtigen rätseln können, sich dank schlauem Schnitt und geglückter Starmannschaft als einer der bemerkenswertesten Komödienerfolge vor der Pandemie herausstellte.
An dieses Konzept knüpfen aktuell gleich mehrere Filme an: Bevor zu Weihnachten mit „Glass Onion“ die Fortsetzung von „Knives Out“ bei Netflix startet, kommt jetzt mit „See How They Run“ ein grundsätzlich ähnlich gebauter Film ins Kino, nächste Woche folgt mit „Amsterdam“ von David O. Russell eine weitere Krimikomödie, beide aus dem Hause Disney.
„See How They Run“ ist das Kinodebüt des Regisseurs Tom George. In den Hauptrollen ermitteln Sam Rockwell als der columboeske Inspector Stoppard und Saoirse Ronan als die übereifrige Polizistin Inspector Stalker, dazu ist Adrien Brody als Mordopfer Leo Köpernick zu sehen. Ort der Handlung ist über weite Strecken ein Theater im Londoner Westend. Man schreibt das Jahr 1953, gegeben wird, o Zufall, Agatha Christies „Die Mausefalle“.
„See How They Run“. Regie: Tom George. Mit Sam Rockwell, Saoirse Ronan u. a. USA 2022, 98 Min.
Zwei unterschiedlich trottelige Gesetzeshüter
Der Bühnenerfolg soll zum Kinoerfolg werden, Leo Köpernick ist der mit der Verfilmung beauftragte Regisseur. Dessen wenig sympathisches arrogantes Auftreten ist einer der Gründe, warum es bei den Vorbereitungen an verschiedenen Stellen hakt. Da Köpernick am Tag der Feier der 100. Aufführung der „Mausefalle“ hinter den Kulissen des Theaters ermordet wird, gibt es kurz darauf für die Polizei eine Reihe von Verdächtigen.
Inspector Stoppard und Constable Stalker sind dabei ein Team von zwei auf unterschiedliche Weise trotteligen Gesetzeshütern. Stoppard ist kriminalistisch zwar erfahren, trinkt aber mehr, als seiner Arbeit dienlich ist. Stalker steht beruflich noch am Anfang, kennt sich als Filmbegeisterte bestens im Kino aus, bei der Kriminalistik neigt sie hingegen zu „voreiligen Schlüssen“.
Das Ganze wäre ja eine schöne Idee. Da sind die witzig angelegten Figuren und zwei kundige Mimen, um sie zum Leben zu erwecken. Man hat einen Film-im-Film-Ansatz, bei dem Bühnenstück, geplante Verfilmung und der Film, den man gerade sieht, auf verschiedenen Ebenen miteinander verschaltet werden. Dazu kommt eine ordentliche Portion Slapstick inklusive monströser Tortenschlacht.
Doch das Drehbuch hat lediglich eine Handvoll zündender Witze für Rockwell und Ronan parat, ansonsten bleiben sie aufs Knallchargieren abonniert. Auch der übergeordnete Blick, den der Film in abgeklärter Form auf das Genre werfen will, erscheint eher starr als wach und lässt der Komik kaum Luft zum Atmen. Allein der Slapstick hat das richtige Tempo. Doch es wäre falsch verstandene Höflichkeit zu sagen, dass man damit gut anderthalb Stunden bestens unterhalten würde. Dann doch lieber noch einmal „Knives Out“. Oder „Ladykillers“.
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