Kriminalität am Görlitzer Park: Die Kieze ächzen jetzt schon
Diebstähle, Einbrüche, Raub: Während im Görli die Straftaten sinken, steigt ringsherum die Beschaffungskriminalität. Der Zaun soll trotzdem kommen.
Schnell wird klar: Das Thema Görli-Zaun überlagert derzeit fast alle anderen Probleme im Bezirk. Sowohl bei der Demo vor als auch bei der Fragestunde hinter den verrammelten Türen machen die Besucher*innen ihrem Unmut Luft: „Lassen Sie bitte davon ab, diesen Zaun zu bauen, und helfen Sie den Menschen“, wendet sich ein Gast an den Regierenden.
Doch der verteidigt das Herzensprojekt seiner schwarz-roten Koalition. Dabei untermauern aktuelle Zahlen der Senatsinnenverwaltung, dass die geplante nächtliche Schließung des Görlitzer Parks die Probleme mit Kriminalität, Drogenhandel und Verelendung nicht lösen kann.
Bereits jetzt werden in den umliegenden Kiezen an der Reichenberger und der Wrangelstraße sowie in Alt-Treptow weitaus mehr Straftaten begangen als im Park selbst: Insgesamt rund 9.000 Delikte wurden von Januar bis September in den drei Gebieten erfasst; zehnmal mehr als im Görli, dort waren es lediglich 909, wie aus einer Senatsantwort auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Vasili Franco und Marianne Burkert-Eulitz hervorgeht.
Weniger Drogendelikte, mehr Beschaffungskriminalität
Zudem ist die Zahl der Straftaten im Park im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sogar um fast ein Drittel gesunken. Der Rückgang lässt sich unter anderem mit der Teillegalisierung von Cannabis erklären. Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz zählen seit jeher zu den häufigsten Delikten in dem Gebiet – und haben in den ersten neun Monaten dieses Jahres im Park um satte 43 Prozent (rund 250 Fälle) im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2023 abgenommen.
Diese Entwicklung zeigt sich auch in der Statistik für die umliegenden Kieze. Trotzdem ist dort die Gesamtzahl der Straftaten nahezu unverändert hoch. Denn während die Cannabisdelikte zurückgehen, steigen die Fallzahlen typischer Beschaffungskriminalität deutlich: Diebstähle, Einbrüche, Raub. Zum Beispiel war die Zahl der erfassten Diebstähle an und aus Fahrzeugen im Wrangel- wie im Reichenberger Kiez bereits Anfang Oktober höher als im gesamten Jahr 2023.
„Die Situation in den anliegenden Kiezen verschärft sich“, beobachtet auch Grünen-Innenexperte Vasili Franco und wirft dem Senat vor, er lasse „die Menschen in Kreuzberg im Regen stehen“. „Es braucht eine gesamtstädtische Strategie gegen Verelendung und Verwahrlosung, die Probleme nicht verdrängt, sondern tatsächlich Wege aus Abhängigkeit, Perspektivlosigkeit und Kriminalität ermöglicht“, fordert Franco.
Kai Wegner räumt am Montagabend in Kreuzberg zwar ein, dass ein Zaun nicht alle Probleme lösen werde. Die Furcht der Anwohner*innen vor einer Verdrängung der Kriminalität in die Wohngebiete nehme er „verdammt ernst“. Abrücken von dem Millionenprojekt will er trotzdem nicht.
Eine Statistik mit Tücken
Die argumentative Grundlage für die nächtliche Schließung soll dabei offenbar durch eine veränderte Einsatzstrategie der Polizei geschaffen werden. Denn obwohl die Gesamtzahl der Straftaten im Görli so deutlich zurückgegangen ist, haben sich die nachts registrierten Delikte beinahe verdoppelt: 669 waren es in den ersten neun Monaten dieses Jahres, im Vorjahreszeitraum jedoch nur 339.
Das deutet darauf hin, dass die Polizei inzwischen verstärkt nachts im Park patrouilliert. Schließlich handelt es sich bei einem Großteil der (nachts) erfassten Straftaten um sogenannte Kontrolldelikte, die nur angezeigt werden, wenn die Polizei Personen durchsucht. Beispielsweise wurden bereits jetzt mehr Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz sowie gegen das Betäubungsmittelgesetz zwischen 22 und 6 Uhr im Park registriert als im gesamten Jahr 2023. Womöglich heißt es angesichts dieser Zahlen schon bald von der Innensenatorin: Der Görli ist nachts gefährlicher geworden.
Trotz aller Rechenspiele ist weiterhin unklar, wann der Park vollständig umzäunt sein wird und bei Nacht abgeschlossen werden kann. Der Bau des sogenannten Lückenschlusses sei bereits beauftragt, schreibt die Innenverwaltung. Für die Errichtung der 18 Eingangstore laufe derzeit noch das Vergabeverfahren. Es soll bis März 2025 abgeschlossen sein, allerdings „unter der Voraussetzung einer gesicherten Finanzierung“. Der Senat geht dann von sieben Monaten Bauzeit aus. Mindestens bis Oktober 2025 bleibt der Görli also mutmaßlich auf.
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