Krimikomödie „Knives Out“: Lügen schlagen auf den Magen
Die schwarze Komödie „Knives Out“ mit Daniel Craig ist eine Krimi-Frischzellenkur. Zugleich zeichnet sie ein Sittenbild der heutigen USA.
Manchmal muss man scharfe Schnitte setzen. Um Fakten zu schaffen. Oder um die Fakten überhaupt erst ins rechte Verhältnis zu setzen. Ersteres geschieht im Film „Knives Out“ gleich zu Beginn. Da entdeckt die Haushälterin eines prächtig-morbiden Anwesens, als sie gerade dem Hausherrn das Frühstück bringen will, dass dieser mit aufgeschlitzter Kehle in seinem Zimmer liegt. „My house my rules my coffee“ steht auf dem Becher, den sie im letzten Augenblick noch festhalten kann, als ihr das Tablett vor Schreck wegrutscht.
Um das, was geschehen ist, ins rechte Verhältnis zu setzen, sorgt der Regisseur Rian Johnson wiederum mit Schnitten im Filmmaterial. Denn der gewaltsame Tod von Harlan Thrombey (Christopher Plummer), einem berühmten Krimiautor, ereignete sich in der Nacht nach der Feier seines 85. Geburtstags, den der Jubilar im Kreis der Familie beging.
Die Polizei taucht auf, um die Angehörigen, die am Abend zugegen waren, der Reihe nach zu verhören. Und diese Einzelverhöre schneidet Johnson so zusammen, dass die Lügen des einen Verwandten im nächsten Moment von der anderen direkt entlarvt werden. Rückblenden geben weiteren Aufschluss darüber, dass nicht jede Aussage gegenüber der Polizei die Geschehnisse vollständig wahrheitsgemäß schildert.
„Knives Out“ ist ein fast klassischer Kriminalfilm in Agatha-Christie-Tradition, bloß entwickelt er im Verhältnis zu seinen Vorbildern schon in der Exposition ein irrwitziges Tempo. Und schafft es sogar, diesen rasanten Kurs für volle zwei Stunden zu halten, ohne dass man darüber ermüden müsste. Was zunächst am Drehbuch liegt, das – dem bewährten „Whodunit“-Prinzip folgend – die Wahrheit in kleinen Portionen zutage befördert und dabei alle Register von Situationskomik bis zur Klamotte zieht, um den Witz des Geschehens maximal auszukosten.
„Knives Out – Mord ist Familiensache“. Regie: Rian Johnson. Mit Daniel Craig, Jamie Lee Curtis u. a. USA 2019, 132 Min.
Hinzu kommen die bestens aufgelegten Schauspielstars, die sich zu dieser Detektivgeschichte versammelt haben. Einen Privatdetektiv, der die Arbeit der Polizei unterstützt, braucht es selbstverständlich auch – und den spielt kein Geringerer als der amtierende James-Bond-Mime Daniel Craig. In der Rolle des stets elegant gewandeten Ermittlers Benoit Blanc spricht er mit einem absurden Akzent, den einer der Familienangehörigen verächtlich als „Kentucky-Gemurmel“ charakterisiert.
Familientreffen inklusive Testamentseröffnung
Überhaupt beschimpft man einander in diesem heillosen Familientreffen inklusive Testamentseröffnung aufs Giftigste. Und das so schön böse, dass am Ende kaum Sympathieträger im Hause Thrombey bleiben. Weder Tochter Linda (dominant-verbittert: Jamie Lee Curtis) noch ihr Gatte Richard (toxisch-herb: Don Johnson) oder Sohn Walt (gebrochen-arrogant: Michael Shannon) haben als Figuren irgendwelche Eigenschaften vorzuweisen, die sie dem Publikum sonderlich nahebrächten.
Stattdessen lacht man mit ihnen und über sie, wenn sie ihre Freundlichkeiten austauschen. Geistig stehen die meisten von ihnen eher dem rechten Milieu nahe, was in ihren Ansichten zu Einwanderung mehr als deutlich wird. Trump könnte sich keine dankbareren Wähler wünschen.
Einzig die Pflegerin Harlan Thrombeys, Marta (ängstlich-verstört: Ana de Armas), die selbst Tochter illegaler lateinamerikanischer Einwanderer ist, scheint nicht zum Kreis der Unsympathieträger zu zählen. Dafür stellt sich heraus, dass sie bemerkenswert viel über die Vorgänge der Todesnacht weiß. Ob es ein Mord oder Suizid ist, hängt am Ende von ihr ab. Und, so viel sei verraten, sie ist eine sehr schlechte Lügnerin.
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