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Krimi über PharmalobbyMehr, als in 90 Minuten passt

In „Dengler – die letzte Flucht“ kämpft Ronald Zehrfeld als ehemaliger Zielfahnder des BKA gegen die Pharmalobby. Privat spricht er gerne über Politik.

Dengler (Ronald Zehrfeld) schaut ganz genau hin, wenn es um die Pharmalobby geht. Bild: Julia von Vietinghoff ZDF

Er interessiert sich nicht für die neue Wohnung seines Vaters. Auch nicht für seinen neuen Job. Georg Denglers Sohn braucht seinen Vater nicht. Warum auch? Der Vater war ja nie da.

Aber jetzt ist er da. Dengler hat seinen Job als Zielfahnder beim BKA gekündigt und wird Privatdetektiv. Er will neu anfangen, schenkt seinem Sohn Karten für ein VfB-Stuttgart-Spiel. „Vielleicht können wir ja vorher ins Schwimmbad gehen?“ – „Ich geh nie ins Freibad“, antwortet der Sohn.

Diese Szene am Anfang von „Dengler – die letzte Flucht“, zeigt das Dilemma der Hauptfigur: Ein Mann, der lange nur für seinen Job gelebt hat, ihn dann aber nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren kann, kündigt und merkt: Er hat alles verloren. Oder nie etwas besessen.

Ronald Zehrfeld spielt den Dengler. Einen Polizisten. Wieder einmal. Wie in der Mafia-Serie „Im Angesicht des Verbrechens“, für die er den Grimmepreis bekam, im Kinofilm „Finsterworld“ und in seinem letzten „Wir waren Könige“. „Zufall“, sagt Zehrfeld.

Der Film

Montag, 20:15 Uhr, ZDF. Länge: 90 min. Thriller, Deutschland, 2015.

Zehrfeld spricht Berlinerisch

Er sitzt in einem israelischen Café in Berlin-Prenzlauer Berg. Die Kellnerin begrüßt er mit Handschlag, der Café-eigene Spitz „Shisha“ empfängt ihn mit wedelndem Schwanz. Zehrfeld wohnt um die Ecke. Es ist einer der letzten kalten Apriltage, aber er will draußen sitzen. Espresso und Ingwertee.

Zehrfeld erzählt gut gelaunt, laut, mit Berliner Dialekt. „Dengler ist ein Mann mit hohen moralischen Ansprüchen und einem starken inneren Konflikt: Job oder Familie? Staatsdienst oder selbstständig?“ Wenn Zehrfeld über Dengler spricht, klingt das, als erzähle er von einem guten Freund. Jeden Charakterzug hat er durchdacht.

Die Filmvorlage stammt von dem Krimi-Autor Wolfgang Schorlau. Zwölf Romane hat er über Dengler geschrieben. „Die letzte Flucht“ ist in der Buchreihe sein sechster Fall. Für die ZDF-Krimiserie ist es der erste. Mindestens einer soll noch folgen.

Warum Dengler beim BKA gekündigt hat, kann der Zuschauer nur erahnen: Am Anfang des Films liegt er gefesselt im Bett. Es folgen Rückblenden auf ein Nagelbombenattentat – eine Anspielung auf den NSU-Anschlag in der Kölner Keupstraße. Schorlau hat sich intensiv mit dem rechten Terrornetzwerk beschäftigt und sogar vor dem NSU-Untersuchungsausschuss in Baden-Württemberg vorgesprochen.

Mit Kaltschnäuzigkeit

Denglers erster Job als Privatdetektiv führt ihn zu einem Pharma-Skandal. Er soll einen Arzt entlasten, der eine pharmafreundliche Studie entlarven wollte. Dafür heuert er die Hackerin Olga (Birgit Minichmayr) an, die früher, ohne es zu wissen, Denglers Zielperson war. Sie lebt in einem Plattenbau am Kottbusser Tor, versiffte Wohnung, aber Spitzentechnik, und wird bewacht von einer Gang von schweren Jungs. Etwas klischeehaft, dieses Leben, aber Minichmayr hat zumindest die passende Kaltschnäuzigkeit für diese Olga.

Zehrfeld sagt, das Thema habe ihn gleich „erwischt“: das Gesundheitssystem, der Einfluss der Pharmalobby, der Patient als Ware – er kann da ewig drüber reden. Überhaupt: Zehrfeld schweift im Interview oft ab und kommt auf Größeres zu sprechen: Snowden, Afghanistan, die schwache Opposition im Bundestag.

„Wo führt das denn hin?“, fragt er und hetzt durch die Themen, immer mal wieder mit Rückgriff auf die DDR. Damals sei doch auch nicht mit der Gesundheit der Leute gespielt worden. Zehrfeld ist kein DDR-Verherrlicher. Aber er ist ein Linker.

In Ostberlin geboren

Er wurde 1977 in Ostberlin geboren. Die Eltern waren bei der DDR-Fluggesellschaft. Als Kind wollte er Profisportler werden, Judoka. Dann kam die Wende, und Zehrfeld war zu alt für den westdeutschen Kader. Peter Zadek holte ihn während seines Studiums an der Ernst-Busch-Schauspielschule ans Deutsche Theater, ein Ritterschlag.

Die große Aufmerksamkeit kam 2012 mit Christian Petzolds „Barbara“. Für seine Rolle als ostdeutscher Provinzarzt und Stasi-Spitzel wurde er für den Deutschen Filmpreis nominiert. Seitdem spielt er fast nur noch in Film und Fernsehen, sucht Rollen, die mehr erzählen, als in 90 Minuten passt. Deswegen auch Dengler.

„Ich spüre bei vielen Leuten in diesem Land so eine Pseudo-Lethargie, die bremst, und ich frage mich, wie man die Leute wachrütteln kann.“ Natürlich, schiebt er hinterher, sei er als Schauspieler ein Blender, mit kleinem Einfluss. Aber mit dem Sendeplatz am Montagabend erreiche man schon einige.

Und wenn die Quoten stimmen, werden weitere Dengler-Folgen gedreht. Zehrfeld hofft darauf: Die Beziehung zu dem Sohn, seine Freundschaft mit Olga – da gebe es viel zu erzählen.

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