Krimi „Die Nacht von Rom“: Wo die Mafia an der U-Bahn mitbaut
Giancarlo De Cataldo und Carlo Bonini lassen „Die Nacht von Rom“ anbrechen. Sie orientieren sich in ihrem Krimi an sehr realen Vorbildern.
Papst Franziskus ruft im Frühjahr 2015 das Heilige Jahr der Barmherzigkeit aus. Seine Worte bleiben in Rom nicht unerhört: Auch in der Politik, in der Wirtschaft und in der Unterwelt gerät darauf einiges in Bewegung. Allerdings weniger der Barmherzigkeit wegen, sondern um Geschäfte zu machen. Die U-Bahn-Linie C, eines der städtischen Großprojekte und bis heute nur in Teilen verwirklicht, gerät zum vornehmlichen Objekt der Begierde.
In „Die Nacht von Rom“, dem jüngsten Krimi und der zweiten Zusammenarbeit des Richters Giancarlo De Cataldo mit dem Journalisten Carlo Bonini, bietet dieses Szenario, in dem Realität und Fantasie aufs Engste miteinander korrespondieren, den Anlass für einen heftigen Unterweltkrieg, in dem es um die Sicherung von Aufträgen einerseits und die damit verbundene Vorherrschaft unter den Kriminellen andererseits geht. Das Duo knüpft damit an seinen Krimierfolg „Suburra“ an, in dem ein Teil der Protagonisten schon als Personal vorhanden war.
Da ist etwa der einst faschistische Gangsterboss Samurai, der in „Die Nacht von Rom“ mittlerweile im Gefängnis sitzt, von wo aus er immer noch die Geschäfte weiterführt. Des Weiteren sein Stellvertreter, der Baulöwe Sebastiano Laurenti, eigentlich ein Schöngeist ohne kriminelle Ambitionen, der durch widrige Umstände aber zum Anwärter auf die Thronfolge des Chefs der Unterwelt geworden ist.
In „Suburra“ konnte man noch seine unfreiwillige Kriminalisierung mitverfolgen, nun hat er sich mit seiner neuen Rolle abgefunden. Auch der korrupte Politiker Temistocle Malgradi, der für Samurai bei Abstimmungen schon mal die nötigen Mehrheiten beschafft, ist wieder mit von der Partie.
Giancarlo De Cataldo, Carlo Bonini: „Die Nacht von Rom“. Aus dem Italienischen von Karin Fleischanderl. Folio Verlag, Wien 2016. 303 Seiten, 24 Euro.
Wie real die Vorbilder sind, an denen sich De Cataldo und Bonini orientieren, lässt sich an der Figur des Bürgermeisters ablesen. Martin Giardino, der alles richtig machen will und damit fast alle gegen sich aufbringt, ist dem römischen Bürgermeister Ignazio Marino nachempfunden, der mit dem Fahrrad zum Dienst fuhr und nach gut zwei Jahren von der eigenen Partei praktisch aus dem Amt gemobbt wurde.
Korrupte Durchtriebenheit
Die Partito Democratico insgesamt, die Partei des jüngst zurückgetretenen Präsidenten Matteo Renzi, erscheint dabei in keinem günstigen Licht: Die Figur Chiara Visone, eine junge Abgeordnete, hat als Karrieristin etwa wenig für Gewerkschaften und Ähnliches übrig. Selbst von der korrupten Durchtriebenheit ihres Kollegen Malgradi trennt sie am Ende nur wenig.
Das Buch folgt einem streng szenischen Aufbau, jedes Kapitel ist in kleinere Abschnitte unterteilt, denen eine knappe Orts- und Zeitangabe vorangestellt ist. So schalten De Cataldo und Bonini elegant zwischen den zahlreichen Figuren hin und her, verschaffen Orientierung im Parallelgeschehen. Mit diesen harten Schnitten erzeugen sie zugleich eine noch brutalere Wirkung ihrer an Gewaltanwendung nicht gerade armen Geschichte. Über weite Strecken zeigen sie ihre Protagonisten jedoch beim Verhandeln, beim Komplotteschmieden oder einfach beim Streiten – unter Politikern wie unter Gangstern.
Das finstere Bild, das De Cataldo und Bonini von Italien im Allgemeinen und von Rom im Besonderen zeichnen, ist bewusst überspitzt. Zugleich lassen die beiden wenig Zweifel daran, dass sie weit mehr beabsichtigen, als sich mit ihren literarischen Mitteln über die italienischen Eliten – gleich welcher Gruppierung – lustig machen zu wollen. Die Mafia Capitale ist schließlich keine Erfindung: Roms faschistischer Exbürgermeister Gianni Alemanno, Marinos direkter Vorgänger, muss sich seit Juli 2016 wegen Bestechung durch die römische Mafia vor Gericht behaupten.
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