Mafia-Thriller „Suburra“ als Spielfilm: Die Politik der ruhigen Schusshand

In seiner Literaturverfilmung „Suburra“ zeigt Regisseur Stefano Sollima einen Reigen aus Drohen und Töten im kriminellen Rom.

Bedrohliche Männer und eine Frau stehen vor sitzendem Mann, im Hintergrund brennt es

Verkaufsverhandlung in Ostia: eine typische Szene aus „Suburra“ Foto: Koch

Filippo Malgradi möchte man nicht als Bettgenossen haben. Auch nicht für Geld. Dumm, dass der Politiker der fiktiven rechten Partei „Rialzati Roma“ (Erhebe dich wieder, Rom) eine große Vorliebe für Prostituierte hat. Besonders dumm für die minderjährige Jelena, die zusammen mit ihrer Kollegin Sabrina einen Abend mit Malgradi verbringen darf. Als Jelena bei dem ausschweifenden Dreier plötzlich mit Überdosis tot auf dem Bett liegt, hat Malgradi ein Problem.

„Suburra“ von Stefano Sollima erzählt von fünf Tagen im November 2011, in denen sich die Schicksale mehrerer Personen in Rom aufs Engste kreuzen. Für einen gut Teil von ihnen, nicht nur für Jelena, werden die Begegnungen tödlich enden. Im Zentrum des Geschehens stehen Geschäfte, allen voran das Großprojekt „Waterfront“, das den Strand von Ostia in einen riesigen Freizeitpark verwandeln soll.

Gewinn versprechen sich besonders die Großbosse des organisierten Verbrechens, angeführt vom faschistischen „Samurai“ (Claudio Amendola), der nicht nur in Rom den Ton angibt, sondern auch solide Beziehungen zu den „Familien im Süden“ pflegt, vornehmlich zur Camorra. Und Malgradi soll, im Auftrag von Samurai, die nötigen Mehrheiten für eine erforderliche Gesetzesänderung im Parlament beschaffen. Der Vatikan beteiligt sich, informell, ebenfalls.

In „Suburra“ hat Sollima, bekannt für seine Fernsehserie „Gomorra“, den gleichnamigen Roman des Richters Giancarlo De Cataldo und des Investigativjournalisten Carlo Bonini auf gut zwei Stunden Spielfilm zusammengefasst. Keine leichte Aufgabe bei dem umfangreichen Personenkarussell, das im Roman aufgefahren wird. Der Film beschränkt sich daher notgedrungen auf die Hauptfiguren und den Kern der Handlung.

„Suburra“. Regie: Stefano Sollima. Mit Pierfrancesco Favino, Elio Germano u. a. Italien/Frankreich 130 Min.

Malgradi, mit souverän abstoßender Schmierigkeit von Pierfrancesco Favino gegeben, muss sich die Tote vom Leib schaffen. Leider wittert der herbeigerufene Ausputzer Spadino seine große Chance und erpresst Malgradi. Der revanchiert sich, indem er dafür sorgt, dass Spadino beseitigt wird. Damit hat Malgradi den Clan der Sinti, dem Spadino angehörte, am Hals. Um Malgradi und das Waterfront-Projekt nicht zu gefährden, muss Samurai zwischen den beteiligten Parteien vermitteln, solange es geht.

Kreislauf der Gewalt

Sollima verdichtet die verwickelte Gemengelage auf einen Reigen aus Drohen und Töten, verschmilzt der Übersichtlichkeit halber einige Handlungsstränge, was den Eindruck, dass alle mit allen schicksalhaft verbunden sind, noch einmal verstärkt. In den Kreislauf der Gewalt gerät auch Sebastiano, Spross eines redlichen Ingenieurs, der ungeschickterweise bei dem Sinti-Clan sehr viel Schulden gemacht hat. So viele, dass er schließlich Selbstmord begeht und die Schulden auf seinen Sohn übergehen.

Den schlaksigen Sebastiano gibt Elio Germano mit arrogant-hilfloser Angespanntheit. Und dessen Übergleiten vom anständigen Bürgersohn zum Kriminellen wider Willen lässt er so zwangsläufig erscheinen wie einen Sonnenuntergang.

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Die Ausweglosigkeit, mit der die meisten Figuren in diesem Kosmos konfrontriert sind, inszeniert Sollima mit den Mitteln des brutalisierten Neo-Noir, in dem Gewalt nichts anderes als die Fortsetzung von Geschäftsverhandlungen mit anderen Mitteln ist. Was Sollima gern grafisch explizit gestaltet: Geblutet werden muss bei ihm viel. Dabei hat Sollima oft die Wirklichkeit auf seiner Seite: Das Großprojekt für Ostia gab es tatsächlich, die Figuren folgen meist realen Vorbildern.

Korrupte italienische Politiker

Samurai ist dem mittlerweile inhaftierten Boss der Mafia Capitale, Massimo Carminati, nachempfunden, Filippo Malgradi vereint gleich mehrere korrupte italienische Politiker in sich. Einer davon ist Cosimo Mele, Mitglied der christdemokratischen Partei UDC, die sich für Familien und Werte starkmachte. Mele wurde in einem Hotel mit zwei Prostituierten aufgegriffen, von denen die eine in bedenklichem Gesundheitszustand war. Und der Sinti-Clan der Anacleti folgt dem Vorbild der bestens vernetzten römischen Familie Casamonica.

Insofern kann man von „Su­burra“ nicht sagen, er übertreibe maßlos. Dem Film gelingt es, die Spitzen einer brutalisierten Gesellschaft zu präsentieren, bei der man kaum noch zwischen kriminellem Untergrund und „ehrenwerten“ Bürgern unterscheiden kann. Allerdings ist in seiner coolen Inszenierung auch nicht immer klar zwischen einer gewissen Verliebtheit in drastische Darstellung und blankem Zynismus zu unterscheiden.

Nicht bestreiten lässt sich hingegen, dass „Suburra“ eine Realität abbildet, die mehr als hässlich ist: Sogar Berlusconi und Ratzinger spielen darin eine Rolle. Zu viel soll aber nicht verraten werden. Denn Spannung langsam aufzubauen und durch unerwartete Wendungen bis zum Schluss zu halten, das beherrscht Sollima virtuos. Das soll man mit einer Besprechung nicht kaputtmachen.

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