Kriegsverbrecher aus dem Kongo: Flucht auf die Anklagebank
Im Kongo kennen fast alle den Kämpfer Bosco Ntaganda – und hassen ihn. Deshalb stellte er sich und ist nun in Den Haag wegen Kriegsverbrechen angeklagt.
BERLIN taz | Einen schillernderen Lebensweg hat wohl keiner der Häftlinge des Internationalen Strafgerichtshofs hinter sich. Bosco Ntaganda, gegen den am Montag beim IStGH in Den Haag das Vorverfahren begonnen hat, ist in so vielen verschiedenen Funktionen im Osten der Demokratischen Republik Kongo aktiv gewesen, dass im Ostkongo inzwischen jeder seinen Namen kennt – und hasst. Er hat in den Regierungsarmeen Ruandas und Kongos gedient sowie nacheinander in sechs verschiedenen Rebellengruppen.
Angeklagt ist er allerdings nur in einer Funktion: als Militärchef der Miliz UPC (Union kongolesischer Patrioten), die im nordostkongolesischen Distrikt Ituri zwischen 1999 und 2003 als bewaffnete Schutztruppe des Hema-Volkes gegen Milizen anderer Ethnien kämpfte. Ntaganda soll, so die Anklagebehörde, als Leiter des militärischen UPC-Flügels FPLC für unzählige Überfälle auf Zivilisten in den Jahren 2002 und 2003 verantwortlich gewesen sein, bei denen Hunderte von Menschen starben und deren Opfer aufgrund ihrer Ethnie zur Zielscheibe wurden.
Aber die UPC ist nur eine Episode von Bosco Ntagandas Karriere. Geboren 1972 und aufgewachsen in den ostkongolesischen Masisi-Bergen, kämpfte er erst in der ruandischen Tutsi-Guerilla RPF, die 1994 den Völkermord an Ruandas Tutsi beendete. Dann ging er 1996 zurück in den Kongo und kämpfte in allen Rebellionen des Ostens mit: die AFDL, die 1997 Diktator Mobutu stürzten; die RCD, die 1998–2003 Ostkongo beherrschte; die UPC in Ituri und deren Nachfolger MRC; die CNDP des Tutsi-Generals Laurent Nkunda, den er Ende 2008 absetzte, um 2009 Frieden mit Kongos Regierung zu schließen und General in Kongos Armee zu werden; und die M23, die 2012 zusammen mit Ntaganda zurück in den Busch ging.
Es ist ein Leben, so widersprüchlich und kompliziert wie die Geschichte des Kongo selbst. Den Haags Haftbefehl gegen ihn datiert aus dem Jahr 2006. Als sich die M23 im März 2013 spaltete, floh Bosco Ntaganda nach Ruanda und klopfte an das Tor der US-Botschaft, um nach Den Haag geflogen zu werden.
In der Untersuchungshaft ist Bosco Ntaganda immerhin seines Lebens sicher. Anders als im Kongo.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag