Kriegsverbrechen in Ruanda: General in Großbritannien in Haft
Geheimdienstchef Karenzi Karake wird aufgrund einer umstrittenen spanischen Beschuldigung festgenommen. Ruandas Regierung protestiert.
KAMPALA/BERLIN taz | Ruandas Geheimdienstchef ist in Großbritannien festgenommen worden. Als General Karenzi Karake am vergangenen Samstag nach einem mehrtägigen London-Besuch von Heathrow nach Hause fliegen wollte, führten ihn die Grenzbeamten stattdessen ab.
Wenig später stand er vor einem Untersuchungsrichter in Westminster. Dieser beschuldigte den General, als Chef des Militärgeheimdienstes der heute in Ruanda regierenden ehemaligen Guerillabewegung RPF (Ruandische Patriotische Front) während der 90er Jahre Massaker angeordnet zu haben, und beließ ihn bis zu einer Anhörung am kommenden Donnerstag in Haft.
Die britischen Behörden bestätigten die am Montag bekanntgewordene Festnahme am Dienstagfrüh und sagten, sie handelten auf Grundlage eines Haftbefehls aus Spanien.
Ein spanischer Untersuchungsrichter hatte im Jahr 2008 internationalen Haftbefehl gegen 40 hochrangige ruandische Militärs aus den Reihen der RPF wegen einer Reihe mutmaßlicher Verbrechen in Ruanda und Kongo erlassen, darunter die Tötung neun spanischer Staatsbürger. Konkrete Tatvorwürfe werden gegenüber Karenzi Karake dabei nicht erhoben; er wirdals RPF-Militärgeheimdienstchef für RPF-Taten verantwortlich gemacht.
Ungeprüfte Aussagen
Die spanische Klageschrift war von Anfang an höchst umstritten, da sie allein auf Angaben anonymer Exilanten basiert, deren Aussagen nicht überprüft wurden.
Die Untersuchungen begannen auf Veranlassung einer ruandischen Hutu-Exilorganisation, die den Tätern des Völkermordes an Ruandas Tutsi 1994 nahestand; die Anklage gibt als Fakten die Thesen der Völkermordideologen wieder, wonach die Hutu die eigentlichen Opfer seien und die RPF von Tutsi mit dem Ziel gegründet worden sei, „die größtmögliche Anzahl von Hutu zu eliminieren“. Ohne jeden Beleg wird behauptet, die RPF habe in Ruanda 1994-95 genau 312.726 Menschen getötet.
Mit der Ausnahme eines Sonderfalls hat kein Land der Welt jemals einem der 40 Haftbefehle Folge geleistet. Die US-Botschaft in Spanien nannte seinerzeit die Ausführungen des spanischen Richters über Ruandas Völkermord „empörend falsch“ und „abscheulich“.
Beobachter in London sagten zur taz, die Festnahme General Karenzis sei völlig überraschend gekommen. Der Geheimdienstchef ist ein regelmäßiger Besucher in Großbritannien und anderen europäischen Ländern. Er wurde nicht bei der Einreise nach London festgesetzt, wohin er nach ruandischen Berichten zu einer „Sicherheitskonferenz“ gereist war – möglicherweise die weltgrößte Messe für Sicherheits- und Überwachungstechnologie, die vergangene Woche in London stattfand – sondern bei der Abreise. Die britische Botschaft in Ruanda fügte ihrer Bestätigung der Festnahme eine ausführliche Würdigung der „guten“ britisch-ruandischen Beziehungen bei.
Die britischen Behörden sagten, sie seien laut EU-Recht verpflichtet, den spanischen Haftbefehl zu vollstrecken. Ruandas Außenministerin Louise Mushikiwabo sprach auf Twitter von „Irrsinn“ und flog nach London, um den Fall zu klären.
Karake gehört in Ruanda zu den alten Hasen der Tutsi-Guerilla unter dem heutigen Präsidenten Paul Kagame, die nach dem Völkermord 1994 die Täter verjagt und in Ruanda die Macht übernommen hatte. In Ruanda ist er unter seinem Akronym „KK“ bekannt und berüchtigt. Als Direktor des gut ausgerüsteten Geheimdienstes NISS gilt er als ein Topspion in Afrika, mit guten Beziehungen in die USA, Großbritannien und Israel.
Jüngst bemühte er sich aufzuklären, wie es dazu kam, dass der britische Sender BBC den Dokumentarfilm „Ruandas unerzählte Geschichte“ ausstrahlen konnte, der Thesen der Völkermordideologen übernahm und Regierungsmitglieder Ruandas beschuldigte, brutale Verbrechen zu begehen. Darin war der General beschuldigt worden, Todesschwadrone loszuschicken, um Regimekritiker weltweit zu ermorden. Ruandas Regierung reagierte harsch und entzog BBC in Ruanda sogar die Sendelizenz. Seitdem kriselt es zwischen den einstigen Partnerländern.