Kriegsgefahr am Horn von Afrika: Streit um Somaliland
Die Regionalmacht Äthiopien erschließt sich Zugang zum Meer – über einen historischen Deal mit Somaliland. Das Nachbarland Somalia ist erzürnt.
Somaliland existiert als eigener Staat seit 1991, als Rebellen in Somalias Hauptstadt Mogadischu Militärdiktator Siad Barre stürzten und im Norden des Landes die „Republik Somaliland“ ausriefen, später durch ein Referendum bestätigt.
Sie stellten damit das unabhängige Somaliland wieder her, das am 25. Juni 1960 entstanden war, als Großbritannien sein Somaliland-Protektorat gegenüber des Jemens in die Unabhängigkeit entließ. Als am 1. Juli 1960 auch das italienische Mandatsgebiet Somalia unabhängig wurde, vereinigten sich die beiden Staaten zur Republik Somalia.
Inzwischen ist Somaliland länger wieder ein eigener Staat, als es je Teil Somalias war. Es ist politisch vergleichsweise stabil, während Somalia Bürgerkriegsland geblieben ist. Da die Afrikanische Union (AU) es aber nicht anerkennt, tut das auch sonst kein Land der Welt – mit Ausnahme Taiwans, das sich in einer ähnlichen Situation befindet. Faktisch pflegen internationale Organisationen jedoch längst eigene Beziehungen zu Somalilands Regierung.
Im Jahr 2016 verpachtete Somliland den Hafen Berbera, einen der größten natürlichen Häfen Afrikas, an den mehrheitlich staatlichen Hafenlogistiker DP World aus Dubai, um den Hafen an der immer wichtigeren Handelsroute von Asien nach Europa auszubauen. Äthiopien stieg mit 19 Prozent ein. Nun legt Somaliland nach, indem Äthiopien seinen Anteil in Berbera auf 30 Prozent aufstockt – und zusätzlich eine Militärpräsenz erhält.
„Zum beiderseitigen Vorteil“
Der Wortlaut des Memorandums zwischen Äthiopien und Somaliland ist unveröffentlicht, aber die äthiopische Zeitung Addis Standard zitiert Somalilands Präsident Muse Bihi Abdi: „Mit immensem Stolz verkünde ich heute das Abkommen zum beiderseitigen Vorteil zwischen Somaliland und Äthiopien. Im Gegenzug zu 20 Kilometer Meereszugang für die äthiopischen Marinestreitkräfte, für die Dauer von 50 Jahren verpachtet, wird Äthiopien die Republik Somaliland förmlich anerkennen.“
Äthiopiens nationaler Sicherheitsberater Redwan Hussein ergänzte, Somaliland erhalte einen Anteil an Ethiopian Airlines, der größten Fluglinie Afrikas.
Beobachter werten die Vereinbarung als Dammbruch: Nun könnten auch andere afrikanische Länder Somaliland anerkennen. Äthiopien verfolgt aber vor allem eigene Interessen. Seit Eritrea 1993 unabhängig wurde, hat Äthiopien keinen Meereszugang mehr; ein Großteil seines Handels läuft über den Küstenstaat Dschibuti. Eritrea verweigert sich beharrlich äthiopischen Ansinnen, wieder Fuß an der Küste zu fassen.
Nun hat Äthiopien stattdessen Somaliland gewonnen. Das hängt auch mit dem neuen Nahostkrieg zusammen, in dem Jemens Huthi-Rebellen das Rote Meer und die Meerenge bei Dschibuti unsicher machen. Seit einigen Monaten leitet Äthiopien Frachtverkehr aus Dschibuti nach Berbera um, von wo aus Schiffe gefahrloser Richtung Asien aufbrechen können. Handelsstatistiken zufolge hat sich das Exportfrachtvolumen aus Berbera seit Oktober mehr als vervierfacht, während es in Dschibuti zwar immer noch höher ist, aber nur noch ein Viertel des Vorkriegsniveaus beträgt.
Somalia hat wenig Möglichkeiten
Militärisch kann Somalia dem Somaliland-Deal wenig entgegensetzen. Die Regierung ist gegen islamistische Rebellen auf afrikanische Eingreiftruppen angewiesen, unter anderem aus Äthiopien.
Schwerer wiegt, dass der UN-Sicherheitsrat am 1. Dezember 2023 das 1992 verhängte Waffenembargo gegen Somalia aufhob, womit die Regierung freie Hand bei der Aufrüstung erhält. Ihr engster militärischer Partner ist die Türkei, die bei Mogadischu ihre größte ausländische Militärbasis unterhält und Somalias Spezialkräfte ausbildet.
Nun erwägt Berichten zufolge auch Ägypten, Militärausbildung in Somalia anzubieten. Mit Ägypten in Mogadischu und Äthiopien in Berbera würden zwei Großmächte, die im Streit um die Nutzung des Nils miteinander auf Kriegsfuß stehen, in Somalia und Somaliland aufeinanderprallen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos