Kriegerdenkmal in Völlen: Der SS-Scherge aus Ostfriesland
Ein Kriegerdenkmal in der Provinz entpuppt sich als Problem. Dort wird ein SS-Massenmörder als Held gefeiert.
Nun bestehen ohnehin schon berechtigte Zweifel daran, warum die für die Nazis kämpfenden und verstorbenen Soldaten „Helden“ gewesen sein sollen. Ein Held, so die landläufige Auffassung, hat eine positive Leistung erbracht – aber welche sollte das gewesen sein? Waren die Wehrmacht-Soldaten nicht in Wahrheit Handlanger militärischer Überfälle, völkisch-national begründeter Expansionsgelüste, der Unterdrückung ganzer Nationen und nicht zuletzt des Massenmords? Aber an diesem Widerspruch stört sich die Öffentlichkeit in der Regel nicht. Man hat sich an solche Denkmäler gewöhnt.
Nun beinhalten die Liste der „Helden“ auf dem Denkmal von Völlen aber einen ganz besonderen Namen. Es ist der von Johann Niemann, des stellvertretenden Kommandanten des Vernichtungslagers Sobibor, in dem etwa 180.000 Juden ermordet wurden. Davor war er KZ-Wachmann und am Mord Behinderter beteiligt. Niemann ist nicht gefallen, sondern wurde beim Aufstand der jüdischen Häftlinge von Sobibor am 14. Oktober 1943 mit Axthieben getötet.
Günther Eden, Vorsitzender des Bürgervereins Völlen, der für die Instandhaltung des Bauwerks zuständig ist, will erst kürzlich erfahren haben, dass Niemann am Holocaust beteiligt war. Allerdings ist die Rolle des SS-Untersturmführers spätestens seit dem Sobibor-Prozess in Hagen bekannt. Und der endete vor 55 Jahren.
Wovor mahnen?
Nach Protesten des Zentralrats der Juden in Deutschland will Eden das Denkmal nun renovieren. Eine Infotafel soll über die Verbrechen Niemanns informieren. Statt „Unseren Gefallenen Helden“ ist daran gedacht, dass dort künftig „Die Toten mahnen“ geschrieben steht.
Aber wovor bitte soll Johann Niemann mahnen? Etwa davor, dass man in Vernichtungslagern nicht vorsichtig genug agieren kann, um sich vor der eigenen Tötung durch die Häftlinge zu schützen? Davor, dass eine Karriere bei der SS vielleicht doch nicht erstrebenswert ist?
Johann Niemann war ein Massenmörder. Sein Name gehört getilgt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass