Kriegerdenkmal in Biesdorf: Von rechts vereinnahmt

Für einen AfD-Antrag, das Denkmal originalgetreu zu sanieren, stimmten im Bezirksparlament von Marzahn-Hellersdorf auch CDU und SPD.

Ein Kriegerdenkmal für deutsche Opfer des Ersten Weltkrieges auf dem Dorfanger in Biesdorf

Das Kriegerdenkmal auf dem Dorfanger in Biesdorf an der Straße Alt-Biesdorf Foto: Christian Mang

BERLIN taz | Ein Schmuckstück ist das Denkmal auf dem Dorfanger in Biesdorf im Bezirk Marzahn-Hellersdorf nicht. Es wurde 1922 errichtet und sollte die 86 gefallenen Soldaten aus Biesdorf ehren, die im Ersten Weltkrieg ihr Leben ließen. Für Volk und Vaterland, wie es damals hieß.

Der sozialdemokratisch regierte Bezirk Lichtenberg von Groß-Berlin, dem das ehemalige Dorf Biesdorf 1920 zugeschlagen wurde, hatte die Errichtung von Kriegerdenkmälern seinerzeit auf öffentlichem Grund abgelehnt, weil es häufig deutschnationale Kriegervereine waren, von denen die Initiative dazu ausging. Die Evangelische Kirchgemeinde sprang in die Bresche. Sie erlaubte das Denkmal auf Kirchengrund. Fast 100 Jahre später müssen sich ihre Nachfolger mit dem Denkmal herumschlagen.

Der Obelisk unterscheidet sich wenig von denen, die in den 1920er Jahren in großer Zahl überall in Deutschland für die toten Soldaten aus dem jeweiligen Ort errichtet wurden. In Berlin gibt es solche Denkmäler am Stadtrand, überwiegend in Ortsteilen, die bis zur Schaffung von Groß-Berlin 1920 noch eigene Dörfer waren und sich auch danach ihren dörflichen Charakter bewahrten. 14 solcher Steine stehen unter Denkmalschutz, etwa in den Ortsteilen Niederschönhausen, Dahlem und Baumschulenweg.

Die Jahrzehnte hinterließen Spuren an dem Biesdorfer Denkmal. Die Inschriften und das Eiserne Kreuz sind verblasst. Eine eiserne Kette, die das Denkmal umrundete, und ein preußischer Adler, der ganz oben auf dem Denkmal eine Weltkugel in ihren Krallen hielt, kamen in den 1970er Jahren abhanden.

Am Volkstrauertag ein Wallfahrtsort

Nach der Jahrtausendwende hatten rechte Kräfte begonnen, das Kriegsdenkmal für sich zu vereinnahmen. Zum Volkstrauertag und Totensonntag wurde es ihr Wallfahrtsort. Davon zeugen Trauergebinde, die dort abgelegt wurden. „Sie opferten Jugendglück und Zukunft. Für uns“ stand beispielsweise 2015 auf einem Gebinde, das die Kirchengemeinde entfernen ließ.

In den letzten Jahren gedachte eine Denkmalinitiative gemeinsam mit der AfD am Volkstrauertag laut einem Redebeitrag der gefallenen Soldaten beider Weltkriege“, denen „das Volk und somit auch wir“ ein ehrendes Gedenken schuldig seien.

Seit 2012 bemüht sich die fragwürdige Denkmalinitiative um eine originalgerechte Instandsetzung des Denkmals. „Die Schrift soll nach ihrem Willen vergoldet werden. Der Adler, der mit seinen Schwingen den Weltherrschaftsanspruch verkörpert, soll vergoldet auf eine ebenfalls vergoldete Weltkugel gesetzt werden, die er umkrallt“, sagt Gemeindepfarrer Justus Schwer der taz. „Die Leute, die zum Teil aus unserer Kirchengemeinde kommen, aber auch von außerhalb, wollen einen Heldengedenkort. Doch den wird es mit unserer Gemeinde nicht geben. Wir haben eine andere Vorstellung von Weltherrschaft.“ Der Gemeindekirchenrat hat das Ansinnen bereits 2012 abgelehnt und stehe unverändert zu seinem Beschluss, so der Pfarrer.

Doch die AfD brachte letztes Jahr einen entsprechenden Antrag in die Bezirksverordnetenversammlung Marzahn-Hellersdorf ein. CDU und SPD haben ihm dort zu einer Mehrheit geholfen, wenn auch mit redaktionellen Änderungen. Laut Beschluss soll das Bezirksamt sich dafür einsetzen, dass der Stein in die Landesdenkmalliste Berlins aufgenommen und originalgetreu rekonstruiert wird.

„Nach Thüringen überfällig“

Es dürfte einer der wenigen AfD-Anträge sein, die in einem Berliner Bezirksparlament je angenommen wurde. Für den aus Marzahn-Hellersdorf stammenden grünen Abgeordneten Stefan Ziller ist es „nach Thüringen überfällig, dass sich Demokraten einigen, Anträge der AfD grundsätzlich nicht mitzustimmen, geschweige denn, ihnen mit kleinen Änderungen zu einer Mehrheit zu verhelfen“.

Die bezirkliche SPD-Fraktionschefin Jennifer Hübner macht allerdings den Eindruck, mit dem Abstimmungsverhalten überfordert gewesen zu sein. „Wir haben nicht dem AfD-Antrag zur Mehrheit verholfen, sondern einer Neuformulierung durch die CDU. Als SPD würden wir niemals der AfD Türen öffnen. Aber wir haben mal versucht, uns um einen stärker konsensualen Dialog im Bezirks­parlament zu bemühen.“ Kriegerdenkmäler seien ihr als Pazifistin kein Anliegen, fügt Hübner hinzu.

Kulturstadträtin Juliane Witt (Linke), die den Beschluss umsetzen musste, berichtete diesen Monat, dass eine Realisierung nicht möglich sei. Der gesamte Dorfanger und somit auch das Kriegerdenkmal stünden bereits seit DDR-Zeiten auf der Denkmalliste. Dem widerspricht Daniel Bartsch, Sprecher von Kultursenator Klaus Lederer (Linke): „Dort wird der Biesdorfer Anger ausführlich gewürdigt. Das Kriegerdenkmal findet keine Erwähnung.“

Aller Opfer gedenken

Witt führt weiter aus, Geld für die Sanierung sei nicht vorhanden. Die zuständige Kirchen­gemeinde hätte keines beantragt und hätte das auch nicht vor.

Pfarrer Justus Schwer, dem die Stadträtin den Ball zugespielt hat, merkt man an, dass er mit dem Denkmal nicht glücklich ist. Elf Monate im Jahr würde die Gemeinde es kaum bemerken. Aber zum Volkstrauertag und Totensonntag gäbe es das Heldengedenken „und wir als Gemeinde müssen hinterher die verwelkten Blumen entsorgen“.

Die Gemeinde hätte den Stein vor Jahren so weit saniert, dass die Standfestigkeit gegeben ist. „Ich würde mich aber über ein Schülerprojekt freuen, neben das Denkmal ein anderes für die anderen Opfer des Ersten Weltkrieges zu stellen“, sagt Schwer der taz. „Für Russen, Franzosen, Polen und Engländer.“ Dann, aber nur dann könne er auch mit einer vergoldeten Schrift leben. Mit dem Adler mit den ausgestreckten Schwingen aber nicht. Sollte der Bezirk darauf bestehen, so der Pfarrer, dann „sollen sie das Denkmal woanders aufstellen, dann sind wir es los“.

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