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Krieg in der UkraineBei der EU fallen die Tabus

Waffenlieferungen an die Ukraine, harte Sanktionen und Einschränkung von russischen Staatsmedien – nach der Invasion ist bei der EU vieles möglich.

Kiew am 28.02.2022: Neue Waffen für die Landesverteidigung Foto: Gleb Garanich/reuters

Brüssel taz | In Berlin spricht man von einer Zeitenwende, in Brüssel von historischen Stunden: Im russischen Krieg mit der Ukraine hat sich die EU neu aufgestellt. Die ehemalige Friedensunion schickt Kampfjets ins Kriegsgebiet, sperrt die „Propagandasender“ RT und Sputnik und nimmt ukrainische Flüchtlinge mit offenen Armen auf.

Sogar ein EU-Beitritt der Ukraine ist im Gespräch. „Wir wenden uns an die EU zur unverzüglichen Aufnahme der Ukraine nach einer neuen speziellen Prozedur“, sagte Präsident Wolodimir Selenski. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich offen dafür. „Im Laufe der Zeit gehören sie tatsächlich zu uns. Sie sind einer von uns, und wir wollen sie drin haben“, sagte sie. Ein Beitrittsversprechen ist dies zwar noch nicht, die Ukraine ist kein offizieller EU-Kandidat.

Ukraine bekommt, was sie braucht

Selenski will nicht lockerlassen. „Ich bin überzeugt, dass wir das verdient haben.“ In Brüssel würde derzeit niemand widersprechen. Seit Kriegsbeginn wird Selenski wie ein Freund in Not behandelt. Die Ukraine bekommt alles, was sie braucht. „Wir erleben einen Paradigmenwechsel“, sagte von der Leyens Chefsprecher Eric Mamer. „Europa verteidigt die Ukraine, wir stehen an ihrer Seite“, beteuerte er auf Englisch und Ukrainisch.

„Man sollte nicht zu oft von historischen Entscheidungen sprechen“, meint der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. „Aber wir haben auf eine Art und Weise reagiert, die sowohl die Europäer als auch die Russen überrascht hat.“

Spektakulär ist auch die Wende in der Verteidigungspolitik. Noch beim Krisengipfel am Donnerstag sperrten sich Deutschland und andere EU-Länder gegen Waffen für die Ukraine. Nach der Kehrtwende in Berlin sind in Brüssel alle Tabus gefallen. Am Sonntag beschlossen die EU-Außenminister, darunter die deutsche Ressortchefin Annalena Baerbock, die Lieferung von Kriegswaffen.

Ausgerechnet aus der neuen „Friedensfazilität“ sollen bis zu 450 Millionen Euro für „letale“ Waffen und weitere 50 Millionen Euro für anderes Kriegsgerät bereitgestellt werden. Die Verteidigungsminister stimmten zu. Die Friedensfazilität war 2020 unter deutschem EU-Vorsitz geschaffen worden, um Friedensmissionen etwa in Afrika auszurüsten. Nun sollen aus dem bis zu 5,7 Milliarden Euro schweren Topf Kampfjets beschafft werden.

Das wird Russland ruinieren

Außenministerin Annalena Baerbock

„Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass wir so etwas tun“, so Borrell. Das Kriegsmaterial soll über Polen in die Ukraine geschafft werden. Russland sprach von einer Provokation. Die Waffenlieferungen seien gefährlich und destabilisierend, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow in Moskau. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) widersprach: „Die EU ist ein Friedensprojekt.“ Die Waffenlieferung sei Ausdruck der „europäischen Souveränität“.

Frappierend ist auch die neue Sanktionspolitik. Beim EU-Gipfel hatte sich die Bundesregierung gegen zu harte Strafen für den russischen Finanzsektor ausgesprochen. Nun wurde ein Maßnahmenpaket verabschiedet, das nach Einschätzung des britischen Finanzexperten Adam Tooze einem „vollumfänglichen Finanzkrieg“ gleichkommt. „Das wird Russland ruinieren“, sagte Außenministerin Baerbock.

Plötzlich kann die EU nicht nur Verteidigung, sie übt sich auch in Vergeltung. Erstmals wagt sie sich auf das Gebiet der Medienpolitik vor – mit einer umstrittenen Zensurmaßnahme gegen die russischen Staatssender RT und Sputnik. Allerdings ist die EU für die Zulassung dieser Sender gar nicht zuständig. Deshalb ist unklar, ob und wie sie gesperrt werden können. Man sei im Gespräch mit Online-Plattformen wie YouTube.

Und die EU sperrte den Luftraum für russische Flugzeuge. Moskau sperrte im Gegenzug den Überflug für 36 Länder, darunter Deutschland. Alle „restriktiven Maßnahmen“ wurden einstimmig beschlossen. Selten sei die EU so einig gewesen. Die russische Aggression schweiße die Europäer zusammen. Nur in einem Bereich fehlt das EU-Engagement: bei den Friedensbemühungen. Zwar gab es am Montag erste Gespräche zwischen Russland und der Ukraine. Die EU war nicht vertreten; sie würdigte die Verhandlungen mit keinem Wort.

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8 Kommentare

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  • Reißerische, nicht zutreffende Überschrift. Auch, wenn der Autor vergleichweise jung ist, könnte er wissen, dass es einen ähnlich gelagerten, verlogenen völlig Unschuldige tötenden Krieg nach dem zweiten Weltkrieg so noch nicht gegeben hat. Bush junior ist gegen den Massenmörder Hussein mit erlogenen Argumenten in den Krieg gezogen. Aber Selensky ist kein Massenmörder mit einem mörderischen Regime, das davor ein unabhängiges Land (Kuweit) überfallen hatte. Und von Afghanistan ging Al Kaida aus, mit über 3000 Toten in den USA. Besondere Herausforderungen erfordern besondere Maßnahmen. Wenn Sie auf offener Straße brutal angegriffen werden, dann versuchen Sie, sich zu wehren und rufen um Hilfe. Das kann durchaus den Tod des Angreifers bedeuten und ist für die Juristen dann ein erheliches juristischen Problem, u.A. auch deshalb, weil die Juristen häufig komplett weltfremd sind wie die Überschrift auch. Die Schweiz ist offiziell neutral, in Wirklichkeit gar nicht, weil sie Unsummen Geldes verwaltet und: Geld regiert die Welt.

  • In der EU sind neutrale Staaten wie Schweden, Irland, Österreich und Finnland: Haben die tatsächlich der Militärhilfe auch zugestimmt?

    • 4G
      47491 (Profil gelöscht)
      @denkmalmeckermalmensch:

      Friedensbemühungen… was für ein Wort, wenn das Gegenüber nichts weiter will als seine Macht auszuleben.

      Was soll die EU da verhandeln? Die russische Regierung sagt, die Ukraine soll die Waffen niederlegen, weil das die Region destabilisiert.

      Kann mir bitte jemand erklären, wie man mit Putin verhandeln soll, der einen Krieg führt, um sein Land zu vergrößern?

      Das ist gerade so, als steht ein Fünfjähriger einem Schläger gegenüber, der sein Taschengeld will und dann soll das Kind sagen: „Du musst mir nicht drohen. Wenn du nett fragst, gebe ich dir 1 oder 2€.“



      Häh?!

    • @denkmalmeckermalmensch:

      Ja, Schweden z.B. wird auch selbst direkt Waffen an die Ukraine liefern.

      "Schweden gibt seinen bisherigen Grundsatz auf, keine Waffen in eine Konfliktregion zu liefern: Die schwedische Regierung kündigte an, sie werde unter anderem 5000 Panzerabwehr-Waffen, 5000 Helme und 5000 Schutzwesten an die Ukraine liefern.

      Diese Entscheidung sei eine "Ausnahme" und beispiellos seit 1939, sagte Regierungschefin Magdalena Andersson in Stockholm. Damals hatte Schweden Finnland nach dem sowjetischen Einmarsch unterstützt."

      www.tagesschau.de/...fen-an-die-Ukraine

    • 4G
      47491 (Profil gelöscht)
      @denkmalmeckermalmensch:

      Tja, Neutralität endet dort, wo man einem Feind gegenübersteht, der nur sein Land vergrössern will.

      Deshalb hat die Schweiz ebenfalls Sanktionen verhängt und Finnland seine Truppen vergrößert.

      Wie heißt es so schön?



      Es kann der friedlichste Staat nicht neutral bleiben, wenn der machtgeile Nachbar es nicht will.

      Denn nach einem Einmarsch ist von Neutralität auch nichts mehr übrig.

    • @denkmalmeckermalmensch:

      Offensichtlich, ja

    • @denkmalmeckermalmensch:

      Ja, insbesondere da Finnland und meine Heimat Schweden auch konkret von Russland edroht werden.

    • @denkmalmeckermalmensch:

      In Anbetracht der Tatsache, dass Schweden schon seit Tagen direkt Waffen an die Ukraine liefert - das ist schwer zu vermuten..