Krieg in der Ukraine: Russland marschiert ein
Seit dem frühen Donnerstagmorgen greifen russische Truppen auf breiter Front an. Die Ukraine leistet heftigen Widerstand und bittet die Welt um Hilfe.
![Militärhubschrauber in weiter Ferne auf einer verschwommene Aufnahme Militärhubschrauber in weiter Ferne auf einer verschwommene Aufnahme](https://taz.de/picture/5414778/14/29583579-1.jpeg)
Russland hat am Donnerstag im Morgengrauen auf breiter Front seinen lang angekündigten Angriff auf die Ukraine begonnen. Die ersten Explosionen meldeten Bewohner von Kiew kurz nach 5 Uhr früh, es folgten weitere Angriffe mit Raketen und Artillerie. Ziele waren Luftwaffenbasen und militärische Einrichtungen im ganzen Land. Auch Wohnhäuser und Zivilisten wurden getroffen, etwa in der Millionenstadt Charkiw. Videos aus verschiedenen Orten in sozialen Netzwerken zeigten am Morgen unter anderem brennende Wohnblocks, ein totes Kind auf einer Straße und einen vor laufender Kamera von einem Granateneinschlag zerfetzten Radfahrer.
Noch am Vormittag überquerten russische Truppen an mehreren Orten die Grenze und drangen in die Ukraine ein. Drei Hauptangriffsrouten waren zu erkennen: aus der russisch besetzten Krim in Richtung des Dniepr-Flusses, was offensichtlich relativ schnell ging; aus Russland in Richtung der grenznahen Stadt Charkiw, wo russische Einheiten sehr schnell Außenbezirke der Stadt erreichten, aber in verlustreiche Kämpfe verwickelt wurden; und aus Belarus in Richtung der 90 Kilometer entfernten ukrainischen Hauptstadt Kiew.
Den Vorstoß auf Kiew unternahmen russische Truppen aus Belarus unter anderem in der Sperrzone um das havarierte Atomkraftwerk Tschernobyl, das sie nach ukrainischen Angaben unter Kontrolle zu bringen versuchen, mit unabsehbaren Konsequenzen. Ihr Ziel war zunächst der wichtige Luftwaffenstützpunkt Hostomel 30 Kilometer westlich von Kiew. Seine Kontrolle würde Russland Luftlandungen für einen direkten Angriff auf Kiew ermöglichen. Im Verlauf der Kämpfe wurden mehrere russische Hubschrauber abgeschossen; die Aufnahmen wurden breit auf sozialen Medien geteilt. Am Abend landeten Berichten zufolge erste russische Fallschirmjäger auf Hostomel; die ukrainische Armee begann prompt eine Offensive, um sie einzukesseln.
Eine deutliche russische Übermacht zeigte sich im Süden der Ukraine, wo die aus der Krim eingerückten russischen Kräfte bis zum Mittag offenbar problemlos 60 Kilometer bis zum Dniepr vorrückten und begannen, ihn zu überqueren. Auch in nordostukrainischen Grenzgebieten rückten russische Soldaten auf ukrainisches Gebiet vor. An der „Kontaktlinie“ zu den russisch besetzten Separatistengebieten im ostukrainischen Donbass wurde heftig gekämpft. Doch Russland stößt keineswegs überall widerstandslos vor. Die Offensive bei Charkiw kam ins Stocken. Meldungen über erfolgreiche russische Angriffe auf die Hafenstädte Mariupol und Odessa wurden nicht bestätigt.
74 ukrainischen Militäreinrichtungen laut Moskau zerstört
Bereits nach wenigen Stunden zählten ukrainische Quellen landesweit sieben abgeschossene russische Kampfflugzeuge, dazu eine stündlich wachsende Zahl abgeschossener Kampfhubschrauber, zahlreiche zerstörte Panzerfahrzeuge und eine ungenannte Zahl von Kriegsgefangenen, nach Fotos zu urteilen zumeist blutjunge Rekruten. Stimmen die Angaben, hat Russland an einem einzigen Tag Krieg in der Ukraine mehr Rüstungsmaterial verloren als in sieben Jahren Kampfeinsatz in Syrien.
Das russische Militär hat nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau 74 ukrainische Militäreinrichtungen zerstört, darunter 11 Luftwaffenstützpunkte. Das Ministerium bestätigte den Verlust lediglich eines Kampfflugzeugs.
„Dies ist nicht wie die USA im Irak 1991 oder 2003“, bilanzierte am Mittag auf Twitter ein Journalist der britischen Militärfachzeitschrift UK Defence Journal die ersten Stunden der russischen Offensive. „Russland setzt einige Marschflugkörper und präzisionsgelenkte Munition ein, aber unternimmt keine flächendeckenden Angriffe.
Die ukrainische Luftwaffe ist vermutlich kampfunfähig, ihre Flugzeuge am Boden wurden von den frühen Schlägen schwer getroffen und sie haben sowieso nicht viele. Die ukrainische Luftabwehr funktioniert und schießt Flugzeuge ab. Die Russen konnten ihre Offensive nicht in der Nacht starten, wegen begrenzter Nachtsichtkapazität und fehlender Navi-Ausrüstung, sie mussten das Tageslicht abwarten. Die ukrainischen Bodenstreitkräfte werden nicht sofort in Stücke gerissen.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Überraschung bei U18-Wahl
Die Linke ist stärkste Kraft
Ukraine-Verhandlungen in Saudi-Arabien
Wege und Irrwege aus München
Krisentreffen nach Sicherheitskonferenz
Macron sortiert seine Truppen
Absturz der Kryptowährung $LIBRA
Argentiniens Präsident Milei lässt Kryptowährung crashen