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Krieg in SyrienEU will Stopp russischer Luftangriffe

Die EU-Außenminister kritisieren Russlands Luftangriffe in Syrien. Auch Saudi-Arabien warnt Moskau – während das Assad-Regime mit russischer Hilfe vorrückt.

Dem Kreml zufolge sollen Luftangriffe den IS zurückdrängen. Foto: ap/Russian Defence Ministery

Luxemburg/Damaskus dpa | Die Europäische Union fordert von Russland ein sofortiges Ende von Luftschlägen gegen die moderate Opposition in Syrien. „Die jüngsten militärischen Angriffe, die nicht auf den Islamischen Staat (IS) und andere Terrorgruppen zielen (...), geben Anlass zu tiefer Besorgnis und müssen sofort eingestellt werden“, heißt es in einer Erklärung der EU-Außenminister. Das Regime gewann gleichzeitig am Montag im Kampf gegen Rebellen weiteres Gelände.

„Diese militärische Eskalation birgt das Risiko einer Verlängerung des Konflikts“, warnen die EU-Staaten. Zudem behindere sie die politischen Bemühungen zur Lösung des Konflikts. Folge könne eine weitere Zuspitzung der humanitären Krise und eine weitere Radikalisierung von Konfliktparteien sein.

Auch Saudi-Arabien hat Russland vor den Folgen der Luftangriffe in Syrien gewarnt. Die russische Intervention werde „gefährliche Konsequenzen“ haben, hieß es am Montag in Riad. Russland werde in einen „sektiererischen Krieg“ hineingezogen, der weitere extremistische Kräfte anziehen werde.

Dies habe die saudiarabische Führung der russischen Regierung am Sonntag mitgeteilt. Saudi-Arabien fordere Russland daher auf, sich an dem Kampf gegen den Terrorismus zu beteiligen, allerdings im Rahmen der bereits bestehenden internationalen Allianz. Syriens Präsident Baschar al-Assad „sollte gehen“, und Saudi-Arabien werde die gemäßigte Opposition weiter stärken.

Russland hatte vor fast zwei Wochen in Syrien mit Luftangriffen begonnen. Dem Kreml zufolge sollen sie den IS zurückdrängen. Die Mehrheit der Angriffe richtet sich westlichen Regierungen und Aktivsten zufolge jedoch vor allem gegen Kräfte, die mit den Extremisten verfeindet sind. Moskau unterstützt damit eine Offensive des Regimes gegen ein Bündnis moderater und radikaler Rebellen.

Die syrische Armee und ihre Verbündeten – darunter Kämpfer der libanesischen Schiiten-Miliz Hisbollah – konnten nördlich der Stadt Hama vormarschieren. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte drangen sie in den Süden des strategisch wichtigen Ortes Kafr Nabudah ein. Russische Jets hätten mindestens 40 Angriffe geflogen. Bereits am Wochenende hatten Regimekräfte in der Region zwei Orte eingenommen.

Milizen schließen sich zusammen

Russland bekräftigte seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Westen im Syrienkonflikt. „Es geht nicht nur um das Vermeiden unabsichtlicher Zwischenfälle, sondern auch um eine Koordination gemeinsamer Handlungen“, sagte Außenminister Sergej Lawrow. Russland sei vor allem interessiert, von der US-geführten Koalition Informationen über die Stellungen von Terroristen zu erhalten.

Im Kampf gegen den IS schlossen sich unterdessen im Nordosten des Landes mehrere vom Westen unterstützte Milizen zu einem neuen Militärbündnis zusammen. Zu der Allianz Demokratische Kräfte Syriens gehören neben den kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) unter anderem Einheiten der moderaten Freien Syrischen Armee (FSA), wie die Syrische Beobachtungsstelle erklärte.

Das Bündnis wird demnach von der Koalition westlicher und sunnitisch-arabischer Staaten unterstützt, die unter Führung der USA seit mehr als einem Jahr IS-Ziele in Syrien aus der Luft angreift. Ziel sei es, die nordsyrische IS-Hochburg Al-Rakka aus den Händen der Extremisten zu befreien. Das Bündnis ist das Ergebnis einer neuen Syrienpolitik der USA. US-Medien hatten berichtet, Washington wolle im Nordosten Syriens eine Truppe von mehr als 20 000 Kurden und bis zu 5000 Arabern fördern und sie mit Waffen ausrüsten.

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4 Kommentare

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  • Die Erklärung liest sich im Original dann doch etwas diplomatischer. Die Aufforderung an Russland findet sich erst als Punkt 10. Vorher geht es um humanitäre Hilfe und um „volle Unterstützung“ der UN-Initiative von de Mistura entlang des Geneva communique’s von 2012. (Wie das zum Eingreifen der EU-Mitglieder Frankreich und Großbritannien passt, ist nicht erläutert.) http://www.consilium.europa.eu/press-releases-pdf/2015/10/40802203421_en_635802529800000000.pdf

     

    Daß Saudi-Arabien die Niederlagen der von ihm unterstützten sunnitischen Opposition nicht gerne sieht, war erwartbar. Dementsprechen hat es dann auch am Freitag 500 TOW-Panzerabwehrsysteme aus US-Produktion an syrische „Rebellen“ geliefert. Mal sehen bei wem die Dinger dann wieder auftauchen. http://uk.businessinsider.com/syria-rebels-and-tow-missiles-2015-10?r=US&IR=T

     

    Das „neue Militärbündnis“ besteht auf syrischer Seite hauptsächlich aus der kurdischen YPK, die auch mit den Russen zu kooperieren scheint, jedenfalls sind kurdische Vertreter im Koordinationszentrum Russlands, Irans, Syriens und Iraks in Bagdad vertreten.

    Nichtsdestotrotz haben die USA offensichtlich gerade 50 Tonnen Waffen für sie abgeworfen. http://edition.cnn.com/2015/10/12/politics/syria-rebel-groups-ammunition-50-tons/

    • @jhwh:

      Frankreich, führt als Begründung für seine Luftangriffe, an das man wüsste das an jenen Stellen, an denen sie bombardieren, Leute ausgebildet würden um Anschläge in Frankreich zu verüben. Sehr glaubwürdig natürlich, was GB so von sich gibt weiß ich leider nicht.

       

      Auch ich bin überzeugt, dass SA weiter Al Qaeda und Al Nusra und Konsorten finanzieren und versorgen werden, und vielleicht erwischen sie ja diese Woche drei Hochzeiten im Jemen wer weiß?

       

      Vielleicht kommt ja letztendlich Hisbollah an die TOWs? Wäre interessant zu sehen wie dann die nächste Invasion Israels nach Lebanon verliefe.

       

      Das nun China, Russland, Iraq, Syrien und die kurdisch kontrollierten Gebiete kooperieren, hätten sich die USA jedenfalls kaum träumen lassen. Wie es da noch dazu passt, dass 50 Tonnen Waffen geliefert werden, während in der Türkei ein Anschlag dem anderen folgt und die Luftwaffe heiter kurdische Gebiete im Irak bombardiert, während die Nato-Bündnispartner ihre Luftabwehrsysteme aus der Türkei abziehen ist mir bisher noch nicht ganz klar. Wozu sollte man die Türkei in einen weiteren gescheiterten Staat verwandeln wollen?

  • Wie war das noch mal mit der "gemäßigten Opposition" bzw. mit dem " Bündnis moderater und radikaler Rebellen" , auf die die USA und die von ihnen geführte Koalition setzen ? Hatten die USA als erprobte peace maker nicht in den letzten Jahren schon mal eine Gruppe von den "Moderaten" ausgebildet und mit Waffen versorgt ? Kosten : 500 Millionen Dollar ? Übrig geblieben davon 6 , in Worten : sechs "Kämpfer" ?

    Ist es nur ein Zufall und/oder nur eine Nachlässigkeit der Mainstream Medien , dass man nichts darüber erfährt , wer diese "moderaten" und "radikalen" Rebellen sind , was sie antreibt , wohin sie am Ende wollen , ob mit ihnen ein neues , befriedetes Syrien zu schaffen wäre ? Oder will die USA-EU-Koaltion hier nur davon ablenken , dass sie weder einen schlüssigen realitätstauglichen Plan noch eine darauf bezogene Strategie hat ? Im Unterschied vielleicht zu Russland aktuell ?

  • Warum verurteilen die EU Russland und nicht die Türkei? Diese bombardieren auch nicht den IS sondern seine Gegner. Zudem dürften die meisten Angriffsziele der Russen auch nach bisherigem Sprachgebrauch der EU Terroristen gewesen sein - wie z.B. die Nusra-Front.

    Dass Putin genauso wenig wie Saudi-Arabien, die Türkei oder Assad humanitäre Ziele verfolgt, liegt auf der Hand. Deshalb sollten alle Parteien endlich verhandeln. Nur eine der Kriegsparteien zu verurteilen, verlängert dagegen den Krieg und sollte von pazifistischen Medien boykottiert werden.