Krieg in Sudan: Zivile Hilfe zwischen den Fronten
Der Krieg richtet Furchtbares an. Doch Graswurzelorganisationen in Khartum versorgen die Bevölkerung inmitten der Gefechte.
Eine riesige, dunkle Rauchwolke verdeckt den Himmel über Khartum. Woher sie kommt, das ist mittlerweile nicht mehr so einfach nachzuvollziehen. Gebäude brennen, es wird noch immer geschossen, noch immer Wohngebiete bombardiert. Es ist der fünfte Tag seit Beginn des Krieges, der diese Stadt und viele weitere heimsucht.
Seit dem Ausbruch der Gewalt zwischen Militär und Paramilizen am Samstag hat sich die Lage in der Hauptstadt drastisch verschlechtert. Seit mehr als drei Tagen gibt es in der Innenstadt keinen Strom und kein Wasser – und das bei 40 Grad Außentemperatur. Der heilige Monat Ramadan, der eigentlich eine heilende und besinnliche Zeit ist, ist für die Menschen zur Hölle geworden.
Die Not zwingt sie trotz der andauernden Gefechte auf die Straße. Ein zuvor vereinbarter 24-stündiger Waffenstillstand wurde von keiner Seite eingehalten. Doch die Menschen müssen sich und ihre Familien mit Wasser und Lebensmitteln versorgen. „Wir brauchen Hilfe. Die Supermärkte sind fast leer, es gibt kein Wasser mehr“, berichtet ein Einwohner aus Ost-Khartum der taz. Humanitäre Hilfe ist dringend notwendig.
Nicht nur auf der Straße sind die Menschen großer Gefahr ausgesetzt. Mitglieder der Paramiliz Rapid Support Forces (RSF) brechen Berichten zufolge in Häuser und Wohnungen in der Innenstadt ein. Die Wohnungen werden geplündert, Autos und Nahrungsmittel gestohlen, Bewohner:innen angegriffen oder aus ihren Häusern gejagt. Auch Gerüchte von Vergewaltigungen kursieren.
Die gefährliche Flucht in umliegende Dörfer
Dabei wird es zunehmend schwieriger, gesicherte Informationen über das Geschehen zu erhalten. Durch den tagelangen Stromausfall haben viele keine Möglichkeit mehr, zu kommunizieren. Viele Menschen gelten mittlerweile als vermisst. Die sozialen Medien sind voll mit Gesuchen nach verschwundenen Familienmitgliedern und Freund:innen. Die Verzweiflung wächst.Das drängt viele Bewohner:innen zur gefährlichen Flucht aus Karthum. Wer ein noch funktionierendes Auto hat, nimmt es. Auch Busse werden organisiert.
Doch wer flieht, muss damit rechnen, in einem Gefecht zu landen oder von Soldaten der Konfliktparteien auf der Straße angehalten zu werden. Viele machen sich auf den Weg in umliegende Dörfer, insbesondere im angrenzenden Bundesstaat al-Dschazira. In der Stadt Wad Madani, wo es bisher noch nicht zu Kämpfen kam, bereitet man sich auf die Aufnahme Geflüchteter vor, erklärt ein Bewohner. Menschen öffnen ihre Häuser, organisieren Unterkünfte.
Auch in der Hauptstadt leisten sich die Menschen gegenseitig Hilfe. „Sie bombardieren ein wenig wahllos hier“, sagt eine Einwohnerin der taz, „deshalb haben die Läden heute geschlossen. Aber es ist eine tolle Gemeinschaft, Leute versammeln sich unten auf dem Platz und verteilen Wasser.“ Wenn für kurze Zeit die Notfallgeneratoren eingeschaltet werden, laden die Menschen dort gemeinsam ihre technischen Geräte. Doch nur wenige Gebäude verfügen über einen Generator und auch der Diesel wird knapp. Wie lange der Zusammenhalt noch möglich ist, ist fraglich.
Die Widerstandskomitees, lokale Graswurzelorganisationen, unterstützen ihre Nachbarschaften in der Verteilung von Wasser und Lebensmitteln, wo diese noch verfügbar sind. Zudem greifen sie auf in der Revolution etablierte Kommunikationsmittel zurück: Graffiti und Gesänge. Sie sprühen auf die Mauern der Stadt: „Nein zum Krieg“.
Die Komitees haben viel Erfahrung in der Selbstorganisation und Logistik. Gemeinsam mit der sudanesischen Ärztevereinigung hatten sie während der Revolution ein ausgeklügeltes Netzwerk errichtet, das in Krisensituationen medizinische Versorgung garantiert. Doch nach fünf Tagen des erbitterten Kampfes fehlt es ihnen an notwendigen Betriebsmitteln.
Zudem seien auch Krankenhäuser von Soldaten angegriffen worden, berichtet die Vereinigung. In einem Interview mit CNN berichtet eine Fachkraft darüber, wie ihr Krankenhaus aufgrund einer Bombardierung evakuiert werden musste. Sie seien gezwungen gewesen, Verwundete zurückzulassen, vor allem Patient:innen der Intensivstation. Das geschah bei mehreren Krankenhäusern. Wie viele Menschen tatsächlich bisher ihr Leben verloren haben, ist unter diesen Umständen nicht festzustellen.
Die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Kämpfe ist weitgehend erloschen. Man konzentriert sich nun darauf, sich gegenseitig über die schnellen Entwicklungen zu informieren und lebensnotwendige Bedürfnisse zu stillen. Und darum, nicht der zersetzenden Panik stattzugeben. Diese Aufgabe gestaltet sich stündlich schwieriger.
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