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Krieg in LibyenWaffenruhe tritt in Kraft

Dank deutsch-russischer Bemühungen schweigen die Waffen in Libyen. Der Weg für die Friedenskonferenz in Berlin ist frei – wenn die Ruhe hält.

Hält die Wafffenruhe in Libyen? Viele im Land sind skeptisch Foto: dpa

Nach neun Monaten Krieg schweigen seit Sonntagfrüh in Libyen die Waffen zwischen der international anerkannten Regierung in der Hauptstadt Tripolis und der aufständischen „Libyschen Nationalarmee“ (LNA) des Generals Chalifa Haftar im Osten des Landes. An der 80 Kilometer langen Frontlinie im Süden von Tripolis herrschte gespannte Ruhe, da viele Einheiten erst kurz vor dem Inkrafttreten von der Feuerpause erfuhren. In den Stadtteilen Ain Sara und Abuslim waren am Tag vereinzelt Schusswechsel zu hören.

Haftars Truppen kontrollieren den Großteil Libyens und versuchen seit April, die Hauptstadt einzunehmen. Sie werden unter anderen von Ägypten und Russland unterstützt. Die Regierung von Ministerpräsident Fajes Serradsch in Tripolis wird von der Türkei unterstützt. Am vergangenen Mittwoch hatten der türkische Präsident Erdoğan und der russische Präsident Putin das Ende der Kämpfe ab Sonntag gefordert.

Die LNA hatte zunächst jedoch einen Waffenstillstand mit den „terroristischen Milizen in Tripolis“ kategorisch abgelehnt. Haftar hatte zuvor zum „heiligen Krieg“ gegen die „türkischen Invasoren“ gerufen und die wichtige Hafenstadt Sirte erobert. Viele Bewohner im Süden von Tripolis saßen seitdem aus Angst vor einem Großangriff auf gepackten Koffern.

Den Durchbruch brachte eine russisch-deutsche diplomatische Offensive. Nach einem Treffen mit Angela Merkel am Samstag in Moskau übte Wladimir Putin auf Haftar Druck aus.

Unter den Libyern herrscht Skepsis

Auf den über soziale Medien verbreiteten schriftlichen Befehl Haftars, den Sturm auf die Hauptstadt vorerst abzublasen, reagierten viele Bewohner mit einer Mischung aus Freude und Zweifel. In den letzten Tagen hatten beide Kriegsparteien auch in Wohngebieten mit schwerem Artillerie- und Raketenbeschuss begonnen. LNA-Sprecher Ahmed Mismari warnte am Sonntag, man werde jede Verletzung durch die Gegenseite militärisch beantworten.

Der Weg ist nun scheinbar frei für die seit langem von Deutschland geplante internationale Libyen-Konferenz in Berlin. Das Auswärtige Amt bemüht sich zusammen mit dem Kanzleramt seit dem Sommer darum. Auf ihrer gemeinsamen Pressekonferenz mit Putin sagte Merkel, dass die Einladungen in Kürze verschickt würden. Diese gehen jedoch nur an die Unterstützer der libyschen Kriegsparteien.

Eine innerlibysche Friedenskonferenz ist später in Libyen geplant. Die libyschen Kontrahenten beraten sich mit ihren Sponsoren. Premier Serradsch traf am Sonntag in Istanbul ein, Hafter telefonierte mit den Regierungen Ägyptens und der Vereinigten Arabischen Emirate.

Für viele Libyer kommt das vorläufige Ende der Kämpfe überraschend, es herrscht Skepsis. Der Geschäftsmann Faisal Swehli sagte der taz: „Haftars Bewegung droht ohne Sieg in Tripolis der Zerfall, und viele Milizen in Tripolis wollen ihre Macht über die Banken und die Ministerien nicht teilen.“

In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, Ahmed Mismari spreche für die Regierungsarmee. Tatsächlich spricht er für die LNA. Wir haben den Fehler korrigiert.

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4 Kommentare

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  • Mit Blick auf die Karte: libya.liveuamap.com/

    Die "International anerkannte Regierung" steht ziemlich mit dem Rücken zur Wand, möchte ich meinen. Die "Lybische Nationalarmee" hat den Großteil des Territoriums in der Hand und damit Innenpolitisch die besseren Karten. Außenpolitisch ist das Ganze hingegen eine Frage der Verbündeten&Partner. Unseren/Deutschlands Einfluss halte ich da für arg begrenzt.

    Man wird abwarten müssen, wie es weitergeht. Ich kann für mich selbst nicht sagen, wessen Sieg mir für Lybien vorteilhafter erscheint.

    • @Albrecht von Aschenfels:

      Dass die anerkannte Regierung der schwächere Part ist, stellt keine neue Entwicklung dar. Sie ist schon schwer damit beschäftigt, die Milizen in Tripolis bei Laune zu halten. Deshalb schickt Erdogan ja Truppen.

      Als Vermittler ist immer derjenige am geeignetsten, der als neutral gilt und genau keinen herausragenden Einfluss auf eine Seite hat. Was Sie als Nachteil Deutschlands beschreiben, ist also eigentlich der Vorteil.

      Und wenn der Vermittler dann noch ein paar Millionen rausrückt, um eine Win-win-Situation zu schaffen, wird in Libyen auch keiner traurig sein.

      • @rero:

        Sicher, das war seit Ausbruch des Bürgerkrieges der Fall nur waren noch Möglichkeiten offen, diesen Zustand zu beheben. Diese haben sich mittlerweile zum Großteil alle verflüchtigt. Dass Präsident Erdogan diese Truppen zur Sicherung seiner Interessen dort und nicht aus reinem Wohlwollen dem potenziellen Partner gegenüber schickt, halte ich für offensichtlich.

        Mangelnder Einfluss bedeutet aber weniger Möglichkeiten, beide Parteien während der Verhandlung friedlich zu halten. Und ein Vermittler ist ja auch nicht ohne Interessen welche man nur mit einem gewissen Einfluss durchsetzen kann. Ab wann haben wir also zu wenig/zu viel/genug Einfluss?



        Welche Interessen dies nun genau sind kann ich jetzt natürlich nicht allgemeingültig (für uns/Deutschland) definieren; ich persönlich würde Stabilität, Wiederaufbau, Demokratie verschiedener Art oder fortschrittliche Mischformen und ein modernes Rechtssystem im Land aufzählen, aber das ist nur meine Sichtweise.

        Aber was wäre eine win-win Situation für Libyen? Ein Sieg einer der beiden Fraktionen führt zu Unzufriedenheit bei (den Resten) der anderen. Ein Ausgleich nicht unbedingt zu dauerhaftem Frieden.



        Für Landaufteilung sind die Territorien zu unterschiedlich verteilt, ein aufgeteiltes Libyen kann also keine Option sein (das mag aber auch meine Abneigung gegen Kleinstaaten sein). Geld für eine funktionierende Wasser-, Energie- und Medikamentenversorgung wäre aber auf jeden Fall etwas, dass wir locker machen sollten und können. Da stimme ich ihnen zu.

  • Dank deutsch-russischer Bemühungen?



    Leute, lasst die Kirche im Dorf.



    Deutschlands BuRe stellt den Palaver-Platz für die nächste diplomatische Runde.



    Nicht mehr und nicht weniger.



    Aber deutscher Einfluss über diese Bemühungen?



    Lächerlich!