Krieg in Libyen: Gaddafis Machtbasis schrumpft
Die Rebellen sollen nahe Misurata Bodengewinne zu verzeichnen haben. Der libysche Konsul in Kairo tritt zurück. Nach der EU will auch Deutschland in Bengasi ein Büro eröffnen.
TRIPOLIS dpa | Die Machtbasis des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi schrumpft mit jedem Tag. Die Aufständischen berichteten am Donnerstag von Geländegewinnen rund um die westliche Stadt Misurata. Der libysche Konsul in Kairo, Faradsch al-Areibi, gab im Nachrichtensender Al-Arabija seinen Rücktritt bekannt. Der Diplomat erklärte, er unterstütze ab sofort die Aufständischen und ihren Nationalen Übergangsrat, der seinen Sitz in Bengasi hat. Deutschland werde dort in Kürze ein Verbindungsbüro einrichten, teilte das Auswärtige Amt am Donnerstag in Berlin mit.
Das libysche Staatsfernsehen strahlte in der Nacht zum Donnerstag Bilder von einem Treffen Gaddafis mit Stammesführern in Tripolis aus. Es blieb jedoch unklar, wann und wo dieses Treffen stattgefunden haben soll. Auch die staatliche Nachrichtenagentur Jana erwähnte den Ort in einer Meldung über das Treffen nicht. Zuletzt waren angeblich aktuelle Bilder von Gaddafis Aktivitäten im staatlichen Fernsehen vor knapp zwei Wochen gezeigt worden.
Regimegegner in Tripolis werden mutiger
Der Übergangsrat kündigte für Freitag Demonstrationen in mehreren Stadtvierteln der Hauptstadt Tripolis an. Augenzeugen berichteten, die Regimegegner würden in Tripolis immer mutiger. Auf etlichen Gebäuden sei inzwischen Anti-Gaddafi-Graffiti zu sehen. Gerüchte über eine Spaltung der Armee machten die Runde. Angeblich sollen Soldaten der Mitiga-Brigade, die zum Teil mit Gaddafi und zum Teil mit den Aufständischen sympathisieren, aufeinander geschossen haben.
Die Agentur Jana meldete in der Nacht, bei einem Nato-Luftangriff in Tripolis sei das Gebäude der Botschaft Nordkoreas beschädigt worden. Ein Augenzeuge berichtete, der Angriff habe offensichtlich einer benachbarten Einrichtung gegolten. In dem Botschaftsgebäude seien lediglich einige Scheiben zu Bruch gegangen.
Nächstes Ziel: Sintan
Ein Kämpfer der Aufständischen in Misurata sagte Al-Arabija, ihre Verbände hätten die Regierungstruppen vom Flughafen der Stadt vertrieben. Ihr nächstes Ziel sei die Küstenstadt Slitan, 160 Kilometer östlich von Tripolis, hieß es. Nicht bestätigt wurden Berichte der Rebellen, wonach 45 Soldaten in der Stadt Nalut nahe der tunesischen Grenze desertiert sein sollen. Angeblich stellten sie sich der tunesischen Armee. In den vergangenen Tagen waren nach Angaben aus Tunis bereits mehrfach Soldaten, die sich von der Truppe abgesetzt hatten, über die Grenze gekommen.
Das Verbindungsbüro der US-Regierung in Bengasi berichtete, am Dienstag sei die erste Lieferung der Amerikaner für die Truppen des Übergangsrates in Bengasi eingetroffen. Es handele sich um Zelte, Stiefel, Uniformen, medizinische Güter, Verpflegungspakete und militärische Schutzkleidung.
Deutsches Büro in Bengasi
Auch Deutschland wird in Kürze ein Verbindungsbüro in der Hochburg der Gaddafi-Gegner einrichten. Ziel sei es, einen ständigen Kontakt mit dem Übergangsrat in Bengasi aufzubauen und die Unterstützung für die Bevölkerung in Ost-Libyen zu begleiten, teilte das Auswärtige Amt am Donnerstag in Berlin mit. Die Leitung des Büros soll ein erfahrener Diplomat übernehmen. Bereits in den nächsten Tagen sollen die praktischen Fragen für die Eröffnung vor Ort geklärt werden. Deutschland hat bisher sieben Millionen Euro an humanitärer Hilfe für Libyen zur Verfügung gestellt.
Schon am Vortag hatte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton die baldige Eröffnung einer Vertretung in Bengasi angekündigt. Damit will die EU den nationalen Übergangsrat der Rebellen unterstützen.
Auch London schaltete sich in die diplomatischen Aktivitäten ein. Premier David Cameron bot den libyschen Rebellen die Eröffnung einer Vertretung in London an. Außerdem kündigte er am Donnerstag nach einem Treffen mit dem Vorsitzenden des Nationalen Übergangsrates, Mustafa Abdul Dschalil, eine verstärkte britische Präsenz in Bengasi an. Zudem soll Ausrüstung im Wert von "mehreren Millionen Pfund" an die Polizei in der Rebellen-Hochburg geschickt werden.
Großbritannien sei entschlossen, für eine stabile Zukunft Libyens mit dem Rat zusammenzuarbeiten, sagte Cameron nach Gesprächen mit Dschalil, dem Ex-Justizminister von Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi. "Der Rat steht für die Zukunft Libyens, so wie Gaddafi für seine Vergangenheit steht."
Leser*innenkommentare
Gerd
Gast
Gaddafi baut eine Trinkwasserversorgung ohne IWF Kredite ... und das kommt selbst bei der Taz nicht gut an
... gemeinsam mit den Hell Boys und ihren Kriegssoundtrack des Tages haben wir medial für den NATO Libyen-Feldzug zu sein
Karl Krise
Gast
Aha, Gaddafis Machtbasis schrumpft alse wieder einmal.
Jan B.
Gast
Irgendwie haben ich das Gefühl, diese Schlagzeile in den letzten Wochen seit Ausbruch des Krieges regelmäßig zu lesen. Doch bis jetzt konnten die Aufständischen trotz des Bombenteppich der NATO den Krieg nicht für sich entscheiden. es wäre durchaus denkbar, dass das lybische Volk längst nicht so geschlossen gegen Gaddafi steht, wie es unter anderem die TAZ gerne suggeriert. Nach allem was ich weiß scheint Lybien vor allem regional gespalten zu sein. Was nichts anderes heißt, dass sich die Lage selbst bei einem militärischen Sieg der Rebellen (der alles andere als besonders greifbar ist), es langfristig keine Stabilität in Lybien geben wird. Zumal die Rebellen eher durch Rachegedanken, als durch demokratische Ideale angetrieben zu sein scheinen (die Videos von unmenschlichen öffentlichen Hinrichtungen in Benghazi legen diesen Eindruck zumindest nahe). Lybien braucht nicht mehr Bomben oder Waffen, Lybien braucht Friedensverhandlungen.
Jürgen Orlok
Gast
Vermutlicch fällt auch dieser Beitrag der Zensur zum Opfer, weil er einfach nur auf einen wiederholten Bruch der Rechtsgrundlage für den Libyen-Krieg hinweist.
"Das Verbindungsbüro der US-Regierung in Bengasi berichtete, am Dienstag sei die erste Lieferung der Amerikaner für die Truppen des Übergangsrates in Bengasi eingetroffen. Es handele sich um Zelte, Stiefel, Uniformen, medizinische Güter, Verpflegungspakete und militärische Schutzkleidung. "
UN-Res1970 §9
Arms embargo
9. Decides that all Member States shall immediately take the necessary
measures to prevent the direct or indirect supply, sale or transfer to the Libyan Arab
Jamahiriya, from or through their territories or by their nationals, or using their flag
vessels or aircraft, of arms and related materiel of all types, including weapons and
ammunition, military vehicles and equipment, paramilitary equipment, and spare
parts for the aforementioned, and technical assistance, training, financial or other
assistance, related to military activities or the provision, maintenance or use of any
arms and related materiel, including the provision of armed mercenary personnel
whether or not originating in their territories, and decides further that this measure
shall not apply to:
(a) Supplies of non-lethal military equipment intended solely for
humanitarian or protective use, and related technical assistance or training, as
approved in advance by the Committee established pursuant to paragraph 24 below;
(b) Protective clothing, including flak jackets and military helmets,
temporarily exported to the Libyan Arab Jamahiriya by United Nations personnel,
representatives of the media and humanitarian and development workers and
associated personnel, for their personal use only; or
© Other sales or supply of arms and related materiel, or provision of
assistance or personnel, as approved in advance by the Committee;"
Die Resolution bezieht sich ganz offensichtlich ( im Sinne des Wortes) auf das libysche Staatsgebiet.
Alle finanzielle, militärberaterische, waffentechnische Maßnahmen von NATO und Co sind also nache dem EIGENEN Beschluß ! illegal ...
Es lebe der RechtsStaat, oder seid ihr alle Obamaner ???
Fritz Katzfuß
Gast
Ich weiß auch nicht, aber ich habe da irgendwie so einen Antiimperialisten im Sack, der ist auf seiten Gaddafis.So einen Kapitalismuskritiker, oder was? Antikolonialismustheoretiker?