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Krieg in ÄthiopienErste Gespräche über Frieden

Hunderttausende Leben hat der Krieg in Äthiopien bereits gefordert. Nun stehen beide Seiten unter Druck, einen Friedensprozess anzustoßen.

Äthiopiens Regierung hat eine große Demo gegen „Einmischungen“ von außen organisiert Foto: ap

London taz | Zum ersten Mal seit Beginn des Krieges um die äthiopische Nordprovinz Tigray vor knapp zwei Jahren kommen Vertreter der äthiopischen Regierung und der aufständischen Regionalregierung von Tigray zu Friedensgesprächen zusammen. Beide Seiten bestätigten am Montag, ihre jeweiligen Unterhändler reisen zu den Verhandlungen in Südafrika, die unter Ägide der Afrikanischen Union (AU) stattfinden sollen. Tigrays Delegation, mit internationalen Sicherheitsgarantien, traf am Sonntagabend ein; die äthiopische Regierungsdelegation wurde im Laufe des Montags erwartet.

Hintergrund der Gespräche, so sie denn in Gang kommen, ist der aktuell wohl blutigste Krieg der Welt. Laut der US-Regierung kamen seit Kriegsbeginn im November 2020 rund 500.000 Menschen ums Leben, viele wurden Opfer der Hungerblockade der äthiopischen Regierung gegen Tigray – viele wurden direkt Opfer von Kampfhandlungen.

Schätzungen zufolge sollen allein die Kämpfe seit Ende August an die 100.000 Leben gefordert haben. Die Armee des nördlich gelegenen Nachbarlands Eritrea greift mittlerweile aktiv aufseiten der äthiopischen Regierung ein und geht Berichten zufolge besonders brutal vor, auch gegen Tigrays Zivilbevölkerung.

Am 17. Oktober eroberten äthiopische und eritreische Truppen die strategisch wichtige Stadt Shire und erhielten damit Zugang zum tigrayischen Hochland. Die Kämpfe sollen sich nun der alten christlichen Klosterstadt Aksum nähern. Äthiopiens Regierung wollte bisher alle Städte Tigrays erobern und erst danach Frieden verkünden; Tigrays Rebellen wollen eine sofortige Feuerpause.

Schwerste Dürre seit 40 Jahren

Die AU versucht schon seit Monaten, im Konflikt zu vermitteln. Am Freitag forderte der Sicherheitsrat der Afrikanischen Union erneut einen „sofortigen, vollständigen und bedingungslosen Waffenstillstand“. Der UN-Sicherheitsrat, der ebenfalls am Freitag tagte, konnte sich auf keine Erklärung einigen.

Beide Seiten in Äthiopien haben ein hohes Interesse, zumindest einen Friedensprozess anzustoßen. Tigrays Rebellen ­stehen militärisch unter Druck und jeder weitere Kriegstag erhöht die Zahl der tigrayischen Toten.

Äthiopiens Regierung wiederum läuft wirtschaftlich die Zeit davon. Der Krieg gegen Tigray kostet viel Geld: die massiven Importe von Lebensmitteln und Treibstoff, die für das Überleben der 120 Millionen Einwohner Äthiopiens nötig sind, haben sich unter anderem aufgrund des Ukrainekrieges verteuert.

Äthiopiens Devisenreserven decken nicht einmal mehr die Importe für einen Monat ab

Zugleich wütet die schwerste Dürre seit 40 Jahren am Horn von Afrika und sorgt vor allem im Süden Äthiopiens für entsetzliches Leid. Nach UN-Angaben sind 20 Millionen Menschen in Äthiopien auf humanitäre Hilfe von außen angewiesen, wobei die hungernde Bevölkerung Tigrays nur unvollständig in den UN-Plan eingerechnet ist, da Daten fehlen.

Äthiopiens Devisenreserven decken nicht einmal mehr die Importe für einen Monat ab. Die Regierung wünscht sich deshalb IWF-Finanzhilfen und strebt an, in das G20-Programm zur Schuldenerleichterung einzutreten, welches während der Covid-19-Pandemie aufgelegte wurde. Solange der Krieg andauert, ist das aber undenkbar.

Um den Staatsbankrott aufzuhalten, hat die Regierung in diesem Monat alle Devisentransaktionen verboten, ebenso wie ausländische Währung zum Import „nicht essenzieller“ Güter wie Autos, Zigaretten, Seifen und Alkohol. Angesichts der Krise greift Äthiopiens Regierung zur propagandistischen antiwestlichen Mobilmachung und trommelte am Samstag Hunderttausende Menschen in der Hauptstadt Addis Abeba zu einer Demonstration für „Souveränität“ und gegen „Einmischung“ zusammen.

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