Krieg im Jemen: Aus „Sturm“ wird „Hoffnung“
Saudi-Arabien kündigt eine neue Phase im Kampf gegen die Huthi-Rebellen an. Dies könnte den Weg für politische Gespräche öffnen.
KAIRO taz | Die saudische Militäroperation „Entscheidender Sturm“ soll von der Mission „Wiederherstellung der Hoffnung“ abgelöst werden. Dies gab die Regierung in Riad am Dienstagabend bekannt und verkündete das Ende der seit vier Wochen andauernden Luftangriffe im südlichen Nachbarland Jemen.
Der saudische Militärsprecher Brigadier General Ahmed al-Assiri erklärte, die Ziele der Kampagne seien erreicht und die militärische Basis der Huthi-Rebellen sei zerstört worden. Die Huthis stellten keine Gefahr mehr für Zivilisten und die Sicherheit Saudi-Arabiens dar. Daher könne nun eine neue Phase des Wiederaufbaus beginnen, dabei müssten aber weitere operative Bewegungen der Rebellen verhindert werden.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO wurden in dem Krieg fast 1.000 Menschen getötet und über 3.000 verletzt. Etwa 150.000 Menschen befinden sich nach Angaben der UNO auf der Flucht.
Die Erklärung beinhaltet allerdings keinen expliziten Waffenstillstand, vor allem in Tais und in Aden gingen die Kämpfe am Boden zunächst weiter. Am Mittwoch und Donnerstag erfolgten, wie Augenzeugen berichteten, weitere Luftangriffe.
Auch am zweiten Tag nach der Ankündigung eines Endes der Luftangriffe auf die Huthi-Miliz im Jemen hat die von Saudi-Arabien angeführte Militärkoalition laut Augenzeugen wieder Rebellenstellungen bombardiert. In der Nacht zum Donnerstag seien unter anderem Ziele nahe der Hauptstadt Sanaa angegriffen worden, berichteten Einwohner. Auch Huthi-Stellungen nahe der Stadt Tais im Südwesten und in der Stadt Jarim im Zentrum des Landes wurden demnach bombardiert. Die arabische Koalition flog seit dem 26. März nach eigenen Angaben mehr als 2.000 Angriffe auf die Huthi-Rebellen und ihre Verbündeten aus der jemenitischen Armee.
In einer ersten Reaktion ließen die Huthis den Bruder des nach Saudi-Arabien geflüchteten Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi sowie dessen Verteidigungsminister und einen Militärkommandanten nach einem Monat Gefangenschaft frei. Gleichzeitig kündigten sie jedoch Demonstrationen gegen Saudi-Arabien an.
Die saudische Ankündigung ist vor allem eines: die Einsicht, dass sich der Konflikt im Jemen nicht militärisch lösen lässt. Denn die von der saudischen Regierung zu Beginn der Luftangriffe angekündigten strategischen Ziele wurden bisher nicht erreicht. Weder ist die militärische Macht der Huthis und ihres Verbündeten, des jemenitischen Ex-Diktators Ali Abdullah Salih, gebrochen worden, wie die anhaltenden Kämpfe zeigen. Noch wurde das Ziel erreicht, die Hadi-Regierung wieder einzusetzen.
Die Quadratur des Kreises
Doch die saudische Ankündigung eröffnet die Möglichkeit, einen politischen Prozess einzuleiten, an dessen Ende die Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit stehen könnte. Die Huthis hatten wiederholt erklärt, sie seien zu Verhandlungen bereit, aber nur, wenn die Luftangriffe aufhören.
Es dürfte nicht einfach sein, einen politischen Prozess mit so vielen Beteiligten auszuhandeln. Allein im Jemen gibt es mindestens vier Konfliktparteien. Da sind die schiitischen Huthis, gegen die die Zentralregierung bereits erfolglos fünf Kriege geführt hat. Sie stammen aus dem Norden rund um die Stadt Saada, kontrollieren die Hauptstadt Sanaa und werden dementsprechend Einfluss in einer neuen Regierung fordern. Dann ist da ihr Verbündeter Salih und dessen Sohn Ahmad, die Teile der Armee kontrollieren. Schließlich gibt es noch die geflohene Hadi-Regierung und die Separatistenbewegung im Süden des Landes. All diese Interessen in einem politischen Abkommen unter einen Hut zu bringen, wird nur gelingen, wenn keine Seite mehr glaubt, militärisch mehr erreichen zu können.
Und dann ist da noch Saudi-Arabien, mit dem Interesse, die Lage im Nachbarland zu stabilisieren, aber auch, eine ihm genehme Regierung zu installieren. Hinzu kommt der Iran, der sich für eine politische Lösung ausgesprochen hat, aus der aber seine Verbündeten, die Huthis, gestärkt hervorgehen sollen.
Die saudische Ankündigung hat aber auch eine internationale Komponente. Die USA dürften der Regierung in Riad signalisiert haben, dass eine Eskalation im Jemen nicht in ihrem Interesse ist. Zum einen befürchten die USA, dass das politische Chaos zum weiteren Erstarken von al-Qaida führen könnte. Zum anderen wollen die USA eine Zunahme der Spannungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran verhindern.
In einer Zeit, in der Atomverhandlungen mit dem Iran laufen und der Westen Teheran im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) an seiner Seite braucht, kommt der Krieg im Jemen äußerst ungelegen. Die Quadratur des Kreises besteht darin, den Iran international wieder an Bord zu holen, ohne Saudi-Arabien als Partner zu verlieren. Der Jemen ist dafür der erste große Testfall.
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