Kreuzfahrtschiffe blockiert: Mit Paddeln gegen Dreckschleudern

Am Sonntag wollten Ak­ti­vis­t:in­nen drei Kreuzfahrtschiffe in Kiel am Fahren hindern. Die Schiffe konnten den Hafen mit etwas Verspätung verlassen.

Aktivist:innen paddeln in Kajaks auf dem Wasser vor zwei großen Kreuzfahrtschiffen

Kleine Boote, großer Effekt? Ak­ti­vis­t:in­nen blockierten drei Kreuzfahrtschiffe in Kiel mit Kajaks Foto: Jannis Große

Die große Reisezeit steht an. In diesem Sommer heißt das: geduldig sein. Die Regionalzüge sind auch wegen des 9-Euro-Tickets voll, an Flughäfen kommt es zu Verzögerungen und Wartezeiten. Am Sonntag mussten auch Kreuzfahrtreisende in Kiel ein bisschen länger warten.

Gegen 16.30 Uhr paddelten Klimaak­ti­vis­t:in­nen durch die Kieler Förde – direkt auf zwei große Kreuzfahrtschiffe zu, die hier ankern. Sie haben sich verkleidet und bemalt, um ihre Identitäten zu schützen. Einige haben Schriftzüge auf ihren T-Shirts, andere haben Fahnen oder Transparente dabei.

Mit starken Magneten machen sie ein Banner am Rumpf des Kreuzfahrtschiffs „Vasco da Gama“ fest: „Fight Neocolonialism“ kann man darauf lesen. Auch am Kreuzfahrtschiff „Norwegian Dawn“ auf der anderen Seite der Kieler Förde haben die Ak­ti­vis­t:in­nen ein Banner mit Magneten befestigt. „Fight Greenwashing“ kann man darauf lesen. Ziel der Ak­ti­vis­t:in­nen ist es, die Schiffe am Auslaufen zu hindern oder ihre Abfahrt zumindest zu verzögern.

„Wir sind heute hier, um auf die Klimaschädlichkeit dieser riesigen Schiffe aufmerksam zu machen und die neokolonialen Strukturen an Bord zu kritisieren“, erklärt Ludovica, die während der Aktion mit der Presse spricht. „Viele Menschen, die an Bord arbeiten, stammen aus dem globalen Süden und werden mit superniedrigen Löhnen und monatelanger Dauerarbeit ausgebeutet“, sagt die Aktivistin im Gespräch.

Eines der klimaschädlichsten Verkehrsmittel

Hinter der Aktion steht eine autonome Gruppe mit verschiedenen Ak­ti­vis­t:in­nen der Klimagerechtigkeitsbewegung, die sich für die Aktion zusammengefunden haben. Ludovica verteilt Flyer an der Promenade vor dem Terminal, an dem zwei der drei blockierten Kreuzfahrtschiffe liegen. Die anderen Ak­ti­vis­t:in­nen paddeln vor den Schiffen auf und ab.

Vor Corona stieg die Zahl der Pas­sa­gie­r:in­nen auf Kreuzfahrtschiffen jährlich an. Im Jahr 2019 hatten die Schiffe in der EU 7,4 Millionen Passagier:innen, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Nach dem Wegfall der Reisebeschränkungen durch die Pandemie erwartet die Reisebranche in diesem Jahr wieder einen starken Reisesommer, auch Kreuzfahrtschiffe gewinnen wieder an Beliebtheit. Einige Kreuzfahrtbetreiber melden Rekordbuchungen.

Das Kreuzfahrtschiff gehört neben dem Flugzeug zu den klimaschädlichsten Verkehrsmitteln für eine Urlaubsreise. Bei einer siebentägigen Mittelmeerkreuzfahrt fallen laut Umweltbundesamt pro Person rund 1,9 Tonnen CO2-Äquivalente an. Das ist mehr als ein durchschnittlicher Deutscher pro Jahr mit Auto, Bus und Bahn verursacht. „Smash Cruiseshit“ lautet deshalb das Motto der Ak­ti­vis­t:in­nen in Kiel. Ihr Ziel: ein Wandel hin zu nachhaltigem Tourismus. „Geht doch zelten“, steht auf einem kleinen Transparent, das sie im Wasser hochhalten.

Klimaneutralität ist durchaus auch bei Kreuzfahrtbetreibern ein Thema. „Wir wollen unsere relativen Emissionen um 40 Prozent pro Passagier und Übernachtung im Jahr 2025 im Vergleich zu 2015 senken“, erklärte Lucienne Damm, Umweltmanagerin von TUI Cruises, im Interview mit der Deutschen Welle im März 2021. Ziel sei es, bis 2030 klimaneutrale Schiffe oder Routen anbieten zu können und bis 2050 komplett klimaneutrale Kreuzfahrten. Wichtige Aspekte sind für die Be­trei­be­r dabei die Nutzung von Landstrom in den Häfen und der Einsatz von LNG als Treibstoff.

Bis 21 Uhr dauerte die Räumung

Die Ak­ti­vis­t:in­nen sehen darin vor allem Greenwashing. LNG ist aus ihrer Sicht keine klimafreundliche Alternative. Sie verweisen auf die Emissionen, die für die Produktion von LNG notwendig sind. „Wir sollten versuchen, auf Erneuerbare Alternativen umzusteigen“, bezieht eine Aktivistin im Schlauchboot Position. In ihrer Pressemitteilung stellen die Ak­ti­vis­t:in­nen außerdem die Frage, ob man das knappe Gas wirklich für Kreuzfahrtschiffe nutzen sollte, statt im Winter damit zu heizen.

Gegen 18 Uhr zwingen starker Regen und ein aufziehendes Gewitter einen Teil der Ak­ti­vis­t:in­nen zum Abbruch. Beim Verlassen des Wassers werden sie von Polizist:in­nen zur Personalienfeststellung in Gewahrsam genommen. Auch Passant:in­nen werden teilweise kontrolliert. Mit dröhnendem Schiffshorn läuft die „Vasco da Gama“ um 18.09 Uhr als erstes der blockierten Schiffe aus – mit neun Minuten Verspätung. Das Banner der Ak­ti­vis­t:in­nen hängt noch immer am Rumpf des Schiffes. Auch die „MSC Preziosa“ verlässt den Kieler Hafen mit Verspätung. Gut eine halbe Stunde nach Plan fährt sie um 19.30 Uhr in Richtung Ostsee. Die Polizei hatte die Ak­ti­vis­t:in­nen mit Schnellbooten an Land gebracht.

Die Ak­ti­vis­t:in­nen vor der „Norwegian Dawn“ werden derweil noch aus dem Wasser geräumt. Dazu zerren Po­li­zis­t:in­nen die Menschen aus ihren Kajaks in das Motorboot. Björn Gustke, Pressesprecher der Polizei Kiel, betont, dass die Polizeikräfte für diesen Einsatz speziell ausgebildet seien, sodass der Einsatz ohne Gefährdung der Ak­ti­vis­t:in­nen geschehen kann. „Zurzeit gehen wir von einem Anfangsverdacht einer Straftat aus. Es wurde zunächst ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Nötigung eingeleitet“, erklärte Gustke vor Ort.

Bis kurz vor 21 Uhr dauerte die Räumung. Auch die „Norwegian Dawn“ konnte mit wenig Verzögerung ablegen. Die Ak­ti­vis­t:in­nen werten die Aktion trotzdem als Erfolg. Bei Twitter schrieben sie am Abend: „Durch unseren Einsatz haben wir ein starkes Zeichen gegen die Kreuzfahrtindustrie gesetzt.“

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