Kramp-Karrenbauer und die „Ehe für alle“: Die heteronormative AKK
CDU-Vorsitz-Kandidatin Annegret Kramp-Karrenbauer betont ihre Ablehnung der Eheöffnung. Eine Kulturkriegerin von katholischen Gnaden?
Das war einerseits erstaunlich, weil der sozialdemokratischen Gesetzesinitiative im Juni 2017 nicht nur alle Abgeordneten der Linkspartei und der Grünen folgten, sondern auch immerhin 75 von 309 Abgeordnete der Union, darunter wichtige Fellows von Angela Merkel wie Peter Altmaier, Ursula von der Leyen und Peter Tauber. Merkel selbst stimmte freilich, integrativ in ihre Partei hinein, mit Nein.
Kramp-Karrenbauer, damals noch Ministerpräsidentin des Saarlands, sagte, nachdem der Bundesrat die „Ehe für alle“ anstandslos passieren ließ: „Ich halte an meiner ablehnenden Haltung fest. Ich sehe in meiner Partei, dass dazu jeder seine persönliche Meinung hat, das respektiere ich. Mit der Entscheidung für die Ehe für alle wird die Welt sicherlich nicht zusammenstürzen. Man muss aber im Blick behalten, dass das Fundament unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts dadurch nicht schleichend erodiert.“
Im gleichen Sinne äußerte sie sich im Wahlkampf für den CDU-Bundesvorsitz: Mit der Öffnung der Ehe gäbe es die Möglichkeit, dass es womöglich auch polyamorose Vielehen und inzüchtige Geschwisterehen geben könnte. Für diese Äußerung erhielt AKK gleich prasselnden Applaus der queeristischen Szene, die traditionell Beziehungsformen klassischer Art ohnehin abgeschafft sehen will.
Nur Wahltaktik?
AKKs Rivale indes, der offen schwule Jens Spahn, der seit Ende vorigen Jahres mit einem Mann verheiratet ist, hat sich natürlich beleidigt gefühlt, ja, fühlen müssen. In den politischen Kämpfen zur „Ehe für alle“ hatte er immer wieder betont, dass es eigentlich ein konservatives Anliegen sein müsse, in das Eheinstitut auch homosexuelle Paare zu integrieren.
Eine standesamtlich besiegelte Verantwortung zweier Menschen füreinander sei schließlich ein konservativer Wert. Genau deshalb unterstützte in Großbritannien besonders die konservative Partei die „Ehe für alle“ – zumal die anglikanische Kirche dort seit Langem ein eher modernes Eheverständnis hegt.
Die Frage ist nur, ob Kramp-Karrenbauer ihre „Haltung“ (so ihr eigenes Wort für das, was sie grundsätzlich denkt) ernst meint – oder sie lediglich eine „fake opinion“ geäußert hat, wie die Zeit-Korrespondentin Mariam Lau glaubt: die Bekanntgabe einer Meinung zum Schein – um sich wahltaktisch dem eher traditionalistisch orientierten CDU-Milieu zu empfehlen?
Ebenso, wie sie betont, verheiratet zu sein, immer noch mit dem ersten Mann – und mit diesem gemeinsam Eltern dreier Söhne? Und dass sie dieses persönliche Profiling auch – für ihre ins Auge genommene Klientel – angenehm abhebt von der Kanzlerin, die keine Kinder hat und mit einem Mann verheiratet ist, dessen Namen sie nicht trägt?
Zweck von Sexuellem
Denn man darf schon fragen: Würde Kramp-Karrenbauer wirklich riskieren, die „Ehe für alle“ wieder gesetzlich abzuwickeln? Könnte sie es wagen, einen weit über ihre Partei hinaus nicht zu gewinnenden Kulturkampf zu entzünden? Sind also für diese Frau, die auch bekennendes Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken ist, Äußerungen zur Gleichstellung Homosexueller im Recht nur fingiert?
Mutmaßlich nicht. Denn Kramp-Karrenbauer hat tatsächlich ein eher lockeres Verhältnis zur grundsätzlichen Religionsferne der Politik. Sie bezieht ihre Inspirationen aus ihrem Engagement in der Laienschar des vatikanischen Klerus, das ist in Deutschland für prominente Christ*innen seit jeher selbstverständlich.
Der Katholizismus lehnt die Öffnung der Ehe so strikt ab wie sonst nur Schwangerschaftsabbrüche. Das eine ist für diese Glaubensrichtung die Verletzung der Gattungsordnung schlechthin, die Suspendierung des christlichen Verständnisses von Ehe, also nicht die Liebe, sondern die Fortpflanzung als erst- und letztgültigen Zweck von Sexuellem, das andere ist ihr die Tötung von Leben.
Mit einer Kramp-Karrenbauer als Nachfolgerin Merkels werden also Gesetzesprojekte wie die Abschaffung des §219a (Abschaffung des Verbots für Ärzt*innen, auf die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs in ihren Praxen hinzuweisen) oder die Reform des ehelich orientierten Abstammungsrechts (das für gleichgeschlechtliche Ehepaare nach wie vor nicht gilt) nicht zu machen sein.
Die CDU-Generalsekretärin würde auch atmosphärisch einen anderen, mehr vatikanisch geprägten Ton in die politische Arena tragen. Das ist für alle Liebes- und Lebensformen jenseits der kinderproduktionsorientierten Heteroehen keine gute Nachricht.
P.S.: In einem Interview mit dem ZDF-„Morgenmagazin“ beteuert sie, das Gesetz zur „Ehe für alle“ keineswegs rückgängig machen zu wollen. „Selbstverständlich“ erkenne sie den Beschluss des Bundestages an. Und auch ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare werde sie nicht bekämpfen: „Wenn Homosexuelle Pflegeeltern sein können, dann können sie auch Adoptiveltern sein. Das Adoptionsrecht knüpft sich auch an die Entscheidung des Bundestags, die Ehe für alle zu öffnen.“ Offenkundig ist die Saarländerin eine realitätstaugliche Person – und kann sich der Zustimmung jener Delegierten in Hamburg sicher sein, die weiterhin dem symbolischen Unterschied in der Ehe zugunsten heterosexuell orientierter Menschen nachtrauern.
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