Korruptionsskandal in der EU: Wie in „Oceans’ Eleven“
50.000 Euro in prall gefüllten Geldbriefen: Auch der Generalsekretär des Internationalen Gewerkschaftsbundes steht unter Korruptionsverdacht.
Panzeri, in den Jahren 2004 bis 2019 Abgeordneter des Europäischen Parlaments (EP) und danach Chef der von ihm gegründeten Menschenrechts-NGO Fight Impunity, hatte Visentini zur vorgezogenen Bescherung in seine Brüsseler Wohnung gebeten, ohne zu wissen, dass die mittlerweile von den Fahndern verwanzt war.
Und wie schon bei der Wahl des Namens seiner NGO („Bekämpfe die Straflosigkeit“) oder des Weihnachtsmann-Motivs auf den Geldbriefen bewies Panzeri seinen Sinn für Humor. Wie in „Oceans’ Eleven“ komme er sich vor, scherzte er, den Titel eines Films zitierend, in dem ausgefuchste Gauner ein Millionending drehen. Visentini lachte herzlich.
Doch das Lachen ist dem italienischen Spitzengewerkschafter mittlerweile vergangen. Am 9. Dezember wurde er genauso wie Panzeri, die griechische Ex-Vizepräsidentin Eva Kaili und der im EP tätige Berater Francesco Giorgi – er war früher für Panzeri tätig und ist Kailis Lebensgefährte – verhaftet. Zwar kam Visentini zwei Tage später wieder frei, doch jetzt geht es im IGB um seinen Kopf als Generalsekretär.
50.000 Euro für den Wahlkampf
„Visentini wird bei der Generalratssitzung am Mittwoch auf eine tränenreiche Nummer setzen“, sagte ein führender Funktionär eines großen Gewerkschaftsbundes aus Europa, der anonym bleiben will, gegenüber der taz. „Er wird erzählen, dass er nur lautere Absichten verfolgt hat.“
Der Gewerkschafter verweist auf Visentinis Erklärung von letzter Woche, in der er mitgeteilt hatte, er werde sein Amt als Generalsekretär bis zur Sitzung des Generalrats ruhen lassen. In der Erklärung steht auch Visentinis Version zu den 50.000 Euro, die er von Panzeri erhalten hat. Das Geld habe dazu gedient, seine Kosten im gewerkschaftsinternen Wahlkampf um den Posten des IGB-Generalssekretärs und seine dabei anfallenden Reisekosten abzudecken.
Denn Visentini war erst am 22. November auf dem IGB-Weltkongress zum neuen Generalsekretär gewählt worden. 163 Länder sind im IGB vertreten, die ihm angehörenden nationalen Organisationen kommen auf 200 Millionen Mitglieder.
„Normalerweise zahlen die Kandidaten ihre Reisekosten aus eigener Tasche beziehungsweise aus der Tasche des nationalen Gewerkschaftsbundes, dem sie angehören“, hält der Gewerkschafter fest. „Schon dass Visentini sich diese Kosten von Dritten hat spendieren lassen, (…) ist ein völlig unkorrektes Verhalten.“ Und auch die Einzahlung eines großen Betrags in die Reisekasse des IGB, die auch armen Bünden die Teilnahme am Weltkongress ermöglichen sollte, sei alles andere als selbstlos: „Da ging es darum, Delegierte anzukarren, auf deren Stimmen Visentini zählte.“
Imageschaden für Europas Gewerkschaften
Schon vorher, in den Jahren 2015 bis 2022, war Visentini in Brüssel aktiv, als Generalsekretär des EGB. Jetzt, so meint der anonyme Gewerkschafter, müsse er weg. „Er hat einen katastrophalen Imageschaden für den IGB, für den EGB (Europäischer Gewerkschaftsbund, Anm. d. Red.) angerichtet.“ Visentini behaupte zwar, er habe Katar immer kritisch kommentiert – doch die Kritik ist, zum Beispiel mit der Forderung, das Emirat müsse „weitere Fortschritte“ bei den Menschen- und Arbeitnehmerrechten machen, windelweich.
Und da steht Visentini in einer unrühmlichen Tradition, die den IGB schon unter seiner Vorgängerin Sharan Burrow auszeichnete. Seit 2019 veröffentliche die Dachorganisation immer wieder äußerst freundliche Erklärungen gegenüber Katar, mit Titeln wie „Eine neue Morgenröte für migrantische Arbeiter“.
Von Morgenröte kann dagegen beim IGB keine Rede sein. Sollte sich Visentini halten können, so der anonyme Gewerkschafter, „dann schließe ich auch reihenweise Austritte von Mitgliedsorganisationen aus dem IGB nicht aus“.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!