Korruptionsskandal im Europaparlament: Abgesetzt mit nur einer Gegenstimme

Das Plenum des EU-Parlaments hat die Vizepräsidentin Kaili wegen Korruptionsvorwürfen abgesetzt. Die teilte mit, sie halte sich für unschuldig.

Portrait Eva Kaili

Eva Kaili, abgesetzte Vizepräsidentin des Europaparlaments Foto: EU/reuters

Erstmals hat sich Eva Kaili, die im EU-Korruptionsskandal abgesetzte Vizepräsidentin des Europaparlaments, zu Wort gemeldet. Der Standpunkt der Griechin: Sie habe nichts mit Bestechungen durch den Golfstaat und WM-Ausrichter Katar zu tun. Das EU-Parlament hat Kaili am Dienstag abgesetzt. Damit verliert sie wegen schwerer Korruptionsvorwürfe ihr Amt als Vizepräsidentin. Für die sofortige Absetzung votierten 625 Stimmen, es gab zwei Enthaltungen und nur eine Stimme dagegen.

Am Dienstag äußerte sich Kailis Rechtsvertreter. „Sie ist unschuldig. Sie hat damit nichts zu tun – ausdrücklich und kategorisch“, sagte am Dienstagmorgen der Athener Staranwalt Michalis Dimitrakopoulos in einem Interview im privaten Fernsehsender Open TV.

Am Montag war in Athen bekannt geworden, dass Kaili und ihr Partner, der Italienier Francesco Giorgi, der ebenso wie Kaili seit dem Wochenende in einem Brüsseler Gefängnis in Untersuchungshaft sitzt, am 30. November – und damit lediglich neun Tage vor ihrer Festnahme in Brüssel – gemeinsam die Immobilieninvestmentfirma Aria Properties im zentralen Nobelviertel Kolonaki in der griechischen Hauptstadt gegründet hatten.

In diesem Zusammenhang bestätigte Kailis Anwalt zwar die Gründung von Aria Properties. Das Gründungskapital habe 1.000 Euro betragen. Kailis Firma habe aber „noch nicht ihren Betrieb aufgenommen“. Folglich habe seine Mandantin „keinerlei unternehmerische Aktivitäten in ihrem ganzen Leben entfaltet“. „Die einzige Tätigkeit, die sie ausübt, ist das, was bekannt ist: Europaabgeordnete“, so Dimitrakopoulos.

Die griechische Behörde zur Bekämpfung von Geldwäsche hatte am Montag zudem alle beweglichen und unbeweglichen Vermögenswerte wie Bankguthaben, Aktien, Investmentfonds oder Immobilien von Eva Kaili sowie ihren Familienangehörigen in Griechenland eingefroren. Für Dimitrakopoulos ist dies ein durchaus nachvollziehbarer Schritt.

Denn die Athener Anti-Geldwäsche-Behörde sei „dazu verpflichtet“, vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen, wenn „derartige Vorwürfe wie Geldwäsche aus Brüssel kommen“, so der Rechtsanwalt. Nur: In Griechenland seien die Konten von Evas Vater (Alexandros, Anm.) sowie ihrer Schwester (Madalena, Anm.) eingefroren worden. „Das sind aber Konten, wo die Gehälter eingehen. Sie haben nichts mit angeblichen unternehmerischen Tätigkeiten zu tun, die es in der Familie Kaili überhaupt nicht gibt“, fügte der Rechtsanwalt hinzu. Daher werde er am Mittwoch „geeignete Rechtsmittel gegen das Einfrieren der Vermögenswerte der Familie Kaili einlegen“, kündigte Dimitrakopoulos an. „Wir glauben, dass wir damit auch Erfolg haben werden.“

Kaili wollte EU-Bericht über Katar ändern lassen

Unterdessen hat sich auch die Schwester der inhaftierten Europaabgeordneten, Madalena Kaili, mit der Eva Kaili ein enges Verhältnis hat, zu den Korruptionsvorwürfen geäußert. „Ich kann nicht glauben, dass die Anschuldigungen und Absichten, die meiner Schwester zugeschrieben werden, wahr sind“, sagte sie in einer schriftlichen Stellungnahme. Sie betonte, dass „wir als Familie in einer noch nie dagewesenen und schmerzhaften Situation leben“.

Das sieht der zypriotische Europaabgeordnete Loukas Fourlas etwas anders. Fourlas ist stellvertretendes Mitglied im EU-Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE). Kaili habe gewünscht, dass er Änderungen in einem EU-Bericht über die Lage der Menschenrechte in Katar vornehmen solle, enthüllte Fourlas. „Sie wollte, dass das Urteil der Europäischen Union über Katar nicht zu hart ausfällt“, sagte Fourlas zunächst im zypriotischen Fernsehsender Sigma TV.

In einem anschließenden schriftlichen Statement wurde der Europaabgeordnete Fourlas noch konkreter: „Am 13. Oktober wurde ich vom Büro von Frau Kaili mit der Bitte kontaktiert, dem Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, dessen stellvertretendes Mitglied ich bin, zwei Änderungsanträge vorzulegen. Der Inhalt der Änderungsanträge betraf Arbeitsfragen in Katar und begrüßte die Fortschritte, die das Land gemacht hat.“

Griechen tolerieren Korruption

Die weitverbreitete Ansicht, dass die Korruption in Griechenland mehr als anderswo grassiert, teilen jedenfalls selbst die Griechen. Wie die unabhängige Nationale Behörde für Transparenz (EAD) in einer nun in Athen bekannt gewordenen Studie feststellt, seien 71,3 Prozent der Meinung, dass die Korruption in Griechenland heute weiter verbreitet ist als in anderen EU-Mitgliedstaaten. Lediglich 23,7 Prozent der Befragten meinen dazu „nein“ oder „wahrscheinlich nicht“.

Ferner gaben 25,3 Prozent der von der EAD Befragten an, dass Korruptionsphänomene „ihr tägliches Leben in sehr hohem Maße beeinträchtigen“. Als Beispiele nannten sie Chancengleichheit, Beteiligung an den Institutionen der Demokratie, Zugang zu Gesundheitsstrukturen, Bildung oder das Justizwesen. 63 Prozent der Befragten glauben laut der EAD-Studie, dass die griechische Gesellschaft und die Bürger der Korruption gegenüber „tolerant“ sind. 72,7 Prozent finden zudem, dass dies auf „den Vorrang von Individualinteressen vor sozialen oder kollektiven Interessen“ zurückzuführen ist. Gleichzeitig halten es immerhin 75 Prozent der Griechen für „sehr“ oder „ziemlich wahrscheinlich“, dass sie einen Korruptionsfall melden würden, wenn er ihnen bekannt würde.

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