piwik no script img

Korruptionsskandal in IsraelNetanjahu muss abtreten

Gastkommentar von Lior Soroka

Der israelische Premier Netanjahu sollte dringend befolgen, was er einst seinem Vorgänger Olmert riet: Rücktritt. Sonst bleibt die politische Stagnation.

Benjamin Netanjahu in der Knesset, Oktober 2019 Foto: Ronen Zvulun/reuters

B enjamin Netanjahu ist trotz der Anklage wegen Betrugs und Bestechung legal nicht verpflichtet, als Regierungschef zurückzutreten. Seine Posten als Minister für Gesundheit, Soziales, Landwirtschaft und Diaspora hingegen muss er räumen. Freiwillig als Regierungschef abzutreten, hat er allerdings nicht vor.

Als sein Vorgänger Ehud Olmert 2008 wegen ähnlicher Vorwürfe vor Gericht kam, klang Netanjahu noch ganz anders. „Ein Regierungschef, der tief in Untersuchungen hängt, hat kein moralisches und öffentliches Mandat, um über das Schicksal des Staates Israel zu entscheiden“, meinte er damals in einem Interview. Es bestünde „die reale Sorge, dass er Entscheidungen aus Eigeninteresse und für sein politisches Überleben trifft anstatt zum Wohl des Staates“.

Heute setzt Netanjahu seine scharfen Attacken gegen Polizei und Generalstaatsanwaltschaft auch nach der Anklageerhebung gegen ihn fort: „Wir sind Zeugen eines versuchten Staatsstreichs gegen den Regierungschef unter Vorgabe falscher Tatsachen und nach einem schmutzigen und voreingenommenen Untersuchungsprozess.“

Politisch stagniert Israel. Zwei Wahlen innerhalb nicht mal eines Jahres, eine dritte steht an. Die IT-Nation funktioniert ohne richtige Regierung, während die EU damit beschäftigt ist, Produkte aus den Siedlungen zu kennzeichnen und die USA einen Richtungswechsel in der Siedlungsfrage verkünden.

Lior Soroka

ist Journalist bei der israelischen Tageszeitung Haaretz und hospitiert aktuell bei der taz.

Der Punkt ist: All das bleibt irrelevant, solange es keine Regierung gibt. Netanjahu sollte also den Rat befolgen, den er selbst Olmert gab. Wer die Anklageschrift liest, muss von ihm sogar noch Schlimmeres befürchten als von seinem Vorgänger, denn sie beschreibt sehr genau, wie er seine eigenen Interessen vor das öffentliche Interesse stellte.

Netanjahu hat jedes Recht, das Gericht von seiner Unschuld zu überzeugen, doch er muss so schnell wie möglich abtreten, um eine Erneuerung des politischen Systems zu ermöglichen und weitere Neuwahlen zu verhindern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Der Mann ist derartig besoffen von seiner eigenen Macht und seiner eigenen Karriere, daß er natürlich nicht freiwillig zurücktreten wird. Seine Meinung wird u.a. dadurch gestützt, daß er ja immer wieder bei Wahlen gewonnen hat und klar ist, daß das Volk auch korrupte skandalträchtige Politiker wählt, solange sie versprechen die bösen Araber in Schach zu halten

  • 8G
    82286 (Profil gelöscht)

    „Wir sind Zeugen eines versuchten Staatsstreichs gegen den Regierungschef unter Vorgabe falscher Tatsachen und nach einem schmutzigen und voreingenommenen Untersuchungsprozess.“

    Ich muß daß schon mal irgenwo gelesen haben.