Korruptionsskandal bei der Fifa: „Schon lange auf der schwarzen Liste“
Südafrika und Australien haben Ermittlungen gegen die Fifa gestartet. Bei deutschen Banken ist der Verband nicht erst seit heute unten durch.
Der 79-jährige Blatter hatte am Dienstag wegen des jüngsten Korruptionsskandals seinen Rückzug von der Fifa-Spitze angekündigt. In den USA und der Schweiz laufen Ermittlungen, ob vor der Vergabe von Weltmeisterschaften Bestechungsgelder geflossen sind.
Südafrikanische Polizei untersucht Bestechungsvorwürfe
Die südafrikanische Polizei hat sich in die Bestechungsvorwürfe rund um die Vergabe der Fußball-WM 2010 eingeschaltet und will die Anschuldigungen der amerikanischen Justizbehörden näher untersuchen. Es müsse noch geprüft werden, ob von der Spezialeinheit Hawks offizielle Ermittlungen eingeleitet werden, berichtete der Nachrichtensender eNCA am Donnerstag. Erst nachdem die Ergebnisse der vorläufigen Untersuchungen vorlägen, könne entschieden werden, „ob es komplette formale Ermittlungen“ geben werde, sagte Hawks-Sprecher Hangwani Mulaudzi.
Die Regierung in Pretoria hatte nach Bekanntwerden des FIFA-Skandals in den vergangenen Tagen immer wieder dementiert, dass Bestechungsgelder geflossen seien. Sportminister Fikile Mbalula hatte erst am Mittwoch eingeräumt, dass zwar 2008 die Summe von zehn Millionen Dollar an die Konföderation von Nord- und Mittelamerika CONCACAF bezahlt worden sei. Jedoch sei das Geld für ein genehmigtes Projekt verwendet worden und keine Bestechung der FIFA gewesen, sagte er.
Auch australische Polizei ermittelt
Auch Australien hat Ermittlungen gestartet. Dabei gehe es um 500.000 Australische Dollar (knapp 350.000 Euro), die der Fußballverband des Landes vor der letztlich gescheiterten Bewerbung um die WM 2022 gezahlt habe, teilte die australische Polizei am Donnerstag mit. Das Geld soll der frühere Fifa-Vizepräsident Jack Warner aus Trinidad und Tobago als Chef des Regionalverbandes Concacaf erhalten und zweckentfremdet haben.
Warner, der zusammen mit 13 anderen Fußballfunktionären im Fokus von Ermittlungen der US-Justiz steht, kündigte in Trinidad an, schonungslos auszupacken. In einer im Fernsehen übertragenen Rede sagte er, er werde nicht länger Geheimnisse für sich behalten und eine Verbindung zwischen der Fifa und den Wahlen in seinem Land von 2010 nachweisen. Er habe Dokumente und Schecks, die Fifa-Vertreter, darunter auch Präsident Joseph Blatter, mit der Wahl in Trinidad und Tobago vor fünf Jahren in Verbindung bringen.
Bankenaufsicht in Hongkong greift ein
Der Fifa-Korruptionsskandal hat auch die Bankenaufsicht in Hongkong auf den Plan gerufen. Sie forderte am Donnerstag die Institute in der Stadt auf, schärfer gegen Geldwäsche vorzugehen. Einige Banken täten sich hier zum Teil noch schwer, die Erwartungen zu erfüllen, sagte der Leiter der Abteilung für Finanzverbrechen, Stewart Mcglynn. Seine Behörde werde nicht zögern, Maßnahmen zu ergreifen, wenn sie Versäumnisse entdecke.
Das US-Justizministerium hat im Zuge seiner Ermittlungen gegen hochrangige Funktionäre des Fußball-Weltverbands mehr als ein Dutzend Banken aufgeführt. Konkret findet eine Überweisung in Höhe von 1,2 Millionen Dollar auf ein Konto der Großbank HSBC in Hongkong Erwähnung. Später sollen eine Million Dollar von diesem Konto über Standard Chartered in New York an eine Bank auf den Cayman-Inseln geflossen sein.
Fifa ist auch bei deutschen Banken schon lange unten durch
Bevor Banken heute neue Kundenbeziehungen eingehen, prüfen ihre Controlling-Abteilungen genau, ob sie sich damit Probleme ins Haus holen könnten. Der Weltfußballverband Fifa ist für viele deutsche Geldhäuser deshalb bereits seit langem ein rotes Tuch, wie mehrere Banker der Nachrichtenagentur Reuters sagten.
„Die Fifa steht bei uns schon einige Zeit auf der schwarzen Liste, weil die Reputationsrisiken zu groß sind“, berichtet ein Mitarbeiter eines großen deutschen Geldhauses. „Wir wollen mit denen nicht gemeinsam in der Zeitung stehen“, heißt es auch bei einer anderen deutschen Bank. Die Gefahr für den eigenen Ruf sei größer als der mögliche Ertrag.
Durch die jüngsten Entwicklungen bei der Fifa fühlen sich viele Geldhäuser bestätigt. In der Anklageschrift der US-Ermittler finden sich die Namen diverser globaler Banken, über die verdächtige Geschäfte abgewickelt wurden. Deutsche Institute sucht man vergebens.
Banker führen das auch darauf zurück, dass es hierzulande immer wieder kritische Berichte über das Geschäftsgebaren der Fifa gegeben hat. Geschäfte mit dem Weltverband wären vor diesem Hintergrund zu brisant gewesen, sagte eine mit dem Thema vertraute Person. Außerdem sei es auch eine Lehre aus der Finanzkrise, dass Banken bei der Auswahl von Kunden gewissenhafter vorgehen müssten als in der Vergangenheit. „Das Thema hat an Bedeutung gewonnen.“
Die Fifa selbst gibt sich gelassen. Die Frage, ob der Verband Probleme habe, seine Bankgeschäfte abzuwickeln, verneinte Sprecherin Delia Fischer.
Europa hat die Vorschriften für Banken in diesem Bereich 2005 verschärft, um die „Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung“ zu verhindern, wie es in der entsprechenden EU-Richtlinie heißt.
Glücksspiel, Waffenhandel, Prositution
In anderen Regionen der Welt gibt es ähnliche Regeln, die unter dem Begriff „Know Your Customer“ (“Kenne Deinen Kunden“) – kurz KYC – bekannt sind. Sie verpflichten Institute, potenzielle Kunden und die Herkunft deren Gelder zu überprüfen. Gibt es den Verdacht, dass Geld gewaschen oder illegale Geschäfte abgewickelt werden sollen, muss die Bank den Kunden abweisen.
Grundsätzlich gebe es drei Kategorien von Namen, die auf schwarzen Listen landeten, sagte ein Banken-Insider. Ganz oben stehen demnach Unternehmen und Personen, gegen die Sanktionen verhängt wurden. Zur zweiten Kategorie zählen Firmen aus umstrittenen Branchen wie Glücksspiel, Waffenhandel oder Prostitution. Hinzu kommen Projektfinanzierungen, die bestimmte Umwelt- und Sozialstandards – die sogenannten Äquator-Prinzipien – nicht erfüllen. Das kann etwa beim Bau von Staudämmen oder Kohlekraftwerken in Naturschutzgebieten der Fall sein.
Der Umgang mit Kunden der dritten Kategorie – zu der auch die Fifa zählt – ist für die Finanzinstitute besonders schwer. Hier können sich die Banker nicht auf interne oder externe Vorschriften berufen, sondern müssen ihrem Bauchgefühl vertrauen.
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