piwik no script img

Korruptionsprozess gegen NetanjahuBibi muss ins Kreuzverhör

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu muss in einem seit Jahren laufenden Korruptionsverfahren vor Gericht aussagen. Der Prozess spaltet das Land.

Netanjahu (M), Ministerpräsident von Israel, wird in drei Fällen des Betrugs, der Untreue und der Bestechlichkeit beschuldigt Foto: Atef Safadi/epa pool/ap/dpa

Jerusalem taz | Benjamin Netanjahu mag keine kritischen Fragen. Der israelische Regierungschef gibt den Sendern in seinem Land kaum Interviews. Ab Dienstag aber muss er sich nach zahlreichen Aufschüben dem Verhör in einem seit Jahren laufenden Korruptionsprozess vor Gericht stellen. Im November hatten die Richter des Jerusalemer Bezirksgerichts den jüngsten Antrag auf eine weitere Verschiebung abgelehnt.

Die elf Mitglieder des Sicherheitskabinetts forderten am Sonntag angesichts der Entmachtung des syrischen Diktators Baschar al-Assad nochmals einen Aufschub. Laut dem Sender Kanal 12 kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung, während die Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara „politische Einmischung“ anprangerte.

Eine Mehrheit von 56 Prozent der Israelis befürworten laut einer Umfrage die Fortsetzung des Prozesses. Lediglich 29 Prozent sind dagegen. Mit Netanjahu wird am Dienstag erstmals in Israels Geschichte ein amtierender Ministerpräsident als Angeklagter befragt. Frühere Regierungschefs wie Ehud Olmert waren angesichts von Korruptionsverfahren zurückgetreten.

Netanjahu wird in drei Fällen des Betrugs, der Untreue und der Bestechlichkeit beschuldigt. Die Ermittlungen begannen im Jahr 2016. Im sogenannten Fall 1000 sollen er und seine Frau Sara Geschenke im Wert von 180.000 Euro für politische Gefallen erhalten haben. Die Fälle 2000 und 4000 betreffen Wettbewerbsvorteile für eine Tageszeitung und ein Kommunikationsunternehmen im Gegenzug für positive Berichterstattung. Die Höchststrafe für Bestechlichkeit liegt bei zehn Jahren Gefängnis. Über drei Jahre hatten die Ermittler rund 140 Zeugen berufen. Dem Gericht liegen tausende Beweisstücke vor.

Regieren trotz drei Verhandlungstagen pro Woche

Der Prozess birgt auch politische Sprengkraft. „Das Verfahren scheint eine große Auswirkung auf Netanjahus Politik zu haben“, sagt Barak Medina, Professor für Verfassungsrecht an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Erst mit dem Auftauchen der Vorwürfe habe dieser sich politisch zunehmend für eine Schwächung der israelischen Justiz eingesetzt. „Die Sorge vor einer Verurteilung treibt ihn an.“

Nach monatelangen Massenprotesten und dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 wurde die hochumstrittene Justizreform fürs Erste pausiert. „Jetzt hat die Regierung diese Anstrengungen wieder aufgenommen“, sagt Medina. Und: „Netanjahu hat heute eine ähnliche Position wie Donald Trump.“ Wer ihn unterstütze, werde sich auch durch Gerichtsurteile davon nicht abbringen lassen. Viele Netanjahu-Unterstützer sähen die Justiz als politisch von links kontrolliert.

Einen Vorgeschmack auf das nun kommende Kreuzverhör bot der im November erstmals gezeigte Dokumentarfilm „Bibi Files“. In erstmals veröffentlichten Videoaufnahmen der Polizeiverhöre sprechen Unternehmer ebenso wie frühere Hausangestellte der Netanjahus. Sie führen aus, wie die Übergabe von Geschenken wie Champagner und Zigarren im Wert von Zehntausenden Euro stattgefunden hat. Netanjahu selbst wechselt in den Aufnahmen zwischen Belehrungen, wütenden Ausbrüchen und Erinnerungslücken.

Wie Netanjahu während der Befragungen seinen Aufgaben als Regierungschef nachkommen kann, ist umstritten. Angesetzt sind drei Prozesstage pro Woche, voraussichtlich für mehrere Wochen in Folge. Auch hier spaltet der Regierungschef wie so oft sein Land: Knapp die Hälfte der Israelis glauben nicht, dass er während der Befragungen sein Amt wahrnehmen kann. Die andere Hälfte sieht darin kein Problem.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Dass dieser Gerichtsprozess mit Herrn Netanjahu wegen Bestechlichkeit stattfindet, ist selbstverständlich richtig. Der Zeitpunkt ist meiner Meinung nach allerdings falsch. Israel befindet sich im Krieg und da finde ich es wichtiger, dass die Regierung/das Kabinett uneingeschränkt arbeiten kann.

    • @*Sabine*:

      Das kann man dann auch so formulieren:



      Wenn irgendein Staatsmann Dreck am Stecken hat und juristische Konsequenzen befürchten muss, dann zettelt er einen Krieg an und ist für dessen Daueren von solch lästigem Kleinkram wie Gesetzestreue und Aufrichtigkeit befreit.



      Stimmt's??

    • @*Sabine*:

      Der Staatszerfall Syriens findet diese Woche statt, ebenso die Erneuerung. Jetzt der Prozess ist in meinen Augen auch falsch, Aufschub für 1-3 Monate hätte der Gerechtigkeit nicht geschadet und ein paar Termine jetzt wären ja auch legitim gewesen.

      Auf jeden Fall zeigt es, dass die israelische Justiz sehr stark ist.

      • @AlHozo Hoto:

        Noch mehr Aufschub?

        "Auf jeden Fall zeigt es, dass die israelische Justiz sehr stark ist."

        Nein. Sie pfeift auf dem vorletzten Loch. Wäre sie sehr stark, wäre das Verfahren bereits abgeschlossen.

  • Israel kann man wohl nicht mehr als die einzig funktionierende Demokratie des Nahen Ostens bezeichnen. Noch können solche Prozesse stattfinden. Noch. Die rechtsextremen bereiten sich jedoch schon längst vor und hadeln schon in dieser Richtung.