Korruption beim Biathlon: Jagdtrophäen aus Russland
Ein Bericht zum Biathlon-Weltverband unter Präsident Besseberg zeigt, wie sich eine Selbstbedienungsmentalität in Sportverbänden verfestigt.
Eine feine Sache ist es, wenn sich persönliche Vorlieben und Beruf so gut zusammenfügen lassen. Das erzählen Leistungssportler immer wieder gern. Dieser paradiesische Zustand endet aber nicht automatisch mit der Karriere. Als Sportfunktionär lassen sich die eigenen Neigungen häufig noch besser mit dem Beruf kombinieren.
Das ist keine Neuigkeit, aber so anschaulich wie auf den 220 Seiten, die eine unabhängige Untersuchungskommission am Donnerstag vorgelegt hat, lässt sich das selten nachlesen. Es geht um die Machenschaften des Norwegers Anders Besseberg, der 25 Jahre lang Präsident des Biathlon-Weltverbands (IBU) war, und um die Deutsche Nicole Resch, die als Generalsekretärin der IBU vor allem Besseberg diente.
Der heute 74-jährige Besseberg war in der internationalen Biathlon-Gemeinde sowohl als passionierter Jäger als auch als Schürzenjäger bekannt. Gelegenheit dazu wurde ihm vor allem von russischer Seite geboten. Wie der unter der Leitung des britischen Sportjuristen Jonathan Taylor entstandene Untersuchungsbericht festhält, ging Besseberg häufig in Russland auf teure Jagdreisen, die von seinen Gastgebern bezahlt wurden.
Gegenüber norwegischen Ermittlern habe er eingeräumt, dass diese Einladungen nur in Verbindung mit offiziellen IBU-Terminen und Weltcups erfolgten und er in seiner Funktion als IBU-Präsident daran teilnahm. Einige Jagdtrophäen, berichtete wiederum Generalsekretärin Nicole Resch, seien aus Russland ins IBU-Büro nach Salzburg geschickt worden. Besseberg habe sie sich von IBU-Mitarbeitern nach Norwegen bringen lassen.
Bessebergs Vorliebe für Uhren
Den Ermittlern erzähle Besseberg auch, er habe Dienstleistung von Prostituierten in Verbindung mit „Russian officials“ erhalten. Darüber hinaus berichtete der 74-Jährige von einer Freundschaft zu einer Frau, bei der es zu sexuellem Kontakt gekommen wäre. Er hätte sie bei einer Veranstaltung 2016 im Rahmen eines Weltcups im russischen Chanty-Mansijsk kennengelernt. Sie habe ihm gesagt, sie sei eine ehemalige Nachtclubtänzerin und ein großer Biathlon-Fan. Bei einem späteren Weltcup im russischen Tyumen sei diese Frau mit einer offiziellen Akkreditierung des örtlichen Organisationskomitees ausgestattet gewesen.
Eine Vorliebe Bessebergs für Uhren ist zudem aktenkundig. 13 Uhren, darunter neun Luxusmodelle, hat die norwegische Polizei in seinem Haus vorgefunden. Ein Exemplar im Wert von 20.000 Euro, gab er zu, habe er als „persönliches Geschenk“ 2011 in Chanty-Mansijsk anlässlich der 100. Vorstandssitzung der IBU und seines 65. Geburtstags erhalten. Aufgrund des Wertes, berichtete Besseberg, habe er das Geschenk ablehnen wollen. Sein Gegenüber habe aber darauf bestanden und entgegnet, als IBU-Präsident sollte er eine solche Uhr haben.
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Die beharrliche Großzügigkeit hat sich für die Russen durchaus gelohnt. „Anders Besseberg bevorzugte und schützte konsequent russische Interessen in praktisch allem, was er tat“, heißt es im Taylor-Bericht. Bemerkenswert loyal hielt er an seinem Vizepräsidenten Alexander Tichonow fest. Bestechungsvorwürfe gegen ihn ließ er nicht untersuchen und ebenso unbeachtet blieb ein russisches Gerichtsurteil, das Tichonow als einen der Hintermänner eines versuchten Mordanschlags auf den Gouverneur eines Verwaltungsbezirks überführte.
Besonders wertvoll dürfte für die Russen die Laxheit Bessebergs bei der Dopingbekämpfung gewesen sein. Die Untersuchungskommission hält ihm vor, er habe Sanktionen gegen Russland nicht durchgesetzt, Organisationen belogen und den Vorstand hintergangen.
Auch der Generalsekretärin Nicole Resch wird vorgeworfen, Hinweise auf „hochgradig abnorme Blutwerte“ ignoriert zu haben und für russische Athleten „verdeckte Hilfe“ bei Dopingvergehen geleistet zu haben. Dafür habe sie exklusive Weine und Essenseinladungen angenommen.
Wie selbstverständlich die Mitnahmementalität bei der IBU war, illustriert eine weitere Anekdote. Vor den Winterspielen 2010 in Vancouver bot der kanadische Biathlon-Verband im Wissen um die Leidenschaft von Besseberg eine Jagdreise an. Der Präsident erkundigte sich, ob die Kanadier das bezahlen würden. Als ihm erklärt wurde, dass er seine Kosten selbst tragen müsste, meldete sich Besseberg nicht an. Gut möglich, dass ihm die Russen damals ein Alternativangebot gemacht haben.
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