Korrespondentin kritisiert Lohnlücke: Zahlentricks bei der BBC
Der Sender will mit Statistiken den Vorwurf entkräften, er bezahle Frauen schlechter. Die Anwältin von Carrie Gracie lässt das nicht gelten.
Der britische Sender verteidigt sich gegen Vorwürfe seiner China-Redakteurin Gracie wegen ungleicher Bezahlung von Frauen und Männern. Gracie hatte am Sonntag ihre Stelle in Peking gekündigt, weil sie ein Drittel weniger verdiene als ihre männlichen Kollegen. Ihrem Arbeitgeber warf sie in einem offenen Brief vor, nichts gegen die Gender Pay Gap unter seinen Angestellten zu unternehmen.
Die BBC führte dagegen den Ungleichheitsquotienten der Gender Pay Gap (GPG) an. Dieser liege in Großbritannien nach offiziellen Statistiken insgesamt bei 18.1 Prozent, bei der BBC „nur“ bei 9 Prozent. Die Situation beim Sender sei also besser als bei vielen anderen Betrieben.
Der GPG-Quotient gibt an, wie viel Männer im Durchschnitt mehr verdienen als Frauen. Seit April vergangenen Jahres sind britische Unternehmen gesetzlich verpflichtet, Geschlechterverhältnisse bei den Gehältern offenzulegen.
Zahl mit zu wenig Aussagekraft
Gracie-Anwältin Millins verwirft den Verweis auf den GPG-Quotienten gegenüber der taz als viel zu grob, um damit individuelle Diskriminierung ausschließen zu können. Als Vergleich nennt sie die Luftfahrtgesellschaft Easyjet, bei der der Ungleichheitsquotient bei 45 Prozent liegt. „Das sieht auf den ersten Blick schrecklich aus, es bezieht sich jedoch auf die Tatsache, dass die meisten Piloten bei Easyjet männlich sind und die meisten Angestellten im Servicebereich Frauen“, so Millins. „Die Bezahlung ist bei Easyjet für jeden Posten aber die gleiche, egal ob Mann oder Frau.“
Solche Zahlen schlössen gerade diejenigen Frauen aus, die am meisten betroffen seien, sagt die Anwältin Millins. Jene Frauen also, die trotz Glasdecke höhere Posten erreichten und meist auch on air arbeiteten. Der offizielle GPG-Quotient dokumentiert ungleiche Bezahlung insgesamt, nicht aber den Unterschied bei Gehältern in vergleichbaren Positionen. Genau darum aber geht es der Korrespondentin Gracie.
Kolleg*innen solidarisieren sich
Millins erklärte weiter, dass Carrie Gracies Schritt als Ausdruck ihrer Frustration darüber zu verstehen sei, dass der interne Beschwerdemechanismus bisher nicht zur gesetzlich vorgeschriebene Gleichberechtigung geführt habe. Gracie hatte ein Angebot der BBC über eine Gehaltserhöhung ausgeschlagen. Sie will nun in die Londoner Redaktion wechseln und hofft dort auf Gleichbezahlung.
Nach Gracies Rücktritt am vergangenen Sonntag hatten viele Kolleg*innen in den sozialen Medien unter dem Hashtag #IstandwithCarrie („Ich bin auf Carries Seite“) solidarisiert. Einige, wie die BBC-Journalistin Naga Munchetty, twitterten eine Erklärung des Bündnisses „BBC Women“, dem 130 Journalistinnen angehören. Das Statement fordert, dass das Problem der Ungleichbehandlung im Fall von Gracie und dem gesamten Unternehmen gelöst wird. Die Rede ist von bis zu 200 Beschwerden von Frauen in verschiedensten Bereichen der BBC, sowie von 120 Fällen, die der britische Journalistenverband NUJ betreue.
Schon im Oktober 2017 war bekannt geworden, dass mindestens zehn hochrangige BBC-Mitarbeiterinnen rechtliche Klagen wegen Unterschieden in der Bezahlung bei Frauen und Männern eingereicht hätten.
Auch männliche Kollegen twitterten, darunter Evan Davies, ein bekannter Moderator der BBC-Fersehnachrichtensendung „Newsnight“. Trotz der breiten Unterstützung in den sozialen Medien wollte keiner der BBC-Mitarbeiter*innen auf direkte Anfrage weitere Angaben zum Thema machen.
Schon am Dienstag hat sich allerdings die britische Kommission für Gleichberechtigung und Menschenrechte eingeschaltet. Man habe sich mit der Bitte an die BBC gewendet, weiteren Ausführungen zu dem spezifischen Fall und der generellen Situation im Sender zu machen.
Der Labour-Abgeordnete Chris Bryant forderte indes, dass John Humphries, ein alteingesessener Moderator der BBC-Nachrichtensendung „Today“ und in dieser Woche pikanterweise Komoderator mit Gracie, sein jährliches Einkommen halbieren solle. Humphries verdient über 600.000 Pfund im Jahr (677.000 Euro). Carrie Gracies hatte die BBC 180.000 Pfund angeboten.
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