Korea-Konflikt: Nordkorea feuert 200 Granaten ab
Seoul spricht von einem „provokativen Akt“ und reagiert mit Warnschüssen. Die US-Regierung verurteilt russischen Einsatz nordkoreanischer Raketen gegen Ukraine.
„Das nordkoreanische Militär hat heute zwischen 09.00 und 11.00 Uhr (Ortszeit) mehr als 200 Schuss in den Gebieten von Jangsan-got im nördlichen Teil von Baengnyeong und den nördlichen Gebieten der Insel Yeonpyeong abgegeben“, sagte ein Vertreter des südkoreanischen Verteidigungsministeriums. Nordkorea müsse „diese Aktionen umgehend einstellen“, forderte das Ministerium in einer Erklärung und warnte, es werde mit „angemessenen“ Maßnahmen reagieren.
Zunächst sagten Vertreter der Insel Yeonpyeong der Nachrichtenagentur AFP, die Bewohner seien aufgefordert worden, sich in Sicherheit zu bringen. Es handele sich um eine „präventive Maßnahme“. Die Insel liegt zwölf Kilometer südlich der nordkoreanischen Küste. Kurz darauf sagte ein Behördenvertreter der Insel Baengnyeong, die Evakuierung werde „in diesem Moment bekannt gegeben“. Er sei darüber informiert worden, dass die südkoreanische Armee in Kürze eine Marineübung abhalten werde.
Zunahme der Spannungen
Experten zufolge ist es nicht ungewöhnlich, dass Nordkorea im Zuge seiner Wintermanöver Artillerie in dem Gebiet einsetzt. Der Unterschied zu früheren Jahren sei allerdings, dass Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un eine härtere Gangart gegenüber dem Süden angekündigt hat und den Nachbarn offiziell als Feind betrachtet. Die Möglichkeit einer Wiedervereinigung hatte Kim erst vergangene Woche ausgeschlossen.
Die faktische Seegrenze vor der Westküste der koreanischen Halbinsel wurde 1953 nach dem Korea-Krieg gezogen, für den es bis heute nur einen Waffenstillstand und keinen Friedensvertrag gibt. An der sogenannten Nördlichen Grenzlinie (NLL) gab es immer wieder Zusammenstöße zwischen Nord- und Südkorea. 2010 feuerte Nordkorea mehrere Dutzend Artilleriegeschosse auf die Insel Yeonpyeong knapp südlich der NLL. Zwei Soldaten und zwei Zivilisten starben.
Yeonpyeong hat etwas mehr als 2000 Einwohner und dort stationierte Soldaten. Die Insel liegt rund 120 Kilometer westlich von Seoul, die Fährfahrt dorthin dauert mehr als zweieinhalb Stunden. Die Fährverbindung wurde jetzt vorübergehend eingestellt.
Die Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea sind derzeit auf einem Tiefpunkt. Als Reaktion darauf haben Südkorea und die USA ihre Verteidigungszusammenarbeit verstärkt und gemeinsame Militärübungen abgehalten. Das letzte fünftägige Manöver von Truppen Südkoreas und der USA in Pocheon nördlich von Seoul ist erst am Donnerstag beendet worden.
Kim Jong Un fordert höhere Produktion von Raketenwerfern
Nordkoreanischen Staatsmedien zufolge hat Kim Jong Un zu einer Ausweitung der Produktion von Raketenwerfern aufgerufen – in Vorbereitung einer „militärischen Machtprobe“ mit Südkorea und den USA. Kims Aufruf erfolgte bei einem Fabrikbesuch, wie die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA am Freitag meldete.
Kurz zuvor hatte die US-Regierung mitgeteilt, Nordkorea habe kürzlich ballistische Raketen und Raketenwerfer an Russland geliefert, von denen einige bei jüngsten Angriffen auf die Ukraine eingesetzt worden seien.
Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus, John Kirby, sagte am Donnerstag, einige der Raketen und Raketenwerfer seien bei Angriffen am 30. Dezember und 2. Januar eingesetzt worden. Kirby nannte dies eine „bedeutsame und Besorgnis erregende Eskalation“ im Ukraine-Konflikt.
Die USA und ihre Verbündeten würden die Angelegenheit nun im UN-Sicherheitsrat ansprechen, so Kirby. Die nordkoreanischen Waffenlieferungen an Russland stellten eine Verletzung der gegen das ostasiatische Land verhängten UN-Sanktionen dar, betonte er.
USA sehen Verstoß gegen UN-Sanktionen
Laut Kirby wurde eine der nordkoreanischen Raketen am 30. Dezember auf die Südukraine abgefeuert. Das Geschoss sei in einem freien Feld in der Region Saporischschja gelandet. Am 2. Januar hätten die russischen Streitkräfte gleich „mehrere“ nordkoreanische Raketen bei massiven Luftangriffen eingesetzt.
Die USA hatten bereits in den vergangenen Monaten von nordkoreanischen Rüstungslieferungen an Russland berichtet. Im Oktober teilte Kirby mit, dass Nordkorea „mehr als 1000 Container“ mit militärischer Ausrüstung und Munition für den Krieg gegen die Ukraine geliefert habe. Im Gegenzug erwarte das international isolierte Nordkorea Rüstungs- und Technologielieferungen von Russland, sagte Kirby damals.
Kim Jong Un war im September mit Kreml-Chef Wladimir Putin im Fernen Osten Russlands zusammengetroffen. Russland verbraucht in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine riesige Mengen an Waffen und Munition und kommt Experten zufolge mit deren Produktion im eigenen Land nicht hinterher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers