piwik no script img

Kopftuchverbot bei Abercrombie & FitchJob ist keine „glaubensfreie Zone“

Samantha Elauf verklagte den Modehersteller Abercrombie & Fitch. Dieser wollte sie wegen ihres Kopftuchs nicht einstellen. Nun liegt der Fall beim Supreme Court.

Dass Samantha Elauf wegen ihres Kopftuchs nicht eingestellt wurde, hat Abercrombie & Fitch bestätigt. Bild: reuters

WASHINGTON kna | Samantha Elauf beeindruckte die Managerin des Kinderladens des Modeherstellers Abercrombie & Fitch. Die 17-Jährige schien eine ideale Besetzung für die offene Stelle in einer Shopping Mall von Tulsa im US-Bundesstaat Oklahoma zu sein. Nach Rücksprache mit einer Vorgesetzten änderte sie dann aber ihre Meinung. Der Grund? Die Muslima trug einen sogenannten Hidschab – ein Kopftuch, das gegen die Kleiderordnung der hippen Marke verstieß.

Abercrombie & Fitch bestreitet nicht, dass Elauf die Stelle wegen ihres Kopftuchs nicht erhielt. Trotzdem besteht das Unternehmen darauf, das junge Frau damit nicht diskriminiert zu haben. Genau um diese Frage geht es vor dem Supreme Court der USA, der am Mittwoch Argumente in dem Fall „EEOC v. Abercrombie & Fitch“ anhörte. EEOC steht für die US-Behörde Equal Employment Opportunity Commission, die über Diskriminierung in der Arbeitswelt wacht. Sie vertritt Elauf, seit diese Klage gegen den Modekonzern eingereicht hat.

Der Vorfall in Tulsa ereignete sich bereits 2008 und ging durch verschiedene Klageinstanzen bis vor den Supreme Court. In der ersten Instanz entschied ein Bundesgericht zu Gunsten Elaufs und sprach ihr 2011 eine Schadenersatzzahlung von 20.000 US-Dollar (Tageskurs 17.600 Euro) zu. Zwei Jahre später kassierte ein Berufungsgericht das Urteil und stellte sich auf die Seite des Unternehmens. Zur Begründung hieß es, Abercrombie & Fitch könne wegen seiner Kleidungsvorgaben keine Diskriminierung vorgeworfen werden.

Gerichtsbeobachter machten am Mittwoch in den Fragen der Verfassungsrichter eine Tendenz aus, die aus ihrer Sicht auf Sympathien für die Klägerin hindeuteten. Das Gesetz schreibe nicht vor, Leute zu schützen, die einfach nur eine Baseball-Kappe tragen wollten, erklärte etwa Richterin Ruth Bader Ginsburg bei der Anhörung, „aber es verlangt, religiöse Praktiken zu berücksichtigen“.

Religiöse Diskriminierung

Richterin Elena Kagan klopfte ihrerseits das Argument des Modeherstellers ab, demzufolge es nicht Aufgabe des Arbeitgebers sei, in „merkwürdige Gespräche“ über religiöse Praktiken der Bewerber einzutauchen. Die Richterin bewertete diese Aussage als bedenklich.

Daniel Mach von der US-amerikanischen Bürgerrechtsorganisation ACLU betonte nach der Anhörung, es sei offenkundig gewesen, „dass viele Mitglieder des Gerichts Sympathien für die Position der EEOC und Elaufs hatten“. Aus Sicht seiner Organisation handelt es sich „um einen klaren Fall religiöser Diskriminierung“.

So sehen es auch zahlreiche muslimische, christliche und jüdische Organisationen, die sich hinter die Klägerin stellen. Die Position des Modeherstellers hingegen findet Unterstützung von Wirtschaftsorganisationen, aber auch von Stadtregierungen und Bundesstaaten, die weitere Diskriminierungsklagen fürchten.

Eine Grundsatzentscheidung

Aus Sicht des Juristen Richard Garnett von der katholischen Notre Dame Universität in Indiana wäre es bedenklich, wenn die Richter dem Argument Abercrombie & Fitchs folgen würden. Dadurch würde unterstellt, dass Religion eine „rein private Angelegenheit“ und der Arbeitsplatz eine „glaubensfreie Zone“ sei, so Garnett.

Die inzwischen 24-jährige Klägerin erklärte nach der Anhörung, niemand habe ihr vor der Bewerbung bei Abercrombie & Fitch gesagt, sie brauche es gar nicht erst zu versuchen, weil sie ein Kopftuch trage. Zu erfahren, dass sie aufgrund ihres Hidschabs nicht eingestellt worden sei, habe sie schockiert. Mit ihrer Klage setze sie sich nicht nur für sich selbst ein, „sondern für alle, die auch während der Arbeit zu ihrem Glauben stehen wollen“.

Das Verfassungsgericht muss nun entscheiden, was schwerer wiegt: das Recht der Klägerin, ein Kopftuch zu tragen, ohne benachteiligt zu werden, oder das des Unternehmens, seine Produkte unter bestimmten Richtlinien anzubieten. Mit einer Entscheidung wird Ende Juni gerechnet. Während Abercrombie & Fitch vor Gericht versucht, die Klage Elaufs abzuwehren, hat der Modekonzern in der Geschäftspraxis bereits Konsequenzen gezogen: Die Kopftuch-Politik ist nicht mehr in Kraft.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Kleiderordnung und Dresscode gibt es in vielen Berufen, wenn jemand die Kleiderordnung einer Firma nicht gefällt braucht er sich nicht zu bewerben. Und so zu tun als wenn Sie nicht wüsste dass man dort mit Kopftuch hinterm Tresen nicht arbeiten darf, genauso wie mit Basecape, ist auch etwas kurios.

    Immer gleich etwas politisch-religiöses daraus zu machen ist ein Phänomen uns heutigen Zeit...,

    • @tomas:

      Wohl ehrr dre Versuch den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen.

       

      Die frömmelnden Spinner sind aber ganz einfach mit einer klaren Regelung zur Arbeitssicherheit und entsprechenden Sicherheitsanforderungen für die einzelnen Stellen zu sanktionieren. Schon beid der Regelanfrage dürften hierzulande genug Ablehnungsgründe nachwiesbar sein. Dürfte in USA nicht anders aussehen.

      • @KarlM:

        Weil bei Abercrombie & Fitch der Hidschab in eine schnellaufende Maschine geraten könnte, ersatzweise auf die Wurst in der Kühltheke fallen könnte?

        Im normalen Klamotteneinzelhandel dürfte es nahezu unmöglich sein, religiös motivierte Kleidungsbesonderheiten mit dem Argument "Arbeitssicherheit" zu erschlagen....