piwik no script img

Konzertempfehlungen für BerlinEin runder Geburtstag und viel Hunger

500 Jahre Musik stehen diese Woche auf dem Programm. Darunter sind Renaissance, heutige Klangskulpturen und eine sehr analoge Albumveröffentlichtung.

Jörg Hochapfel und Christoph Rothmeier haben und sind vor allem Hunger Foto: Kathrin Lemke

E in sehr rundes Jubiläum begehen die Tallis Scholars von Freitag an im Pierre Boulez Saal. Zum 500. Geburtstag des Komponisten Giovanni Pierluigi da Palestrina hat das auf Alte Musik spezialisierte englische Vokalensemble ein dreitägiges Programm zusammengestellt, in dem die Werke des berühmtesten Vertreters der Renaissance mit denen von wechselnden bedeutenden Zeitgenossen zusammen zu hören sind. Am Freitag ist dies Orlando di Lasso, am Sonnabend Tomás Luis de Victoria und zum Abschluss am Sonntag Claudio Monteverdi. Alles Meister der Polyphonie, die in der Lage waren, viele Stimmen elegant parallel fließen zu lassen.

Besonders bei Palestrina konnte man dabei sogar noch den liturgischen Texten seiner Chormusik sehr gut folgen, wie es von der katholischen Kirche damals erwünscht war. Palestrina und die Tallis Scholars sind unter Musikfreunden, egal ob mit oder ohne Kirchenmitgliedschaft, so beliebt, dass es nur noch wenige Restkarten an der Abendkasse geben wird. Einen Versuch ist es aber wert (Pierre Boulez Saal, 21. 11., 19.30 Uhr, 22. 11., 19 Uhr, 23. 11., 16 Uhr, je 10-55 Euro).

Am Sonnabend wird es ansonsten skulptural oder auch „skultural“. Der Bassist Nick Dunston veröffentlichte vor drei Jahren das Album „Skultura“, auf dem es neben Komposition und Improvisation insbesondere um Klangmanipulation geht. So „meißelte“ er aus den Aufnahmen, die er mit seinen Mitstreitern einspielte, durch vielfältigen Einsatz von Tontechnik das gewünschte Ergebnis heraus.

Aus der Besetzung der Platte ist inzwischen ein eigenes Projekt geworden, das jetzt im KM28 mit Dunston auftritt, bestehend aus der Sängerin Cansu Tanrıkulu, Keyboarderin Liz Kosack, dem Klarinettisten Eldar Tsalikov und am Schlagzeug Mariá Portugal, ergänzt durch Merve Salgar an der Laute Tanbur. Das Genre „Neue Improvisationsmusik“ gibt nur sehr unvollständig wieder, was einen bei diesem hybriden Spektakel erwartet (KM28, 22. 11., 20 Uhr, auf Spendenbasis).

Es weht ein Hauch von Anarchie

Dienstag kommt dann Hunger. So nennt sich das Duo von Christoph Rothmeier und Jörg Hochapfel, das sein aktuelles Album „Trikotin“ in der Galiläakirche vorstellt. Bei den Beiden ist es gar nicht so einfach zu benennen, was sie musizierend genau tun. Eigene Versuche lauteten schon mal auf „abstrakte Popstudien mit dadaistischem Einschlag“, doch haben die Multiinstrumentalisten mit Hauptbesetzung Schlagzeug (Rothmeier) und Tastbares (Hochapfel) ein viel umfangreicheres Vokabular zur Hand.

Ein Hauch von Anarchie weht stets durch die Sachen, die sie so anstellen. Ihr Album „Trikotin“ veröffentlichen sie jetzt andererseits in einer Form, die man klassisch nennen könnte, und zwar als 36-seitiges Notenheft. Gemeinsam mit dem fünfköpfigen Orchestre Harmonie de St. Tricotin interpretieren sie zur Feier des Ganzen dann diese Noten. Vermutlich eher weniger im klassischen Sinn(Galiläakirche, 25. 11., 20 Uhr, 15 Euro).

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Kulturredakteur
Jahrgang 1971, arbeitet in der Kulturredaktion der taz. Boehme studierte Philosophie in Hamburg, New York, Frankfurt und Düsseldorf. Sein Buch „Ethik und Genießen. Kant und Lacan“ erschien 2005.

0 Kommentare