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Konzertempfehlungen für BerlinKrieg als Oper

Die Deutsche Oper bringt Richard Wagner ins Nachrichtenformat, Philip Glass kommt in die Philharmonie. Eigenwillig wird es wieder bei Jazzexzess.

Echtzeit-Ring im Nachrichtenstudio: „Wagner Weltweit“ Foto: Juha Hansen

R ichard Wagner war ein Genie, aber eben auch ein Monster – findet Chilly Gonzales und setzt sich, unter anderem mit seinem Song „F*ck Wagner“ dafür ein, dass der unverhohlene Antisemit nicht mehr Namenspatron für Straßen und Alleen dieses Landes sein sollte.

Auch für die so genannte Truppe Wagner, gegründet von Neo-Nazi Jewgeni Prigoschin, der vor knapp zwei Jahren nach einem Putschversuch gegen Putin bei einem „Flugzeugabsturz“ ums Leben kam, diente der umstrittene Komponist als Namensgeber. Seine Söldner betrachten sich als Musiker, ihre Waffen als Instrumente und den Krieg als Oper.

Das Musiktheater-Kollektiv Sounding Situations geht von Freitag bis Sonntag in ihrer vielschichtigen Live-Komposition „Wagner Weltweit“ der Frage nach, was Richard Wagner mit diesen Söldnern verbindet. Versprochen wird bei der Performance an der Deutsche Oper nicht weniger als ein „Echtzeit-Ring der Nibelungen im Nachrichtenstudio“ (13.–15.6., 20 Uhr, 25, erm. 10 Euro).

Man darf gespannt sein. Auch darauf, in Sachen Ukraine anderes zu hören, als immer nur verstörende Nachrichten. Die Amerika-Gedenkbibliothek am Blücherplatz präsentiert bis Sonntag unter dem Motto „Sounds Of Resilience“ eine Veranstaltungsreihe mit Gegenwarts-Klängen aus dem geschundenen Land.

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Freitag nachmittag etwa gibt es „Ukranian Funk & Carpathian beats“, Samstag dann „Electronic Grooves“ und Sonntag sind die elektronischen Neunziger Jahren dran (tägl. bis 15.6., 15-17 Uhr, So 14-16 Uhr, Eintritt frei, alle Infos finden sich hier).

Von den Neunzigern ließ sich auch die kalifornische Musikerin Chrystia Cabral alias SPELLLING bei ihrem neuen Album „Portrait of My Heart“ inspirieren – allerdingsvon den Gitarrensounds. Nach Bedroom Pop („Mazy Fly“) und proggiger Seventies-Opulenz („The Turning Wheel“) sind bei der wandelbaren Exyperimental-Pop-Künstlerin nun die bratzigen Töne dran – die bei ihr jedoch geradezu elegant klingen. Zu erleben am Montag im Lido (16.6., 20 Uhr, Tickets im VVK 26,50 Euro, AK 28 Euro).

Ebenfalls am Montag kann man in der Philharmonie den gesammelten Klavieretüden von Philip Glass lauschen. Der New Yorker Komponist und Pionier der Minimal Music hat zehn besondere Pianist:innen, die sie interpretieren, selbst ausgewählt. Etwa die Französin Vanessa Wagner, die im Herbst mit „20 Piano Études by Philip Glass“ ein ganzes Album dazu herausbringen wird.

Die Stücke, die mal meditativ, dann wieder rhythmusgetrieben oder verspielt daherkommen, sind in den Jahren 1991 bis 2012 entstanden und gebündelt in zwei Bücher erschienen. Mit Teil 1, so erklärte der mittlerweile 88-jährige Komponist, wollte er übrigens sein eigenes Klavierspiel verbessern. Ein nicht gerade günstige, aber mit drei Stunden durchaus umfängliche und bestimmt eindrückliche Veranstaltung (16.6., 20 Uhr, Tickets im VVK 100-130 Euro, Rollstuhlfahrer 30 Euro).

Und überhaupt wird der Montag wohl so ein Abend, an dem man sich nicht entscheiden kann. Auch bei der Reihe Jazzexzess in der Kantine Berghain will man eigentlich sein, treten dort mal wieder Y-Otis, die Band um den toll eigenwilligen Jazztrompeter und -saxofonisten Otis Sandsjö auf. Und Bella Wakame, die ihr schön verspultes Debüt vorstellen (16.6., 21 Uhr, Tickets 17,17 im VVK).

Und dann findet an dem Abend auch noch der last ever Popsalon statt. Zum allerletzten Mal laden die Herren Balzer und Müller sich Gäste in die Bar des Deutschen Theaters, um über musikalische Sozialisationen, allerlei Subtexte von Musikvideo oder auch Architektur n zu reden. Und ihrer Kritikerpose auch immer wieder auf die Schippe zu nehmen. Ist natürlich längst ausverkauft.

Kommt nur mir das so vor oder geht derzeit besonders viel zu Ende?

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