Konzerte zum Jahresende: Heilung durch Musik
Chilly Gonzales mimt den Therapeuten, Taylor Mac feiert Weihnachten als Katastrophe und das Monster Ronson’s lädt zum digitalen Karaoke-Quiz.
O bwohl – oder vielleicht auch weil – Weihnachten in diesem Jahr ausfällt, oder zumindest ziemlich anders ablaufen wird: auch unter ironiefähigen Künstlern ist das Thema allgegenwärtig. Vielleicht ja, weil ein Jahr wie dieses Anlass bietet, sich zu fragen, was man wirklich von dem Fest will.
Der einstigeAnwärter auf den Job des „President of the Berlin Underground“, MisterChilly Gonzales gibt in seiner Show „ A Very Chilly Christmas“ gleich mal den Therapeuten und legt die Weihnachtsfrau auf die Couch. Heilung durch Musik heißt der Plan. Dabei zieht er tatsächlich alle Register – sogar eine Rap-Einlage gibt es. Unter Chilly Gonzales' vielen Talenten war diese Facette in den letzten Jahren ja ein bisschen ins Hintertreffen geraten.
Zu Gast sind zudem Jarvis Cocker und die immer wieder zauberhafte Feist. Ausgestrahlt wurde die Show bereits am Mittwoch bei Arte, sie ist aber weiter in der Mediathek verfügbar (bis 21. 1. oder auf www.chillygonzales.com).
Ebenfalls dringenden Therapiebedarf sieht der New Yorker Songwriter und Performancekünstler Taylor Mac. Der hat 2019 mit seinem unglaublichen Ritt durch 240 Jahre Musikgeschichte aus queerer Perspektive ja wirklich denkwürdige Abende im Haus der Berliner Festspiele gefeiert – mit dieser „24-Decade History of Popular Music“ war er gar für den Pulitzer-Preis nominiert. Jetzt lädt er zur virtuellen Vaudeville-Show „Holiday Sauce… Pandemic!“ (www.berlinerfestspiele.de, verfügbar bis 2. 1., Tickets ab 10 Dollar).
Weihnachten feiert er als Katastrophe – vor allem für queere Menschen, die, wie Mac schlüssig vorrechnet, sich im Kreis der Familie dieses Jahr besonders einsam fühlen dürften. Denn wenn höchstens zehn Menschen zusammen finden können – in Deutschland sind es ja nur fünf – und man, in Anlehnung an den Kinsey-Report, davon ausgehen darf, dass etwa zehn Prozent der Bevölkerung LGBTI sind, ist man zumindest in diesem Punkt im Kreise seiner Lieben wahrscheinlich tatsächlich allein. Ein guter Anlass für Taylor Mac, die Wahlfamilie hoch leben lassen.
Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.
Darauf ein Loblied singt auch Ron Rineck, Betreiber des Monster Ronson’s, der wohl besten Karaokebar der Stadt. Nein, der ganzen Welt!. Die wurde von der von Corona-Seuche noch heftiger gebeutelt als andere Bars, weil Singen und Aerosole... Sie wissen schon…
Damit man nicht vergisst, welche tolle Community diese Bar allen Sänger:innen und Zugucker:innen bietet, laden Rineck und Crew am Sonntag (27. 12.) um 19 Uhr bereits zum zweiten Mal zur „Pencil Me In“-Sause: einer kurzweiligen Mixtur aus Popquiz, Karaoke und Talkshow – was man sich weniger als Zoom-Party denn als ein lustig oldskooliges Fernsehformat vorstellen darf, bei der man zwischendurch sogar auf einer Festnetznummer (!) anrufen und mit dem Gastgeber plaudern kann. Alle Rampensäue, denen ihr Publikum fehlt, können vorab ein Video ihrer heimischen Karaokesession einsenden, unter monsterkaraokeparty@gmail.com.
Ausnahmsweise und feiertagsbedingt deckt diese Kolumne zwei Wochen ab, reicht also ins Neue Jahr, wo allerdings zum Auftakt noch weniger als in anderen Jahren los ist. Zum Glück laden dieBerliner Philharmoniker bei ihrem Silvesterkonzert zu ein bisschen Eskapismus Richtung Süden, echtes Reisen ist ja so furchtbar kompliziert geworden.
So ist neben da Heitor Villa-Lobos „Bachianas brasileiras Nr. 4“ unter anderem der Spanier Pablo Sáinz-Villega zu erleben – übrigens der erste Gitarrist, den die Philharmoniker in fast 40 Jahren eingeladen haben. Sáinz-Villega kann Flamenco ebenso wie Klassik. In Echtzeit wird das Konzert an Silvester ab 17. 30 Uhr bei rbbkultur übertragen, Arte strahlt die Aufzeichnung dann zeitversetzt ab 18.35 Uhr aus.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!