Konzert von Wolvennest und E-L-R: Selbst die Blumen sind tot

Im Berliner Privatclub beweisen Wolvennest und E-L-R, wie Teufelszeug, Hokuspokus und Brachialmusik heutzutage für Ruhe sorgen können.

Band auf Teppichen im Kerzenlicht

Irgendwo zwischen Konzert und Ritual: Auftritt von E-L-R im Kerzenlicht Foto: Ramon Lehmann/E-L-R

Auf den äußeren Schein soll man im Allgemeinen ja nicht viel geben. Dass in diesem speziellen Fall martialisch ausstaffierte Metalheads ganz knuffige Gestalten sind, zählt längst auch zur Allgemeinbildung. Es ist ein Klischee – und trotzdem oft wahr. Aber Knuffiges ist nun mal rar dieser Tage, und darum erwischt es einen dann doch kalt (beziehungsweise warm), wenn man es über die Kreuzberger Schlachtfelder des Nahost-Konflikts in den Privatclub geschafft hat, wo Wolvennest aus Belgien spielen.

Hier trägt man Schwarz. Jacken, Hosen und Gürteltaschen sind mit unleserlichen Band-Patches bestickt und die meisten haben finster bedruckte T-Shirts an: Pentagramme, Teufelsfratzen, Leichen – so was halt. Die Füße stehen still, dafür wippt man umso entschlossener mit dem Kopf und lächelt grimmig, weil es eben gut tut, wenn etwas dermaßen dicht dröhnt.

Ansagen und Klatschpausen zwischen den Songs bleiben die Ausnahme, dafür zieht sich der wogende Soundteppich umso bruchloser durch die Setlist und bis in den Körper. Metaphorische Textbrocken tun ihr Übriges und zum Schluss verdichtet sich das Ganze zu einem klebrigen Gelee aus Weltschmerz, Tod und Teufel: ein Ritual, das niemandem mehr erklärt werden muss, weil eh alle wissen, wie es geht.

Hintertür zur Hölle

Und ausgerechnet hier – an der Hintertür des Pandämoniums – stellt sich schließlich so was wie der erste „Endlich normale Leute“-Moment der ganzen Woche ein: inmitten wirklich großer Fragen von Selbstaufgabe bis Seelenbrand, die bei (Kerzen-)licht betrachtet, kein bisschen irrer sind als der weltanschauliche Politwahnsinn draußen vor der Tür.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Die Metalszene redet gemeinhin nicht gerne über Politik. Auch das ist eins jener wahren Klischees, über die sich sonst trefflich streiten lässt. Aber heute und angesichts der Weltlage wollen wir ihr den Gefallen mal tun.

Also Musik. Wolvennest gehören zur nochmal extra finsteren Sparte untergangsaffiner Rockmusik. Formal zwar irgendwo im Black Metal wurzelnd, machen sie es einem mit der Genrebestimmung gar nicht so leicht. Das gattungsübliche infernalische Kreischkrächzen kommt (fast) nicht vor, und auch die erwartbaren geschrabbelten Soundteppiche werden hier wie Gummi gedehnt, mit einer doomigen Ambiente-Note und psychedelischen Spielereien, die man fast Krautrock nennen könnte. Nur dass halt wer ’nen Schwarzweißfilter über das Panorama gezogen hat.

Vor allem Sängerin Sharon „Shazzula“ Schievers stiftet der Melange eine sphärische Grundstimmung: ungewöhnlich, aber doch sonderbar passgenau. „Atmospheric Sludge“ trägt man der Band gelegentlich als Etikett nach – aber wer damit was anfangen kann, dem oder der ist hier eh nicht mehr zu helfen.

Weiblich gelesene Metalheads

Apropos Sängerin: Supportact E-L-R aus der Schweiz hat mit Bassistin I.R. und Gitarristin S.M. gleich zwei Frauen, beziehungsweise weiblich gelesene Metalheads, auf der Bühne. Auch hier liegt Ritualismus in der Luft. Von der Decke baumelt ein Kranz getrockneter Pflanzen (ja, selbst die Blumen sind tot), mit denen es bestimmt irgendeine okkulte Bewandtnis hat, die mir nur leider gerade nicht einfallen will. Die Bässe treiben einen jedenfalls voran, auch wenn die Sache vielleicht ein bisschen zu selbstsicher ins Repetitive mäandert. Für zwei, drei Songs gelingt ihnen das außerordentlich gut – vielleicht sogar besser als dem Hauptact –, aber dann ist doch einen Tacken zu schnell zu klar, wo die Reise hingeht, um so richtig reinzukommen.

Andererseits: Was soll’s? Transzendenz ist bekanntlich ohnehin eher eine Sache der Breite als der geraden Linie. Und das Gesamtbild ist zumindest atmosphärisch dicht und wird von E-L-R auch hinreichend souverän runtergeknüppelt.

Wir ziehen uns trotzdem irgendwann an die Bar zurück, wo es immer noch laut genug ist und trotzdem der Abstand reicht zum Intifada-Wahnsinn draußen auf der Straße. Man kann das Eskapismus schimpfen und hätte wohl auch recht damit. Aber wir wollten heute ja eigentlich nicht mehr über Politik reden.

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Jahrgang 1982, schreibt aus dem Bremer Hinterland über Kultur und Gesellschaft mit Schwerpunkten auf Theater, Pop & schlechter Laune.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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