Konzert der Moving Targets in Bremen: Songs von damals

Die Moving Targets haben eine Musikrichtung geprägt, zu deren Hochzeiten die Band selbst schon wieder vergessen war. Heute sind sie wieder unterwegs.

Historisches Schwarzweiß-Foto von Punks 1984 in Hannover.

Lang her – aber was der 80er ist wirklich vorbei? Punks 1984 in Hannover Foto: Christine Pfund/dpa

BREMEN taz | Kurz vor dem Konzert steht ein Mann vor der „Lila Eule“ in Bremen und raucht eine Zigarette. Ein bisschen verloren sieht er aus, nachdenklich – vielleicht ist er aber auch nur ein bisschen verkatert. Ganz sicher aber wirkt er nicht wie jemand, der in einer Band spielt, die hätte Gott sein können. Ist er aber.

Der Mann heißt Kenny Chambers, und seine Band, die Moving Targets, war 1984 tatsächlich auf der legendären Compilation „Bands That Could Be God“ zu hören, die den Bostoner Hardcore-Untergrund porträtierte. Später am Abend wird Chambers mit dem Schlagzeuger Emilien Catalano und dem hyperaktiven Bassisten Yves Thibault auf der Bühne jede Menge alte Gefühle bei den Anwesenden antriggern.

Passend zum Ort, könnte man meinen: Der kleine Keller-Club im Bremer Szeneviertel Ostertor ist eng mit verschiedensten gegenkulturellen Bewegungen des vergangenen Jahrhunderts verknüpft: 1967 wiegelte Rudi Dutschke dort 250 Zu­hö­re­rIn­nen zum Aufstand auf, im Jahr darauf nahm Saxofonist Peter Brötzmann mit seinem Oktett am gleichen Ort das wegweisende Free-Jazz-Album „Machine Gun“ auf – brutale Musik für brutale Zeiten, wie Brötzmann damals sinngemäß erklärte, Vietnam im Sinn. Jazz, Punk und HipHop sind hier seit jeher zu Haus.

Die Rebellion der Moving Targets ist allerdings immer schon eine eher persönliche gewesen. Chambers, Sänger, Gitarrist und mittlerweile einziges überlebendes Gründungsmitglied der Band, erzählte einmal einer Musikzeitschrift, seine Mutter mache sich Sorgen, weil seine Songs so traurig klängen.

Doch eher traurig als wütend

Das mag bei einer Punkband auf den ersten Blick verwundern. Aber es wehte immer schon mehr als nur ein Hauch Melancholie durch die oft introspektiven Texte der gleichwohl knappen, schnellen Songs des Trios.

Nach ihrer Gründung Anfang der 80er Jahre verbanden die Moving Targets im Gefolge von Bands wie Hüsker Dü, Dinosaur Jr. und den Lemonheads lärmende Gitarren und rasantes Schlagzeug mit zartbitterer Melodik. Als dann mit den 90ern zumindest kommerziell die große Zeit für derlei Musik anbrach (Pixies, Nirvana …), verschwanden die Moving Targets bereits von der Bildfläche.

Erst 2018 kehrten sie zurück und entfachten auf einer ausgedehnten Europa-Tournee noch einmal den alten Zauber bei einem tendenziell ebenso alten Publikum neu. Noch bis Mitte Juni sind sie dieses Jahr in Europa unterwegs. Die Euphorie über das Wiederhören hat etwas nachgelassen, aber es reicht noch für mehr als wohlige Erinnerungen.

Auf dem Programm stehen neben vielen alten und ein paar neuen Songs auch Coverversionen von „Takin’ A Ride“ (The Replacements) und den Wipers, deren Außenseiterhymne „Youth of America“ auch in Bremen als beredte, geradezu trotzig wirkende Zugabe zu hören ist: Der treibende Song erzählt von verlorener Jugend in einem Land, in dem „die Reichen reicher werden und die Armen ärmer“ und wo es keinen Platz gibt, um den Zuständen zu entkommen … So viel Zeitgenossenschaft hat Punk dann eben doch noch.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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