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Konzeptpapier zu innerer SicherheitSPD-Chef für einen starken Staat

Sigmar Gabriel spricht sich unter anderem für mehr Videoüberwachung aus. Gleichzeitig ist er bemüht, sich von der CDU abzugrenzen.

Erklärt sein neues Sicherheitskonzept: Sigmar Gabriel in seiner Heimatstadt Goslar Foto: dpa

Berlin taz | Sigmar Gabriel hat die Sicherheit als „ursozialdemokratisches Thema“ entdeckt. Ein Dreivierteljahr vor der Bundestagswahl tritt der SPD-Vorsitzende für Gesetzesverschärfungen ein, bemüht sich aber auch um eine Abgrenzung von der Union.

„Zeit für mehr Sicherheit in Zeiten wachsender Unsicherheit“ heißt das Konzeptpapier, das Gabriel am Dienstag in seiner Heimatstadt Goslar präsentiert. Die SPD habe allen Grund, „mit großem Selbstbewusstsein“ nach Antworten auf die veränderte Sicherheitslage in Deutschland zu suchen, heißt es darin. Denn ihr Kernanliegen einer sozial sicheren und gerechteren Gesellschaft sei „ohne die Sicherheit der Menschen vor Kriminalität und Gewalt nicht zu erreichen“. Nur „sehr reiche Menschen“ könnten sich einen schwachen Staat leisten.

Gabriel sieht „gesetzlichen Handlungsbedarf“ – und räumt alte SPD-Positionen ab, hatte sich doch die Programmkommission der Partei noch im November für einen Einsatz von Videotechnik „im Rahmen bestehender Rechtsgrundlagen“ ausgesprochen.

Gabriel reicht das nicht mehr. Er fordert nun eine verstärkte Videoüberwachung öffentlicher Plätze. Denn es sei „für niemanden nachvollziehbar“, dass Videoüberwachung im privatwirtschaftlichen Bereich „jederzeit möglich ist, Polizeibehörden aber erhebliche Schwierigkeiten haben, entsprechende Maßnahmen im öffentlichen Raum umzusetzen“. Ebenso will Gabriel die Möglichkeiten, Abschiebehaft für „ausreisepflichtige Gefährder“ bis zu deren endgültiger Ausreise zu verhängen, rechtlich erweitern.

Auch Vorbeugung ist ein Thema

Als zentralen Unterschied zur Union benennt der SPD-Chef, dass diese „sich ausschließlich auf Gesetzesverschärfungen konzentrieren“ würde. Demgegenüber setzten die Sozialdemokraten auch auf Vorbeugung. So seien sie auch für eine „Zusammenarbeit mit Moscheegemeinden im Rahmen der Präventivarbeit“.

Ausdrücklich wendet sich Gabriel gegen „Scheinlösungen“, etwa die Unionsforderung nach Transitzonen. Damit ließen sich keine TerroristInnen aufhalten, da sich alle bisherigen Attentäter erst nach ihrer Einreise nach Europa radikalisiert hätten und rund 50 Prozent der „Gefährder“ sowieso die deutsche Staatsangehörigkeit hätten.

Auch von den Vorschlägen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), die Zuständigkeiten in der inneren Sicherheit auf den Bund zu konzentrieren, hält Gabriel wenig. „Wir müssen jetzt sagen, was wir tun wollen, und nicht erst große Behördenumstrukturierungen machen“, sagte er am Dienstag in Goslar.

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4 Kommentare

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  • Dieser Wahlkrampf wird so unendlich furchtbar.

     

    Die Grünen ziehen schon bei harmlosesten Debatten den Schwanz ein, sobald Kampfbegriffe wie political correctness fallen. SPD rückt nach rechts und links und das mit dem denkbar schlimmsten Kandidaten. Linkspartei - kein Kommentar nötig, siehe aktuelle Äußerungen von Wagenknecht. CSU macht Wahlkampf gegen sich selbst.

     

    Wollen wir die ganze Chose gleich abblasen? 4 Jahre Merkel + AfD stark in der Opposition, glaubt noch jemand an was anderes? Und vermutlich ist das tatsächlich das bestmögliche Ergebnis.

    • @Wombot:

      Für Sie vielleicht.

      Ich persönlich kann dieses Gejammer nicht ab. Sie sind der Wähler, wenn Sie AfD und CDU wählen wollen tun Sie dies. Aber hören Sie doch auch so zu tun als wären Sie dazu gezwungen worden.

      • @Chaosarah:

        Stimmt. Es gibt zwar in insgesamt 19 Staaten der Erde eine strafbewährte Pflicht zur Stimmabgabe - in Nordkorea beispielsweise, in der Türkei, in Luxemburg, in Liechtenstein oder Brasilien etwa -, aber in Deutschland muss niemand wählen, der nicht wählen will.

         

        Anders lautenden Gerüchten zufolge gab es übrigens nicht einmal in der DDR eine Wahlpflicht. Allerdings musste der, der wählen wollte (und einen gewissen, nicht immer sanften "Druck" in Richtung Stimmabgabe hat es da durchaus gegeben) auch in der DDR die Leute wählen, die zur Wahl gestanden haben. Und die haben viele Leute nicht unbedingt für sehr geeignet gehalten.

         

        In der Bundesrepublik von 2017 ist das nicht sehr viel anders. Das nur die gewählt werden dürfen, die es auf die Wahlzettel geschafft haben, meine ich. In sofern ist es schon recht ärgerlich, dass es so wenig Auswahl gibt. Gefühlt wollen doch alle unser Bestes. Im Augenblick scheint das die überwachungs- und strafgestützte Sicherheit öffentlicher Räume zu sein. Auch, wenn ziemlich viele Leute völlig andere Probleme haben.

         

        Ärgerlich ist das mit der (relativ) eingeschränkten Wahlfreiheit vor allem für die unter uns, die wissen, dass und warum die DDR nicht mehr existiert. Jammern? Nein, jammern hilft dagegen nicht. Aber haben Sie einen besseren Vorschlag? Gelesen hab ich keinen. Nicht wählen ist schließlich auch keine wirklich fetzige Idee. Schon wegen der AfD-Wähler nicht, die sicherlich ganz sicher (zu) wissen (glauben), wen oder was sie wählen müssen.

  • Die Vorschläge belegen für mich nur eines: Diese SPD wird mit der CDU weiter regieren und vielleicht ist das besser so. Aber diese Vorschläge stellen eine Aushölung von Freiheitsrechten dar und bewirken relativ wenig. Eigentlich sind das nur Nebelkerzen, die Gabriel braucht, um sich als kompetenten Kanzlerkandidaten zu präsentieren. Gerade die Anschläge von IS-Leuten sind mit normalen Methoden nicht vorhersehbar und schwer zu verhindern. Diese Vorschläge hier würden an dieser Gefahr gar nichts ändern.