piwik no script img

Konsum von Zuckerersatz IsoglucoseSüß, billig, ungesund

Ab Oktober hat Zucker in Europa eine neue Konkurrenz: billigen Isoglucosesirup. Doch der neue Ersatzstoff gilt als noch problematischer als Zucker.

Der Isoglucosesyrup wird den Haushaltzucker zunehmend verdrängen Foto: imago/Bildgehege

BERLIN taz | Die Lebensmittelindustrie liebt Zucker. Weil er für Geschmack sorgt, rührt sie ihn nicht nur in Schokolade, sondern auch in Fleischsalat, Joghurt, Tiefkühlpizza. Doch nun verdrängen ihn neue Ersatzstoffe – mit dem Argument, Saccharose, also der klassische Haushalts­zucker, mache dick und verursache Karies. Nur: Die neuen Substanzen sind oft nicht besser.

Vor einem warnt Udo Kienle, Agrarwissenschaftler an der Universtität Hohenheim, besonders: Isoglucose. „Dieser billige fructosehaltige Sirup aus Mais ist besonders schädlich, er macht fett.“ Trotzdem komme er nun „massenweise auf den europäischen Markt“.

Kienle forscht seit mehr als dreißig Jahren zu Süßungsmitteln. Derzeit produziere die Welt im Jahr rund 160 Millionen Tonnen Zucker im Jahr aus Zuckerrohr und Zuckerrüben, sagt er. Weltweit sei dieser Markt schätzungsweise 75 Milliarden Dollar schwer. Schlechte Ernten und schwankende Preise hätten den Produzenten zwar immer wieder zu schaffen gemacht. Bislang sei der Verbrauch aber Jahr für Jahr um bis zu 4 Prozent gestiegen. Denn die Weltbevölkerung wächst und eine aufstrebende Mittelschicht etwa in Chinas oder Afrikas Städten kurbelt den Absatz an.

Doch der Zucker ist in Verruf geraten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat erst Ende des vergangenen Jahres alle Regierungen der Welt aufgerufen, Steuern auf zuckrige Getränke zu erheben. Die gelten als besonders bedenklich, weil sie nicht nur viel Zucker enthalten, sondern auch nicht zu einem Sättigungsgefühl führen. So trinkt man sie – und die zusätzlichen Kalorien – einfach nebenbei.

In Deutschland ist eine solche Abgabe zwar nicht geplant. In Mexiko, wo die Bevölkerung massiv von Übergewicht betroffen ist, gibt es aber schon seit dem Jahr 2014 eine zehnprozentige Steuer auf zuckerhaltige Getränke. Der Umsatz der Produkte sank innerhalb eines Jahres um 12 Prozent. Auch Frankreich hat eine derartige, allerdings geringere Steuer.

Gleiche Süße, weniger Zucker?

Dieser billige fruc­tosehaltige Sirup ist besonders schädlich

Udo Kienle, Agrarwissenschaftler

Die Industrie arbeitet längst an ihren Rezepturen. Der größte Lebensmittelhersteller der Welt, Nestlé, hat von 2014 bis Ende 2016 weltweit „die Menge an zugesetztem Zucker um 39.000 Tonnen beziehungsweise 8 Prozent gemindert“, sagt eine Sprecherin. Die Forscher des Konzerns wollen einen Weg gefunden haben, die Struktur von Zucker so zu verändern, dass er sich schneller im Mund auflöst. Heißt: Für gleiche Süße soll weniger Zucker nötig sein. In jedem Fall setzen die Nahrungsmittelkonzerne aber auch auf süße Ersatzstoffe. Den meisten Verbrauchern sagen diese wenig. Auf der Zutatenliste stehen Aspartam, Erythrit oder Xylitol. Und Isoglucose.

Isoglucose ist bis zu 40 Prozent billiger als andere Süßungsmittel. Die bedeutendsten Produzenten sitzen in den USA. Die europaweit 300.000 Hersteller von Lebensmitteln und Getränken konnten den Isoglucosesirup bislang nur in kleinen Mengen einsetzen. Der Handel war zum Schutz der deutschen Rübenbauern stark beschränkt. Doch Brüssel hat den Zuckermarkt neu geregelt. Ab diesem Oktober darf der Sirup frei gehandelt werden.

„Experten, unter anderem der EU-Kommission, schätzen, dass bis zu 40 Prozent des verbrauchten Zuckers in Europa durch Isoglucose ersetzt werden“, sagt Wissenschaftler Kienle. Das gesundheitliche Risiko erklärt er so: Der flüssige Sirup enthalte einen hohen Fruchtzucker-, also Fructose­anteil, der anders als Saccharose in der Leber in Form von Fett gespeichert wird. Die Folge könne darum eine Fettleber sein. Zugleich werde die Insulinwirkung gehemmt, was Typ-2-Diabetes hervorrufen könne.

„Zucker versteckt sich hinter vielen Namen und ist für viele Verbraucher nicht erkennbar“, sagt Armin Valet, Experte für Lebensmittelkennzeichnung bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Das Problem: Hersteller müssen auf ihren verpackten Lebensmitteln zwar den Gesamtgehalt an Zucker angeben. Mischen sie aber klassischen Haushaltszucker mit anderen Süßmachern, müssen sie deren Anteil in der Nährwerttabelle nicht separat benennen. So bleibt unklar, wie viel Isoglucose im Produkt steckt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Themen #Zucker
Mehr zum Thema

29 Kommentare

 / 
  • Wie kann man einen Artikel über Isoglucose schreiben, ohne den Zusammenhang mit NAFTA (und anderen Freihandelsabkommen) zu beleuchten ?

     

    Bei Mexiko waren Sie schon auf der richtigen Spur, Frau Gersman:

     

    "2001 [...] belegte die mexikanische Regierung alle Produkte, die den gesundheitsschädlichen Maissirup Isoglucose enthielten, mit einer Strafsteuer. Der Zuckerersatz, der noch schneller dick machen soll als herkömmlicher Zucker, wurde in großem Stil von den USA eingeführt. Auf Grundlage des NAFTA-Abkommens aber konnten US-Unternehmen gegen das Verbot klagen. Sie bekamen Recht und Mexiko musste Entschädigung in Millionenhöhe zahlen. "

    (https://www.medico.de/rendite-vor-gesundheit-16541/)

  • Isoglucose ist ein Teufelszeug und noch schädlicher für Leber und Stoffwechsel als gewöhnlicher Zucker:

    http://www.evidero.de/schaedlicher-maissirup

    https://www.youtube.com/watch?v=sh4yooZpYLE

    https://www.zdf.de/nachrichten/zdf-morgenmagazin/isoglucose-100.html

     

    Übergewicht, Fettleber und Diabetes sind mit Isoglucose quasi vorprogrammiert!

  • Alles wird geregelt, vor allem die Ausnahmen. Die große Verarsche geht weiter, wie soll es auch anders sein.

  • Weder Saccharose noch Fructose sind ein Problem für unseren Körper. Da ist gar nichts ungesundes daran. Ist in jedem Stück Obst.

     

    Es gibt nur ein Problem, Leute ohne Selbstbeherrschung die literweise Limo trinken und sich nicht eingestehen wollen dass das Problem bei ihnen selber liegt.

    • @auswurftaste:

      Ähm, Fructose kann schon ein Problem der Verdauung verursachen, hatte mein Sohn.

      Da hilft Glucose sogar bei der Aufnahme.

       

      Im Körper ist es dann egal.

    • @auswurftaste:

      Absolut nichts verstanden

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @auswurftaste:

      ...kein Problem für unseren Körper?

      Noch nie was von Diabetes gehört?

      Bekommen Sie nicht vom "literweise Limo trinken". Da kann dann sogar der Fruchtzucker im Obst zum Problem für den Körper werden.

    • @auswurftaste:

      In der Natur gibt es keine reine Saccharose. Es handelt sich um ein Präparat, zu dessen Abbau der Körper u.a. Vitamin B benötigt. Damit wird Fabrikzucker zu einem "Vitamin-B-Räuber". Steht alles in "Zucker, Zucker" von Dr. Max Otto Bruker und den dort angegebenen Quellen. Ich weiß gar nicht, was Herr Kienle erforschen möchte, dieses Wissen ist 50 Jahre alt und nun auch endlich bei der WHO angekommen :)

      • @Genosse Rudolf Starosta:

        Ich bin keine Biochemikerin, doch meines Wissens ist die Synthese von Saccharose eine Biosynthese in der Pflanze. Lasse mich darin gern belehren.

        • @lions:

          Natürlich wird Saccharose in Pflanzen gebildet und die Saccharoseverbrauch läuft in der Pflanze oder dem Menschen auch genau gleich wieder ab. Völlig irrelevant mit welchen Begleitstoffen sie konsumiert wird.

          Alles andere ist esoterisches Geschwurbel.

  • Aus was wird denn diese Isoglucose hergestellt? Und ja, die Menschheit frisst sich zu Tode.

    • @Energiefuchs:

      Aus Mais,steht so auch im Artikel

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @Energiefuchs:

      ...Mais? Würde passen, in den USA wird viel Gen-Mais angebaut.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Zucker ist natürlich nicht gesund, aber die Zuckerdebatte führt am wahren Problem vorbei bzw. verschleiert es: dem vermehrten Konsum tierischer Nahrung, vor allem Fette.

     

    In China gab es vor 20 Jahren so gut wie keinen Diabetes. Heute übertrump(f)t das Land die USA mit seiner Diabetesrate.

     

    Der Reiskonsum in China ist seitdem zeitweise zurückgegangen, liegt aber heute ca. auf demselben Niveau wie 1990, der Zuckerkonsum hat sich zwar seit 1990 verdoppelt, aber auf einem geringen Niveau (von 6,2 kg/Person 1990 auf 12,5 kg/Person 2015; in der EU waren es 2015 ca. 38 kg, in Autralien ca. 60 kg, in den USA hat sich der Zuckerkonsum hingegen reduziert und liegt unter dem der EU, was der - steigenden - Diabetesrate in den USA allerdings keinen Abbrucht tut). Der Fleischkonsum ist hingegen von 12 kg/pro Kopf 1980 auf heute ca. 60 kg gestiegen. Milchprodukte sind ähnlich stark auf dem Vormarsch.

    • @849 (Profil gelöscht):

      "Zucker ist natürlich nicht gesund,....?

      Na, so böse hat´s die Natur nun auch nicht mit uns gemeint. Karotten sind auch ungesund!n Essen Sie mit einem mal 5 Kilo davon!

      Die Dosis macht das Gift, muss man in solchen und ähnlichen Debatten immer wieder mal einschieben.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @lions:

        Ich meinte isolierten Zucker, nicht jenen, der in naturbelassenen Pflanzen steckt. Der wird nämlich auch anders verstoffwechselt.

    • @849 (Profil gelöscht):

      Haben Sie neben Korrelation auch eine Kausalität? Seit 1990 ist auch die Nutzung von Mobilfunkgeräten in China stark gestiegen, vielleicht verursachen Iphones ja Diabetis?

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @Krähenauge:

        Haben Sie vielleich eine Kausalität für Lungenkrebs anzubieten? Das Rauchen!? Das ist auch nichts weiter als Korrelation und es hat sehr lange gedauert, bis sich diese als "Ursache" in den Hirnen der Menschen festgesetzt hat. Der Mensch will (angeblich) einfache Antworten und die Industrie, Werbung und Politik gibt ihm diese. Also genau wie bei dem ollen Spruch: Mundus vult decipi, ergo decipiatur.

        • @849 (Profil gelöscht):

          Ähm pardon aber es gibt über 2 Dutzend Studien die eine deutliche Kausalität von Teerkondensat aus Zigaretten zur Wahrscheinlichkeit von Lungenkarzinomen nachweisen, daher akzeptieren wir Rauchen auch als einen Risikofaktor, nicht weil ständig Korrelationen wiederholt wurden.

           

          Also entweder sie wissen nicht was der Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität ist, oder sie wollen schlicht ihre persönliche Abneigung gegen Fleischkonsum promoten.

          • 8G
            849 (Profil gelöscht)
            @Krähenauge:

            Wahrscheinlichkeit ist keine Kausalität. Ich denke, Sie wissen nicht, was Wissenschaft in diesem Feld ist. Wie wollen sie Kausalität in Verhaltensstudien beweisen? Wohl kaum, indem Sie Raucher im Reagenzglas züchten und ihnen ein Leben lang dasselbe zuführen und sie die identische Menge täglicher Zigaretten rauchen lassen? Sie sind auch in diesem Fall auf Korrelationen angewiesen, die in der These zu Assoziationen werden. Es hat etliche Jahrzehnte gedauert, bis die These von der Kanzeroginität von Tabakkonsum sich endlich durchgesetzt hat - und das ist gut so.

             

            Zudem ist die Rede von Korrelation sei keine Kausalität ein simples Totschlag"argument". Es geht Personen, die es anführen, in aller Regel darum, die Diskussion zu beenden und ihren Standpunkt, den sie dabei nicht einmal ausführen müssen, als den einzig wahren herauszustellen.

             

            Stattdessen wäre es bei diesem Thema zielführend, sich mal selbst (googlen kann dabei helfen) über die Korrelation von Zucker und Diabetes Gedanken zu machen. Ich bezweifle überhaupt nicht, dass Zucker ein Hauptübeltäter ist, aber er ist nicht allein. Der Fokus auf Zucker ist m.E. vor allem ein Ablenkungsmanöver vom Fettthema, dessen Problematik interessierte Kreise recht erfolgreich negieren, obwohl hierfür handfeste wissenschaftliche Ergebnisse fehlen.

             

            In D hinkt die Informationslage natürlich wieder einmal hinter jener der USA zurück. Schauen Sie mal, was Harvard zu dem Thema sagt: http://www.health.harvard.edu/blog/the-data-are-in-eat-right-avoid-diabetes-2017010510936

    • @849 (Profil gelöscht):

      Diabetes liegt am Zuckerkonsum.

      Bitte nicht ablenken.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @Hartz:

        Das ist ein Märchen. Diabetes liegt an tierischem Fett in Kombination mit Zucker. Ohne tierisches Fett, kein Diabetes, jedenfalls nicht, wenn wir über die Diabetes-Epidemie sprechen.

      • 8G
        81331 (Profil gelöscht)
        @Hartz:

        ...Diabetes kann auch vererbt werden.

        • @81331 (Profil gelöscht):

          Meinte Diabetes 2 ("Altersdiabetes").

          Auch bei Diabetes 1 (vererbt) ist Zuckerkonsum schädlich.

  • 3G
    33293 (Profil gelöscht)

    ... wie jetzt, sich darum nicht das Bundesgesundheitsminiterium kümmern müsste? Traumtänzer ich bin. Yoda

  • Kloppt der Zuckerindustrie endlich mal auf die Finger!

  • Dienstag in Arte um 20.15 Uhr kommt eine interessante Doku über Zucker.

    Zucker ist ungesund und schädlich. Das sollte stärker ins Bewusstsein rücken. Gemüse ist der Hit.

  • Die Krankenkassen können jetzt schon mal Konkurs anmelden. Die Insulinfälle werden sich vervielfachen. Aber mach ja nichts, die Industrie dankt.

    • @Richard Meier:

      Ach, keine Sorge! Die erhöhen schon rechtzeitig die Beiträge.