Konservatives Desaster in Bayern: CSU stürzt ab
Von wegen 50 Prozent plus X: Lediglich 43 Prozent konnte die CSU bei der Landtagswahl holen. Für die anstehenden Koalitionsverhandlungen bieten sich FDP und Freie Wähler an.
Es ist ein historisches Fiasko für die CSU: Nach verheerenden Stimmenverlusten muss die seit gut vier Jahrzehnten in Bayern allein regierende Partei künftig die Macht teilen. Die CSU sackte bei der Landtagswahl am Sonntag laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis auf 43,4 Prozent ab.
Bei der letzten Wahl vor fünf Jahren hatten sie noch 60,7 Prozent der Stimmen eingefahren. Das ist ein Verlust von 17,3 Prozent - der höchste Verlust, den seit 1950 eine Partei bei einer Landtagswahl eingefahren hat. Die CSU braucht damit erstmals seit 46 Jahren einen Koalitionspartner.
Die fulminant neu in den Landtag eingezogene FDP (mit plus 5,4 Prozentpunkten auf 8 Prozent) hat sich für den Fall einer CSU-Niederlage bereits angeboten. Auch die Freien Wähler, die erstmals in einen deutschen Landtag einziehen und dort gleich mit 10,2 Prozent (plus 6,2 Prozentpunkte) drittstärkste Fraktion werden, schließen eine Koalition mit der CSU nicht aus.
Wahlbeteiligung: 58,1% (+1,0)
CSU 43,4% (-17,3)
SPD 18,6% (- 1,0)
FW 10,2% (+ 6,2)
Grüne 9,4% (+ 1,7)
FDP 8,0% (+ 5,4)
LINKE 4,3% (--)
ödp 2,0% (+-0)
REP 1,4% (- 0,8)
NPD 1,2% (--)
BP 1,1% (+ 0,3)
Sitzverteilung im Landtag:
CSU: 92 (124), SPD: 39 (41), Grüne: 19 (15), Freie Wähler: 21, FDP: 16.
Der Landtag umfasst statt bisher 180 künftig 187 Mandate mit Überhang- und Ausgleichsmandaten.
Abkürzungen:
FW Freie Wähler Bayern
REP Die Republikaner
ödp Ökologisch-Demokratische Partei
BP Bayernpartei
NPD Nationaldemokratische Partei Deutschlands
Die zweistelligen Verluste stürzen die erst vor einem Jahr angetretene CSU-Spitze aus Parteichef Erwin Huber und Ministerpräsident Günther Beckstein in eine schwere Krise. CSU-Chef Huber sprach von einem "schwarzen Tag" für seine Partei, nahm jedoch Beckstein in Schutz: "In der CSU haben wir weiterhin Vertrauen in die Gestaltungskraft von Günther Beckstein."
Am Montag würden die Gremien über die Ergebnisse beraten. Beckstein selbst hat die Bildung einer Koalition angekündigt. "Ich stehe für eine Koalitionsregierung zur Verfügung", sagte Beckstein am Sonntagabend in München. "Die Verluste sind sind sehr viel höher, als wir erwartet hatten. Wir sind kalt erwischt worden", so sein erstes Fazit.
Die SPD konnte von dem Erdrutsch bei den Christsozialen nicht profitieren. Im Gegenteil: Spitzenkandidat Franz Maget verlor mit seiner Partei gegenüber der vorigen Landtagswahl noch einmal 1 Prozentpunkt - die SPD kam nur auf traurige 18,6 Prozent.
Die Grünen konnten deutlich zulegen und kamen auf 9,4 Prozent - also ein Plus von 1,7 Prozentpunkten. Neu in den bayerischen Landtag werden die Freien Wähler (10,2 Prozent) und die FDP (8,0 Prozent) einziehen. Die Linke schaffte es mit 4,3 Prozent nicht, in den bayerischen Landtag zu kommen.
SPD-Spitzenkandidat Franz Maget warb für eine Regierung jenseits der CSU. "Das ist ein historischer Tag", sagte er. Am Mittwoch werde er mit den Grünen über einen Neuanfang für Bayern beraten. Die FDP kündigte allerdings an, sie wolle kein Vier-Parteien-Bündnis gegen die CSU unterstützen.
FDP-Spitzenkandidat Zeil sagte: "Wir haben schon vorher gesagt, wenn uns die CSU zu Gesprächen einlädt, werden wir uns nicht entziehen."
Ein Jahr vor der Bundestagswahl belastet die Niederlage der CSU auch die Union um Kanzlerin Angela Merkel. Der Bundes-SPD mit ihrer neuen Spitze um den designierten Vorsitzenden Franz Müntefering und Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier verschafft das im Vergleich zu 2003 und zu den Umfragen stagnierende Ergebnis der bayerischen Genossen keinen Rückenwind.
Die Abstimmung galt als entscheidend für die politische Zukunft Becksteins und Hubers. Beckstein (64) hat angekündigt, bis zum Ende der Legislaturperiode 2013 regieren zu wollen. Huber (62) strebte 2009 ein Bundestagsmandat an, um seine bundespolitische Präsenz zu verstärken. Der Start des neuen Führungsduos Huber/Beckstein war durch die Milliarden-Belastungen bei der BayernLB, das Aus für den Transrapid, die Querelen um das Rauchverbot und den Dauerstreit um die Schulpolitik belastet worden.
Besonders interessant ist die Bayern-Wahl mit Blick auf die Bundesversammlung, die Ende Mai 2009 den Bundespräsidenten wählt. Der Rückgang der CSU-Stimmenzahl dort wird nun wohl weitgehend durch den Erfolg der FDP und der eher konservativen Freien Wähler kompensiert. Eine knappe Mehrheit für Amtsinhaber Horst Köhler in der Bundesversammlung ist angesichts unveränderter Lager in Bayern immer noch in Reichweite. Weitere Landtagswahlen finden bis Mai nicht statt.
Bundespolitisch galt die Bayern-Wahl als Stimmungstest für die große Koalition aus CDU/CSU und SPD mit Blick auf 2009. Die massiven CSU-Verluste schwächen nun auch die Union insgesamt. 2005 hatte die CSU mit ihrem Bundestagswahl-Ergebnis von 49,2 Prozent der Union einen knappen Vorsprung vor der SPD beschert - ohne die Christsozialen wäre Merkel nicht Kanzlerin geworden.
Ein neuerliches Schwächeln der CSU im kommenden Jahr würde die angestrebte schwarz-gelbe Koalition in Frage stellen. Die neue SPD-Führung um Müntefering und Steinmeier strebt 2009 ein rot-grünes Bündnis oder eine "Ampelkoalition" unter Einschluss der FDP an. (mit dpa, ap)
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