Parteienforscher Walter über CSU-Niederlage: "Jetzt werden die Messer gezückt"

Der Parteienforscher Franz Walter ist gar nicht so überrascht vom Absturz der CSU. Die Ursachen der Wahlniederlage sieht er grundsätzlich im Wegbrechen traditioneller Strukturen.

Kann sein, dass Beckstein erst nach einer Übergangsfrist abserviert wird, glaubt Walter.

taz: Herr Walter, die CSU hat in der Landtagswahl einen dramatischen Absturz erlebt. Ist ihr Mythos in Bayern zerstört?

Franz Walter: Der Absturz überrascht mich keineswegs, der Erosionsprozess der CSU hat doch schon vor zehn Jahren angefangen. 1998 und vor drei Jahren hat die CSU bei den Bundestagswahlen weniger als 50 Prozent erzielt. Das wurde nur bislang ignoriert. Mit der Bayern-Wahl ist das nun markant geworden.

Welche Konsequenzen wird das für das Führungsduo aus dem CSU-Parteichef Erwin Huber und Ministerpräsident Günther Beckstein haben?

Bei der CSU werden jetzt die Messer gezückt, es wird ein Hauen und Stechen geben. Der CSU-Chef Huber wird es sehr schwer haben, weil sein Rivale Horst Seehofer schon im Hintergrund mit dem Dolch lauert. Bei Ministerpräsident Beckstein dagegen drängen sich nicht so viele Nachfolger auf, es kann sein, dass er erst nach einer Übergangszeit abserviert wird.

Wird das der CSU weiterhelfen?

Wohl kaum, denn was derzeit in der Parteienlandschaft passiert, ist nicht durch den Wechsel von Spitzenpersonal zu bewältigen. Da brechen Beziehungen und Strukturen an der Basis weg, das ist das Problem.

Wie wird sich das Versagen der CSU auf die Bundespolitik auswirken?

Das Ergebnis in Bayern ist eine hochgefährliche Sache für die Union. In den letzten drei Bundestagswahlen lag die CDU schon stets unter 30 Prozent, nur wegen der Ergebnisse der CSU standen sie über 35 Prozent auf Bundesebene da. Jetzt ist ihr Standbein im Süden weggebrochen.

Die SPD freut sich über die Verluste der Christsozialen, ihr eigenes Ergebnis ist allerdings ähnlich schwach wie bei der letzten Landtagswahl. Der Austausch ihrer Führungsspitze macht sich nicht bemerkbar. Wo ist der Steinmeier-Münte-Effekt?

Hier sieht man, wie stabil die Lager doch sind - trotz der viel diskutierten Personalien. Es gab viel Wut über die CSU in Bayern. Es ist aber kein CSU-Wähler zur Gegenseite gewechselt - es sind nur viele zur FDP oder den Freien Wählern gegangen.

Angesichts eines solchen Überlaufens - wie bewerten Sie das Phänomen der Freien Wähler jenseits der klassischen Parteien?

Die Freien Wähler sind ja keine Sozialisten, sondern in Reinkultur bürgerlich und setzen auf Themen wie Religion, Familie und Landwirtschaft. Sie wurden gewählt von denjenigen, die in den letzten Wochen laut Umfragen am sauersten waren: Selbstständige, Freiberufler und Akademiker. Sie sind mit den langjährigen politischen Monopolisten aus der CSU nicht mehr zufrieden.

Profitiert die FDP, die seit 14 Jahren nicht mehr im bayerischen Landtag saß, nun vom gleichen Frust?

Im Prinzip ja, schon seit Jahren leben sie bundesweit von der Unzufriedenheit mit der CDU. Die Union ist vielen bürgerlichen Wählern zu träge, zu langsam, die FDP spitzt aggressiver zu. Und Guido Westerwelle mit seinen vielen Auftritten in Bayern kam da gerade recht. Die FDP wird immer mehr zu einer starken Ventilpartei für primäre Wähler der C-Parteien.

Erstaunlicherweise hat im konservativen Bayern auch die Linkspartei, die 2003 noch eine Nullnummer war, nun aufgeholt. Sind die Linken endgültig im Westen angekommen?

Sie sind ja inzwischen seit einiger Zeit angekommen. Sie haben in Bayern Wahlkampf ohne Gesichter gemacht und unoriginelle Plakate aufgehängt. Dass sie in einem Bundesland ohne starke Gewerkschaften oder eine linke Kultur dennoch zugelegt haben, zeigt, dass sie ein wichtiger Faktor sind. Aber Vorsicht, der Expansionsprozess ist schon ziemlich nah an der Grenze - die Bäume der Linken wachsen nicht in den Himmel.

INTERVIEW: NICOLE JANZ

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