Kommentar CSU-Wahl: Bayern wird normal
Das Führungsduo aus dem blassen Huber und dem glamourfreien Beckstein führt die CSU ins Wahldesaster. Vielerorts bedienen die Freien Wähler ihre Stammklientel.
B ayern ist endlich normal geworden. Das ist die zentrale Botschaft der dramatischen CSU-Verluste. Allein mit Folklore lässt sich keine Politik mehr machen; ein "Ozapft is" im Bierzelt reicht nicht länger für den Sieg. "Bayern ist etwas Besonderes", lautete der CSU-Slogan. So kann man sich täuschen. Die Zeiten einer Staatspartei sind selbst in Bayern vorbei.
Ulrike Herrmann ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.
Noch vor kurzem schien es undenkbar, dass die CSU ihre absolute Mehrheit verlieren könnte. Da wirkt es nahe liegend, dem neuen Führungsduo Erwin Huber und Günther Beckstein alle Schuld zuzuschieben. Zumal ja wahr ist, dass sie beide eher deplatziert wirkten: Beckstein war zwar volksnah, aber eben auch ohne jeden Glamour, und Huber blieb der blasse Apparatschik. Hinzu kam das fatale Erbe von Edmund Stoiber, der es zielgenau geschafft hatte, so ziemlich jede treue CSU-Wählergruppe gegen sich aufzubringen - von den Eltern über die Raucher bis zu den Förstern. Also haben sich viele Anhänger für die Freien Wähler entschieden. Fest verankert in vielen Gemeinderäten wirkt diese Truppe inzwischen wie die eigentliche CSU: heimatverbunden und pragmatisch.
Doch jenseits des Personellen zeigen sich bei dieser bayerischen Wahl strukturelle Phänomene, die auch nördlich des Weißwurstäquators von Bedeutung sind. So ist zunächst einmal zu konstatieren, dass die SPD nicht von den CSU-Verlusten profitieren konnte. Das neue Führungsduo Steinmeier und Müntefering scheint vor Ort nicht zu überzeugen. Das ist ein Desaster für die Sozialdemokraten.
Die Berufsoptimisten in der Berliner SPD-Zentrale werden natürlich abwiegeln und zu dem stets beliebten Argument greifen, dass eine Landtagswahl ja keine Bundestagswahl sei. Sehr wahr. Doch gibt ein zweites Phänomen zu denken: Auch die Grünen haben kaum profitiert. Stattdessen sind fast alle enttäuschten CSU-Anhänger zur FDP oder zu den Freien Wählern abgewandert. Die Lager sind also stabil. Es gibt kaum einen Austausch zwischen den bürgerlichen Wählern und den Anhängern von Rot-Rot-Grün. Das gilt seit 1998 übrigens auch für den Bund. Die Aussichten der SPD sind gering, der CDU bei der nächsten Bundestagswahl Stimmen abzujagen.
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