Konkurrenz für Instagram: Die Wahrheit über „Vero“
Vero möchte das neue Instagram werden. Aber ohne Werbung und ohne selektierende Algorithmen – „true social“. So „true“ ist das gar nicht.
„Wahrheit“ verspricht der lateinische Name des neuen sozialen Netzwerks „Vero“. Wahrheit im Zeitalter der bösen Algorithmen, die an Trump und dem Brexit schuld sein sollen – oder wahlweise daran, dass einem ständig die Ex-Beziehung in die Timeline gespült wird. Vero möchte anders sein: ohne Werbung und infolgedessen ohne Werbekunden, die ein Interesse an der bestmöglichen Platzierung ihrer Reklame haben. Damit seien dann auch die selektierenden Algorithmen überflüssig. „True social“, echt sozial, soll das Onlineerlebnis dadurch (wieder) werden.
Ihre ambitionierten Ziele haben die Entwickler von Vero in einem kämpferischen Manifest festgehalten: „Sie versprachen uns ständiges Verbundensein und Mittel, um mit Freunden in Kontakt zu bleiben und zu teilen, was in unserem Leben passiert“, heißt es dort. Doch dann: „Nach einiger Zeit entstand ein Ungleichgewicht zwischen den Interessen der Plattformen und den Interessen der Nutzer.“ Nun soll jeder selbst bestimmen, wer was sieht, und damit zurückerlangen, was ihnen genommen wurde – ein authentisches Social-Media-Erlebnis.
Mit dieser Idee existiert Vero bereits seit 2015, erfährt aber erst seit einigen Tagen einen kräftigen Hype. Innerhalb kürzester Zeit haben sich auf der Plattform so viele Menschen angemeldet, dass Gerüchte laut wurden, das Unternehmen hätte Influencer für die PR bezahlt. In der Tat wäre Vero das Paradies für jene, die mit ihren Beiträgen dann tatsächlich alle ihre Follower erreichen würden – und nicht nur jene, die der Algorithmus auswählt.
Aber woher kommt dann das Geld? Keine Angst: Für den Vorschuss ist zunächst gesorgt. Der CEO der Plattform, Ayman Hariri, ein Milliardär libanesischer Herkunft, machte jüngst mit Saudi Oger Schlagzeilen, einer saudischen Baufirma in den Händen seiner schwerreichen Familie. Die Nachrichtenagentur Reuters meldete 2016, dass Saudi Oger etwa 2.000 pakistanische Gastarbeiter nicht ausreichend bezahlte und in mangelhaften Arbeits- und Lebensbedingungen zurückließ, als das Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet. Hariris auf über eine Milliarde US-Dollar geschätztes Privatvermögen schien nicht ausgereicht zu haben, um denjenigen, die für das saudische Königshaus Paläste und Universitäten aus dem Boden stampften, angemessene Löhne zu zahlen.
Gratis für die erste Million
Gemeinnützig ist Vero übrigens nicht. Nur die erste Million registrierter Nutzer sollte einen lebenslang kostenfreien Zutritt bekommen. Clever: Viele Social-Media-Enthusiasten wollten sich den Gratiszugang schnell sichern. Die Million war am Mittwoch erreicht. Doch in den letzten Tagen kam es dann immer wieder zu technischen Problemen: Bilder ließen sich nicht hochladen, Anmeldungen schlugen fehl – angeblich wegen Überlastung der Server. Als Entschuldigung dafür bleibt der Gratiszugang auf unbestimmte Zeit bestehen. Doch die Preise für die App sollen „schon bald“ bekannt gegeben werden.
Vero erlaubt keine einfache Löschung des Kontos. Die Nutzer dürfen eine Anfrage stellen, in der sie begründen müssen, warum sie das Netzwerk verlassen möchten. Während diese Anfrage – irgendwann, vielleicht – bearbeitet wird, speichert Vero schon mal vorausschauend alle geteilten Inhalte und behält sich sämtliche Rechte vor. In den Nutzungsbedingungen heißt es dazu, dass jeglicher geteilte Inhalt unbefristet und weltweit für Vero auf jede erdenkliche Art und Weise nutzbar bleiben soll. Das haben viele Neunutzer, die schnell dabei sein wollten, wohl eher nicht gelesen.
Wollte Vero nicht alles anders machen – gut sein, wahrhaftig, echt? Bei einem näheren Blick zeigt sich, dass die Interessen der Nutzer nur oberflächlich eine Rolle spielen und das Interesse der Plattform langfristig im Vordergrund steht. Knapp eine Woche nach dem Hype wäre es Zeit für den Abgesang. Echt jetzt.
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