Konkurrenz auf dem Streamingmarkt: Apple macht auf Netflix
Im Herbst will Apple einen eigenen Streamingdienst starten. Damit wird der Kampf um die Marktführerschaft auf ein neues Level gehoben.
Die ganz große Euphorie wollte nicht aufkommen, als Apple-Chef Tim Cook am Montag nach fast zwei Stunden die gewohnt sakrale Produktpräsentation seines Konzerns im kalifornischen Cupertino mit den Worten „What a fun morning“ für beendet erklärte. Dabei hatten Medienvertreter im Steve-Jobs- Theater und die Zuschauer des Livestreams gerade die größte Stardichte bewundern können, die das Technologie-Unternehmen jemals für einen solchen Anlass auf die Bühne gebracht hat. Regisseur Steven Spielberg, die Schauspielerinnen Reese Witherspoon und Jennifer Aniston und Talkshow-Moderatorin Oprah Winfrey: Sie alle waren Teil einer Inszenierung, die den nächsten großen Schritt der Unternehmensgeschichte angekündigte. Mit dem Service „Apple TV+“ will man ab Herbst einen eigenen Streamingdienst für selbst produzierte Filme und Serien starten und visiert damit wohl an, den bisherigen Marktführer Netflix vom Thron zu stoßen.
Branche und Aktionäre reagierten verhalten. Denn der Plan des Konzerns, in das Videostreaminggeschäft einzusteigen, gilt seit Jahren als offenes Geheimnis. Und auch die vorgestellten Eigenproduktionen, wie Spielbergs Neuauflage der Mystery-Serie „Amazing Stories“, sind längst bekannt. Lediglich die Zusammenarbeit mit der Talk-Ikone Oprah Winfrey ist ein Coup, den man sich dramaturgisch geschickt bis zum Ende aufgehoben hatte.
Essentielle Aussagen darüber, wie viel der neue Streamingservice die Kunden kosten wird, wie das Angebot konkret aussehen soll, sowie wann und in welchen der 100 angekündigten Ländern es außerhalb der USA überall zu sehen sein wird, blieb Cook schuldig.
Dass der Einstieg von Apple in den Video-Streamingmarkt mit einem Paradigmenwechsel des Unternehmens einhergeht, der neben der Hardware-Produktion in Zukunft auf digitale Services setzt, hatte man im Rahmen der Präsentation zuvor bereits untermauert. Über die Flatrate „News+“ sollen in den USA und Kanada zukünftig monatlich über 300 Magazine und Artikel aus Tageszeitungen wie The Los Angeles Times und Wall Street Journal zum Preis von 9,99 Dollar abrufbar sein. Eine ähnliche Flatrate soll es mit „Apple Arcade“ für kostenpflichtige Games geben und mit der „Apple Card“ wird man eine digitale Kreditkarte anbieten.
Youtube zieht sich zurück
Doch der Markt für Subscription-Video-On-Demand-Angebote (SVoD), also kostenpflichtig abonnierbare Streamingservices, ist bereits jetzt hart umkämpft. Neben den beiden derzeit größten Anbietern Netflix und Amazon Prime Video operieren in den USA Plattformen wie Hulu und in Deutschland Maxdome oder Magenta TV nach einem ähnlichen Prinzip. Auch immer mehr Fernsehsender erweitern ihr Angebot und starten Portale mit exklusiven Inhalten, wie CBS in Nordamerika oder hierzulande RTL.
Dass die Agentur Bloomberg ausgerechnet am Tag der Apple-Präsentation berichtete, die zu Google gehörende Video-Plattform YouTube habe sich von geplanten Produktionen teurer High-End-Serien zurückgezogen, wird als Beleg für die schwierigen wirtschaftlichen Aussichten auf diesem Markt bewertet. Denn neben Apple stehen auch die Unterhaltungsriesen Disney und Warner vor dem globalen Start eigener SVoD-Portale, um Netflix zu attackieren, die derzeit weltweit 140 Millionen Nutzer haben.
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Vor allem der Einstieg von Disney wird in der Branche gefürchtet. Dort hatte man in der Woche zuvor noch die Übernahme großer Teile des Konkurrenten 21st Century Fox für 71,3 Milliarden Dollar besiegelt. Damit wechseln sowohl das Filmstudio 20th Century Fox, eine Reihe von Fox-Fernsehsendern als auch Hulu den Besitzer. Die quasi Monopolstellung, die Disney dadurch zukünftig im SVoD-Geschäft besitzen wird, dürfte die Machtverhältnisse erschüttern. So wird gemutmaßt, dass zukünftig nicht nur alle klassischen Disneyproduktionen exklusiv dort zu sehen sein werden, sondern beispielsweise auch dazu gehörende Kino-Frenchises von Marvel, die „Star Wars“-Reihe oder die Produktionen des Animationsstudios Pixar. Hinzu kommt nun das riesige Angebot von Fox mit Kinohits wie „Avatar“.
2017 hatte Disney den Start von eigenen Streamingdiensten für 2019 angekündigt und erklärt, die Lizenzverträge für Disneytitel mit Netflix nicht mehr zu verlängern. Dort setzt man nun verstärkt darauf, das Angebot durch exklusive Eigenproduktionen zu erweitern. „Der Wettbewerb ist hart, und es ist aufgrund der Konkurrenz deutlich teurer geworden, die besten Leute der Branche zu verpflichten“, kommentierte Netflix-Chef Reed Hastings im Interview mit der Süddeutschen Zeitung den gestiegenen Druck auf seine Firma.
Unüberschaubarer, fragmentierter Markt
Die offensive Hollywood-Starpower im Rahmen der Apple-Produktion muss demnach vor allem auch als Ansage an die Mitbewerber verstanden werden, der vermeintlichen Übermacht von Disneygroße und zugkräftige Namen bei den selbst produzierten Inhalten entgegensetzen zu können. Eher nebenbei teilte man mit, das Angebot der Apple „TV+“-App in Zukunft auch über Smart TVs von Samsung, LG oder Sony sowie über Amazon Fire TV vertrieben werde. Diese Öffnung über die Grenzen der eigenen Produktpalette hinaus dürfte einer der wichtigsten strategischen Schachzüge sein, um dem neuen Streamingservice schnellstmöglich eine größtmögliche Verbreitung zu garantieren.
Was das alles letztendlich für die Verbraucher bedeutet, wird sich erst zeigen, wenn die Dienste in den USA und international verfügbar sind. „In jedem Fall wird Apples SVoD-Dienst ein glaubwürdiger Anwärter im Kampf um den Anteil der Unterhaltungsdollars der Verbraucher sein – die natürlich nicht unbegrenzt sind“, urteilt Todd Spangler, Digitalredakteur des US-Branchenblatts Variety. Klar ist, dass der fragmentierte Markt schon bald noch unüberschaubarer werden wird, aber die inhaltlichen Angebote für die Nutzer zunächst weiter wachsen werden.
Durch den Konkurrenzkampf könnten zunächst auch die preislichen Anreize für Abonnenten attraktiver werden. Fundierte Prognosen ließ die oberflächliche Show am vergangenen Montag nicht zu. Die Angst davor, die Rivalen könnten sich dadurch vorab auf den Launch einstellen, war wohl zu groß. Dadurch wirkte das Ganze, als habe der Tech-Konzern hauptsächlich feierlich inszeniert sein neues Revier markieren wollen, ehe es die zukünftige Konkurrenz tut.
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