Konjunkturprogramm in Grün: Mehr Öko-Wumms fürs Hilfspaket

Das Ökoinstitut analysiert die Coronahilfen. Gute Ideen seien dabei, doch der Umweltschutz fehle – weltweit immerhin ganze 3,5 Billionen Dollar.

Ein Mann auf einem Fahrrad fährt durch eine Automontagehalle.

Schon etwas grüner: Mitarbeiter auf Rad im VW-Werk für Elektroautos bei Zwickau Foto: Paul Langrock

BERLIN taz | Ein kräftiges Lob, viele Fragezeichen und der Aufruf zu mehr Mut in den Details – das ist für das Öko-Institut und die staatliche Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) die Bilanz des Konjunkturpakets der Bundesregierung.

„Vieles ist positiv, aber manche wichtigen Bereiche fehlen“, sagte am Montag bei einer Präsentation Jan Peter Schemmel von der Geschäftsführung des Öko-Instituts. Wie grün, gerecht und zukunftsfähig des Investitionspaket Deutschland mache, „das hängt von der Ausgestaltung ab“.

Vergangene Woche hatte die Bundesregierung Programme für 130 Milliarden Euro vorgestellt, um die Wirtschaft in der Coronakrise wieder flottzumachen: unter anderem eine befristete Senkung der Mehrwertsteuer, eine niedrigere EEG-Umlage, Kaufanreize und Ladestellen für E-Autos, Steuerhilfen für Unternehmen, Subventionen für den Nahverkehr. „Allein die Größe dieses Pakets zeigt, dass es nicht viele andere Schüsse geben wird“, sagte DBU-Chef Alexander Bonde.

Viel Geld, wenige Weichenstellungen

Umso wichtiger sei es, möglichst viel grünen Wumms zu erzeugen, meinen die Experten vom Öko-Institut. Lob gibt es von ihnen für die Förderung des ÖPNV oder für mehr Investitionen in Gebäudesanierung, die Senkung der Strompreise oder die Förderung der Digitalisierung – und für die Entscheidung, keine Abwrackprämie für Verbrenner zu zahlen.

Allerdings fehlten Hilfen für die Agrar- und Rohstoffwende, so Schemmel. Viele der Maßnahmen, um die Konjunktur anzukurbeln, hätten außerdem aus ökologischer Sicht „keine Lenkungwirkung“. Auch könne ein gesteigerter Konsum zu mehr oder weniger Umweltbelastung führen – je nachdem, ob die Reise ins Bio-Hotel um die Ecke oder per Flugzeug in die Welt gehe.

Eine „Verstetigung des Status quo“ könne aber Klimaschutz schwieriger machen. Wie es besser gehe, hätten etwa die USA nach der Finanzkrise gezeigt, als ein Kredit aus dem großen Hilfsprogramm der US-Bundesregierung den Bau der ersten Tesla-Fabrik für E-Mobile möglich machte.

Die Experten des Öko-Instituts schlagen vor, Hilfsprogramme für ein Umdenken zu nutzen. Beispiel Mehrwertsteuer: Bisher liegt auf dem „Kalbsschnitzel nur der ermäßigte Steuersatz, auf dem Veggie-Schnitzel aber der volle“, kritisierte Katja Schumacher. Das könne man überdenken, wenn man den Fleischverbrauch reduzieren wolle.

Auch fehlten trotz der ÖPNV-Hilfen „Anreize, auf Bus oder Bahn zu wechseln“. Bei der Gebäudesanierung sei offen, wie ehrgeizig die Programme würden, die Hilfen zur Digitalisierung müssten den Energieverbrauch der Branche ansprechen; zudem solle man umweltschädliche Subventionen streichen und die Kfz-Steuer mutig nach dem CO2-Ausstoß ausrichten. Den Experten des Institus fehlen also Weichenstellungen, die das Land unter den veränderten Bedingungen zu mehr Nachhaltigkeit bringen.

Auch im großen Maßstab ist die Gefahr groß, mit Konjunkturhilfen Ökoschäden anzurichten: Weltweit fließen durch die Hilfsprogramme Tausende von Milliarden Dollars in die Zerstörung der Umwelt, findet eine aktuelle Studie des britischen Thinktanks „Vivid­Economics“. Demnach zahlen die 17 großen Industrie- und Schwellenländer 3,5 Billionen Dollar an Hilfen, die „umweltrelevant“ sind – zumeist in den Agrar- und Energiesektor. In 13 Ländern überwiegen die negativen Auswirkungen.

Weit vorn dabei sind die USA, die fast 480 Milliarden Dollar in „braune“ Techniken wie Öl und Autos investieren. Aber auch in Südafrika, Russland, China, Indien und Brasilien ist die Bilanz negativ. Besser sieht es beim Green Deal der EU, in Großbritannien und Frankreich aus. Auch in Deutschland überwiegen nach diesen Zahlen die negativen Einflüsse auf die Umwelt. Das aktuelle Konjunkturpaket ist darin aber noch nicht berücksichtigt.

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